Schon eine halbe Stunde vor Konzertbeginn in der Singener Stadthalle war der Andrang ein großer, und weil gleichzeitig auf dem Rathausplatz nebenan der Weihnachtsmarkt in vollem Gange war, gestaltete es sich schwierig, in den nahegelegenen Parkhäusern noch einen freien Platz zu finden. Doch die zahlreichen Gäste hatten weder Geld noch die Mühen der Parkplatzsuche gescheut, um das Festkonzert des Blasorchesters der Stadt Singen mitzuerleben. Vereinspräsident Hartmut Rackow ließ es sich nicht nehmen, das Publikum in der vollbesetzten Stadthalle zu begrüßen und das Konzertmotto „Vermächtnisse“ zu erläutern, bei dem es darum gehe, „der Welt etwas Bleibendes zu hinterlassen“.
Das Motto bezog sich auf das Titelstück des Konzertabends, das vom spanischen Komponisten Oscar Navarro stammt. Er erzählt in seinem Werk „Legacy“ das musikalische Vermächtnis Spaniens von der Antike an nach, wobei er als Stilmittel die Musik der unterschiedlichen Epochen zitiert. Als Symbol für diese Zeitreise war ein Uhrticken zu hören, das vom Orchester so grandios nachempfunden wurde, dass man glaubte, das Tick-Tack einer riesigen mechanischen Uhr zu hören. In dem komplexen, vielschichtigen Werk dominierte die Oboe, die von der Solistin Susann Scheibling grandios gespielt wurde.
Beim nächsten Stück wurde das Publikum in die Zeit der Römer und Germanen entführt, wobei der österreichische Komponist Otto Martin Schwarz das Leben am Limes, also an der befestigten Grenze des Römischen Reichs, vor beinah 2000 Jahren musikalisch zum Leben erweckte. Auch er nutzte dabei ein sehr außergewöhnliches Stilmittel und ahmte mit den durcheinander tönenden Sprechstimmen der Musiker die Geräuschkulisse auf einem römischen Marktlatz nach. Das Blasorchester machte die Friedenszeiten durch den Einsatz der dominierenden Flöten und Klarinetten erlebbar, während die Kriegszeiten durch machtvolle Klänge der Posaunen, Hörner und Trommeln charakterisiert waren.
Die vom Blasorchester der Stadt Singen vorgetragenen Kompositionen waren durch die Bank anspruchsvoller, ja zum Teil sogar sperriger Art, doch unter der Leitung von David Krause gelang es den Instrumentalisten, nicht nur Wohlklang zu Gehör zu bringen, sondern in den Köpfen der Zuhörer darüber hinaus Bilder zu erzeugen und sie auf diese besondere musikalisch-emotionale Reise mitzunehmen.
Wichtig waren auch die von Moderator Dietmar Weber ausführlich und dabei kurzweilig vorgetragenen Anmoderationen zu den einzelnen Stücken. Ganz nebenbei erfuhr das Publikum auch einiges aus der Biografie des Moderators, der ohne Umschweife zugab, als Zehnjähriger unsterblich in seine Deutschlehrerin verliebt gewesen zu sein.
Noch ein Satz zur Qualität des Orchesters: Dass das Blasorchester technisch sauber gespielt hat und die Einsätze gestimmt haben, war eigentlich geschenkt. Doch dass die Musik mit solchem Klangvolumen, enormer Dynamik und großen Emotionen auf die Bühne gebracht wurde, war herausragend – wobei man nur ahnen konnte, wie viel Arbeit neben dem offensichtlichen Talent der Musiker dahintersteckte. Dies wurde auch vom Publikum so gesehen, das erst nach mehreren Zugaben und unter viel Applaus das Orchester von der Bühne ließ. Im allerletzten Lied der Zugabe wurde es dann doch noch weihnachtlich, als die Trompeten beiderseits der Zuschauerränge „Stille Nacht, heilige Nacht“ intonierten.
Dirigent David Krause trägt auch die musikalische Verantwortung für das Jugendblasorchester der Stadt Singen, das den Abend eröffnete. Jana und Emma führten charmant durch das abwechslungsreiche Programm, wobei die musikalische Qualität des Nachwuchses schon erstaunlich hoch war: Die jüngsten der Mitglieder des Jugendblasorchesters sind nur acht Jahre alt. Auch die Jugendlichen ernteten viel Applaus für ihren tollen Vortrag.