Wird er das „Totemuegerli“ zitieren, oder werden ihn auch die deutschen Nachbarn verstehen? Wenn der Schweizer Kabarettist, Buchautor und Darsteller der Kindersendung „Spielhaus“ Franz Hohler zur Eröffnung der „16. Erzählzeit ohne Grenzen“ geladen ist, ist der Publikumszustrom gesichert. Mit 82 Jahren gelingt es ihm immer noch, die Zuschauer mit seiner Bühnenpräsenz zu fesseln. Auch die zahlreich im Schaffhauser Stadttheater anwesenden Gäste aus Singen und dem Hegau. Und um die bange Eingangsfrage gleich zu klären: Die selbst für manchen Schweizer fast unverständliche, skurrile Berner Geschichte vom „Totemuegerli“ über die Seelenaussauger kam nicht zur Sprache. Dafür aber viel Verbindendes über die Grenzen hinweg.

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Monika Schärer, die bereits zum vierten Mal mit ihrer charmanten Moderation durch den Abend führte, entlockte ihren Gästen auf der Bühne im munteren Plauderton so manche Einschätzung zum Thema Bildung und Literatur. Im Wechsel findet die Eröffnung der aufwändig organisierten „Erzählzeit ohne Grenzen“ in Singen und Schaffhausen statt.

Begeistert applaudieren Moderatorin Monika Schärer (v.l.) und Liedermacherin Uta Köbernick den Ausführungen von Franz Hohler.
Begeistert applaudieren Moderatorin Monika Schärer (v.l.) und Liedermacherin Uta Köbernick den Ausführungen von Franz Hohler. | Bild: SCHNEBLE WOLFGANG FOTOGRAF

Diesmal also im schmucken Stadttheater Schaffhausen. Und die Ränge füllten sich. Das Literaturfestival hat sich über die Jahre zu einem festen Termin im Kulturkalender der Region etabliert. Doch wozu braucht es so eine Buchwoche mit 63 Veranstaltungen und 33 Literaturschaffenden? Diese Frage stellte die Moderatorin den Gastgebern, vertreten durch den Regierungspräsidenten des Kantons Schaffhausen, Martin Kessler, und den für Bildung verantwortlichen Stadtrat Marco Planas. In Zeiten des erstarkenden Nationalismus sei das Verbindende über die Grenzen hinweg wichtig, betonte Martin Kessler. „Die Generation ‚Homegate‘ isoliert sich immer mehr in den Dörfern“, so der Regierungspräsident. „Umso wichtiger sind Kulturangebote als Brückenbauer für die Menschen.“ Das sollte sich später beim Apéro im Foyer des Theaters bestätigen.

Der neue Schaffhauser Bildungsreferent Marco Planas sieht in dem Literaturfestival eine Möglichkeit für Eltern, niederschwellig zum Lesen zu kommen. Es vergehe kein Abend, an dem er nicht noch ein Buch in die Hand nehme, sagte er. Als Primarlehrer sei ihm bewusst geworden, wie wichtig es ist, den Kindern den Zugang zu Büchern zu ermöglichen. „Die Schule allein kann das aber nicht leisten“, sagte er. „Daher ist die Elternarbeit ebenso wichtig wie die mit den Kindern.“ Dabei helfe die Literaturwoche. Monika Schärer hatte das Thema mit der Frage in den Raum geworfen, wie man nach den ernüchternden Ergebnissen der PISA-Studien die Lesekompetenz von Kindern und Jugendlichen steigern könne.

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Der Abend im Stadttheater zeigte, wieviel Spaß der Umgang mit Sprache machen kann. Dabei ging es den beiden Gästen Franz Hohler und der Liedermacherin, Schauspielerin und Kabarettistin Uta Köbernick um Humor und Hintersinn. Während sich die gebürtige Berlinerin und in der Schweiz lebende Uta Köbernick mit Gitarre und Gedichtband allgemeinen gesellschaftlichen und persönlichen Themen wie die Geschlechterfrage, Beziehungskonflikt oder dem Scheitern auseinandersetzte, las Franz Hohler ganz dialektfrei aus seinem Reisebuch „Rheinwärts“ sowie aus Erinnerungen an Weggefährten „Franz Hohler & friends“.

Empathie und Selbstironie

Darin ging es zum einen um die liebevolle Betrachtungen der Heimat mit Start- und Zielpunkt Schaffhausen und später um persönliche Begegnungen mit Gardi Hutter, Peter Bichsel oder Friedrich Dürrenmatt. Hohler ist ein Menschenfreund. Das wurde in jeder Zeile deutlich. Empathisch und selbstironisch nähert er sich seinen Themen an. Von allzu großer Ehrfurcht hält er nichts. Und das verschafft ihm den Zugang zu der Sichtweise von Kindern. Für Franz Hohler ist Literatur ein Kraftort, eine Möglichkeit, sich aus der Wirklichkeit zurückzuziehen. Er freut sich darüber, mit seinem Lebenswerk Anregungen gegeben zu haben. Und dann taucht da doch noch das „Totemuegerli“ auf. „Ein Berner Jazz-Chor hat es aufgeführt“, erzählt er stolz. „Das ist das Schöne, wenn man für Kinder schreibt.“

Stargast des Abends war Franz Hohler. Am Büchertisch im Foyer des Schaffhauser Stadttheaters signierte er seine Bücher.
Stargast des Abends war Franz Hohler. Am Büchertisch im Foyer des Schaffhauser Stadttheaters signierte er seine Bücher. | Bild: SCHNEBLE WOLFGANG FOTOGRAF

Auch Uta Köbernick sorgt mit ihren Liedern und kurzen Texten für Überraschungen. Zum Beispiel in ihrem Kommentar zur US-Wahl, in dem sie Elon Musk so schnell wie möglich zum Mars schicken will und „Mars“ bald „X“ heißen werde. Oder in ihrem sarkastischen Text über die Diskriminierung von Reichen, die ja nichts für dafür könnten, dass sie den Reichtum wie eine Krankheit geerbt hätten. In ihren Liedern findet auch viel Selbstreflexion statt. „Wo nähme ich meine ganze Kraft her, wenn das Scheitern nicht wär?“, fragt sie zum Beispiel. Immer haben ihre Texte ein offenes Ende und regen zum Nachdenken an. „Ich bin noch nicht fertig“, heißt ein Song. Auf der Bühne fühlen sich die beiden Wortakrobaten Franz Hohler und Uta Köpernik verbunden. Das Publikum belohnt das mit großem Applaus und schreitet zum munteren Plausch im Foyer.