An der Waage kommt keiner vorbei. Auch nicht die Gruppe, die auf Einladung des Singener Ortsvorbands von Bündnis 90/Die Grünen zur Führung zum Kompostwerk gekommen war. Tatsächlich muss jeder Lkw erst einmal auf die Waage, damit das, was später abgekippt wird, registriert wird. Das gesamte Areal von Reterra – so heißt das Kompostwerk im Südosten der Stadt seit 2017 – hat sich in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert. Christian Goldschmidt, Geschäftsführer bei Reterra, erläuterte den knapp 20 Gästen, was dort alles gemacht wird, um die Abfälle nachhaltig zu verwerten.

Eigentlich ist schon der Name Reterra Programm, denn das „Re“ stehe für Recycling und Terra heißt Erde, wie es Regina Henke vom Grünen Ortsverband bei der Begrüßung formulierte. Der Ortsverband macht immer mal wieder Besichtigungen oder Veranstaltungen unter dem Motto „Wissen vor Ort“. Diesmal war das Kompostwerk dran. Ursprünglich war es 1983 zur Behandlung von gemischten Haushaltsabfällen in Betrieb gegangen.

Christian Goldschmidt, Geschäftsführer bei Reterra (hinten rechts), zeigt den Gästen, wo der Biomüll angeliefert wird.
Christian Goldschmidt, Geschäftsführer bei Reterra (hinten rechts), zeigt den Gästen, wo der Biomüll angeliefert wird. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Im Landkreis Konstanz war die getrennte Biomüllabfuhr dann im Jahr 1993 eingeführt worden. Vor rund zehn Jahren begannen auf dem Gelände umfangreiche Modernisierungsarbeiten mit einer neuen Tunnelröhre für die Kompostierung und später dem Bau einer Biogasanlage, skizzierte Christian Goldschmidt mittels einer Präsentation und kleinen Filmen, wie das Werk arbeitet, bevor der Rundgang begann.

Mehr als die Hälfte des Abfalls kommt aus anderen Landkreisen

Wie Goldschmidt erklärte, bekomme Reterra etwa 15.000 Tonnen pro Jahr an Grüngut, das behandelt werden müsse. Von den 75.000 Tonnen an Bioabfällen kommen 30.000 aus dem Landkreis Konstanz, der Rest kommt aus den Landkreisen Waldshut, Sigmaringen, Reutlingen, Tübingen und Böblingen.

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Es sei fast schon ein Skandal, dass man in Sigmaringen erst 2024 die getrennte Biomüllabfuhr eingeführt habe, bemerkte Goldschmidt am Rande. „Deutschlandweit werden etwa 15,26 Millionen Tonnen Bioabfälle gesammelt. Diese haben ein Potenzial von rund zehn Milliarden Kilowattstunden Energie“, sagte Goldschmidt.

Die Aufbereitung des Bioabfalls starte mit einer neuen, vollautomatischen Krananlage. Beim Rundgang sahen die Teilnehmer, wie viel Plastik nach der Anlieferung in der Masse zu sehen ist. Mit einem Magnetabscheider werden eisenhaltige Stoffe wie Kronkorken oder Draht, manchmal auch Batterien, herausgezogen.

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„Im Oktober hatten wir hier vor Ort mal ein Selektionsfahrzeug im Einsatz, um solche Störstoffe zu finden“, so Goldschmidt. Im Kreis Waldshut würde dies regelmäßig gemacht und der Bioabfall habe dort auch deutlich bessere Qualität, weil dies als Erziehungsmaßnahme seine Wirkung zeige.

In der Biogasanlage, die seit vier Jahren läuft, werden etwa 45.000 Tonnen im Jahr vergärt. Die Gasausbeute beträgt dafür 130 Kubikmeter pro Tonne. „Das ist umweltfreundlich und effizient“, sagte Goldschmidt. Die Ausbeute sei auch deshalb so hoch, weil der Bioabfall in Süddeutschland eher feucht ist. Die Anlage funktioniere nach dem sogenannten Valorga-Verfahren. Das bedeutet, dass das Material durch das Einpressen von Biogas in den Fermenter auf 16 Feldern mit verschiedenen Bakterienkulturen durchmischt wird.

Diese Schnecke muss gewartet werden. Sonst ist sie zum Verdichten des Materials im Einsatz, wie Christian Goldschmidt, Geschäftsführer ...
Diese Schnecke muss gewartet werden. Sonst ist sie zum Verdichten des Materials im Einsatz, wie Christian Goldschmidt, Geschäftsführer von Reterra, der Gruppe erläuterte. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Die entstehenden sieben Millionen Kubikmeter Biogas werden in den zwei Blockheizkraftwerken zu 16 Millionen Kilowattstunden Strom und Abwärme pro Jahr umgewandelt. „Damit könnten wir ein Drittel der Singener Haushalte mit Strom versorgen“, so Goldschmidt. Der Strom werde zur Eigenversorgung verwendet und der Rest werde von der Thüga gemäß dem EEG (Energie-Einspar-Gesetz) abgenommen. Die entstehende Abwärme würde Reterra gern an das geplante Gewerbegebiet Tiefenreute abgeben, so Goldschmidt.

Biomüll riecht nicht unangenehm

Das Endprodukt aus der Biogasanlage nahmen die Teilnehmer besonders kritisch unter die Lupe – und zwar hinsichtlich des Geruchs. Lisa Kreitmeier, die selbst Landwirtin ist, war angetan, denn es roch praktisch gar nicht unangenehm. Pirmin Weber ist bei Reterra dafür zuständig, das Produkt an Landwirte zu vermarkten. „Das Endprodukt hat vier bis sechs Kilogramm Stickstoff in einem Kubikmeter und ist damit als Dünger attraktiv für Landwirte“, sagte Weber. Das Produkt werde monatlich auf Schadstoffe hin untersucht und bekomme auch ein Gütesiegel.

Ingo Maus, stellvertretender Betriebsleiter, lässt die Teilnehmer der Führung die Geruchsprobe machen. Im Becher befindet sich das ...
Ingo Maus, stellvertretender Betriebsleiter, lässt die Teilnehmer der Führung die Geruchsprobe machen. Im Becher befindet sich das Endprodukt des Vergärungsprozesses, das an Landwirte zum Düngen verkauft wird. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Beim Rundgang sahen die Teilnehmer auch die Tunnelkompostierung, wo aus 35.000 Tonnen Bioabfällen hochwertiger Kompost für regionale Landwirtschaft gemacht wird. Bei der Grüngutkompostierung entsteht aus 15.000 Tonnen schließlich Kompost für Gartenbaubetriebe und Privatleute sowie für Erdmischungen. Grobe Holzstücke werden von der Gärtnersiedlung in Beuren an der Aach im Heizkraftwerk verbrannt. Die aufgeschütteten Bioabfälle werden einmal wöchentlich umgesetzt und nach sechs Wochen ist das Material fertig für die Verwendung.

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Am Montag, 1. April, gehen die neuen Photovoltaikanlagen auf verschiedenen Dächern in Betrieb. Die Anlage hat eine Leistung von 950 Kilowattpeak, sagte Goldschmidt.