Weihnachten ist nicht nur ein Familienfest. Es ist auch ein Fest der Traditionen. Bei uns im Hause Kammerlander/Güntert ist dies immer eine heiße Diskussionsgrundlage. Dabei geht es nicht etwa darum, in welchen Farben der Christbaum geschmückt wird oder ob wir an Heilig Abend in die Kirche gehen. Nein, bei uns dreht sich an diesem Abend eigentlich alles um das Weihnachtsessen. Kein Wunder, denn mein Lieblingsessen ist seit Jahren: viel. Reichleich mag ich auch und wenn es dann noch genügend ist, bin ich zufrieden. Aber zurück zu Weihnachten. Während es meine Mama, Andrea Kammerlander, gerne traditionell mag, stehe ich bei uns in der Familie für die neue Küche. Oder anders formuliert: Meine Mama spielt im Team Blaukraut bleibt Blaukraut während ich den Rotkohl gerne einmal aufpimpe, ihm neue Skills (Neudeutsch für Fertigkeiten) verleihe. Herzlich willkommen also zum Kampf der Blaukraut-Köpfe bei uns zu Hause.

Hier erhält Rotkohl eine neue Bühne
Schnödes Rotkraut wie jedes Jahr? Nicht mit mir! An diesem Weihnachtsfest kommt bei mir zur Vorspeise eine Abwandlung des roten Krautkopfes auf den Teller: einen lauwarmen Rotkohlsalat mit karamell-chilli Nüssen, einem Crostini mit Meerrettichcreme, Apfelsalasa und Südtirolerschinken-Segel. Mama ist skeptisch: „Ob das schmeckt?“ Klar, schmeckt das!
Rotkraut-Klassiker gegen das Vergessen
Tradition ist bei meine Mutter Andrea Kammerlander ein wichtiger Aspekt. Dies war schon immer so. Altbacken würde ich sie deswegen nicht nennen. Auf gar keinen Fall. Vielmehr möchte sie liebgewonnenen Traditionen aus ihrer Generation in die neue übernehmen. So ist es auch beim Weihnachtsessen. Denn vieles, was in ihrer und in meiner Kindheit ein kulinarischer Renner waren, sind verloren. Warum? Weil die Menschen, die die Rezepte im Kopf haben, nicht mehr unter uns weilen.

„Erinnerst Du Dich noch an die Wurstmitschel von Opa?“, fragt meine Mutter mich an diesem Tag. Und sofort läuft mir das Wasser im Munde zusammen. „Wir haben tagelang nach Knoblauch gerochen, aber das war es wert“, entgegne ich ihr. Hinter den Wurstmitschel steckt ein einfacher Brötchenteig in den klein geschnittene donauschwäbische Bratwürste gesteckt und dann wird alles im Ofen gebacken. Der Saft aus den Würsten befeuchtet von Innen das Brötchen, außen sind sie kross. Dazu Meerrettich und fertig ist eines meiner Lieblingsessen aus meiner und Mamas Kindheit. Das Problem ist nur: Nur mein Opa wusste, wie die Dinger gemacht werden. Niemand hat sich je darum geschert, wie sie entstehen. Gegessen haben wir sie alle. Doch Opa weilt nicht mehr unter uns, das Rezept ist mit ihm verloren gegangen.

Anders soll es mit dem Rotkraut-Rezept von Opa geschehen. „Ich erinnere mich noch heute daran, wie Opa jedes Jahr mit roten Händen in der Küche stand“, sagt Mama. Warum sie noch heute das Rotkraut nach Opas Art kocht? „Ich möchte nicht, dass das verloren geht. Schließlich sollen deine Kinder auch noch Opas Rotkraut kennenlernen können.“