In Zeiten von Homeschooling und Homeoffice ist eines besonders entscheidend: schnelles Internet. Während vor drei Jahren noch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek damit Schlagzeilen machte, dass in ihren Augen nicht an jeder Milchkanne ein 5G-Netz nötig sei, weiß man heute mehr. Sehr viel über den Stand der Digitalisierung in Singen wollte die SPD-Fraktion wissen, deshalb stellte sie der Stadtverwaltung zu Jahresbeginn zwei dutzend Fragen. Vier Menschen aus drei Abteilungen haben sie nun möglichst beantwortet: Dietmar Streit und Vanessa Nielinger für die Verwaltung, Bernd Walz für die Schulen und Oliver Rahn für die Wirtschaftsförderung. Dabei wurde klar: Digitalisierung ist in Singen kein neues Thema, das allein wegen der Corona-Pandemie auf der Agenda ist. Doch noch sind nicht alle Haushalte, Unternehmen und Schulen gut versorgt.

  • Haushalte und Unternehmen: Die Karte zur Versorgungssituation der Stadt, die Oliver Rahn im Gemeinderat präsentierte, zeigt sehr viel Dunkelblau. Das steht für ein Mindestmaß an Versorgung mit 16 Megabyte pro Sekunde (MB/s), was in 96 Prozent der Haushalte möglich ist. Einige Flecken sind auch in hellerem Blau: 93 Prozent haben über 50 MB/s, 88 über 100, 84 über 200 – und sogar 66 Prozent die 1 Gigabyte pro Sekunde, die der Bund flächendeckend für 2025 zum Ziel gemacht hat. Ein sehr ambitioniertes Ziel, fand der Wirtschaftsförderer, und eine 100-prozentige-Versorgung werde man sicher nicht erreichen. Die aktuelle Versorgung liegt auch am Ausbaustand: In der Kernstadt ist sogenanntes Vectoring mit bis zu 100 MB/s üblich oder ein Kabelanschluss mit bis zu 1 GB/s im Download, in den Ortsteilen sind es hingegen nur 50 MB/s dank VDSL. Doch häufig würden nicht einmal diese 50 MB/s erreicht, bemerkte er mit Blick etwa nach Bohlingen.

Nächster Schritt in Singen soll ein Markterkundungsverfahren sein, das weiße Flecken mit einer Versorgung unter 30 MB/s und graue Flecken mit unter 100 MB/s ermitteln soll. Das Markterkundungsverfahren soll jetzt stattfinden und im Sommer ausgewertet werden, sodass nach den Sommerferien über weitere Schritte und Förderprojekte entschieden werden könnte. Die Markterkundung soll auch Grundlage für Förderungen sein: Die sind laut Rahn leider ein „sehr, sehr langer Prozess“, für die Genehmigung und Umsetzung müsse man mindestens zwei Jahre einplanen. Mit einer Kostenübernahme von 90 Prozent scheinen Förderungen finanziell sehr attraktiv. Rahn warnte aber: „Auch zehn Prozent können bei diesen Projekten viel Geld sein.“

  • Die Schulen haben im vergangenen Jahr einen großen Sprung gemacht, wie Zahlen von Bernd Walz als Leiter des Fachbereichs Bildung und Sport zeigten. Ein Standbein dafür ist der schon länger angekündigte Digitalpakt Schule, der 2,045 Millionen Euro für Singens Schulen bringt. Dazu kommen weitere Förderungen mit einem Volumen von insgesamt 846.738 Euro, die besonders beim Corona-bedingten Fernunterrichts helfen sollten: Rund die Hälfte floss etwa in Tablets, der Rest ist zum Beispiel für den Breitbandausbau und die Ausstattung von Lehrern geplant. Aktuell sei die Versorgung in den Schulen überwiegend vernünftig im Download mit zum Teil bis zu 200 MB/s, doch der Upload habe nur eine geringe Bandbreite. Dabei sei gerade der Upload für das Arbeiten mit Cloud-Lösungen wichtig. Bislang sind nur die beiden Gymnasien ans schnellere Breitband angeschlossen. Das sei in den vergangenen Monaten kurzfristig und ohne Fördermittel umgesetzt worden. Vier Schulen in der Kernstadt können laut Walz ähnlich zügig angeschlossen werden, die Kosten liegen zwischen 10.000 und 25.000 Euro pro Schule.
Das könnte Sie auch interessieren

Teurer wird die Verkabelung von Beethovenschule, Ekkehard-Realschule, Zeppelin-Realschule, Waldeck-Schule und Bruderhofschule, die nun ausgeschrieben werden soll. Der Fachbereichsleiter rechnet hier mit Kosten von 650.000 Euro. Von Seiten der Infrastruktur fehlen dann in vier, fünf Schulen noch Server und Zugangspunkte. Anders sei es bei der Ausstattung von Lehrern und Klassenzimmern, die bis Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. Walafried Schrott (SPD) warnte, dass mit mehr Informationstechnik auch der Betreuungsaufwand steige. Bernd Walz stimmte ihm zu. 230.403 Euro stünden für das laufende und das nächste Jahr zur Verfügung. Doch danach werde es spannend. „Die Grundausstattung haben wir. Aber wenn das Land da nicht einsteigt, werden die Kommune Probleme bekommen.“

  • Die Verwaltung: Seit 2018 arbeitet die Stadtverwaltung an ihrer Digitalisierung und habe schon große Fortschritte gemacht, befand Vanessa Nielinger von der Lenkungsgruppe. 35 Teilaufgaben sind ermittelt von der Konzeption über die digitale Infrastruktur bis zu Dienstleistungen. Meilensteine seien etwa die digitale Akte gewesen, die zu 50 Prozent umgesetzt sei, die neue Stadt-Webseite seit Januar oder dass Bürger online einen Termin im Bürgerbüro vereinbaren können. Das sind nur drei von mehr als ein Dutzend Verbesserungen, zu denen nicht zuletzt auch der Anschluss der Dienststellen ans schnellere Glasfasernetz zählt. Geplant sind beispielsweise ein virtuelles Bauamt und kontaktloses Bezahlen in den Bädern.

Woran es hakt, machte Vanessa Nielinger deutlich: Neue Prozesse einzuführen koste viel Geld und, ständig auf den aktuellen Stand zu reagieren, koste auch viel Zeit. Außerdem würden rechtliche Rahmenbedingungen langsam angepasst. Und selbst wenn vor Ort digitaler gearbeitet werden kann, brauche ein Kulturwandel Zeit. Das zeigte auch die Nachfrage von Walafried Schrott (SPD), wie viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten können: Rund 30 Prozent der Arbeitsplätze seien dafür ausgestattet. Aber Homeoffice sei nicht in allen Bereichen möglich – und viele Mitarbeiter wollen es auch nicht.