Nur schnell weg hier! Mit diesem Gedanken haben inzwischen Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Vor allem Frauen und Kinder flüchten vor dem Krieg, auch nach Deutschland. Sehr plötzlich werden nun viele Unterkünfte gebraucht.
Auch im Hegau sucht das Landratsamt Konstanz händeringend nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Denn laut Landrat Zeno Danner werden noch im Oktober rund 550 geflüchtete Menschen aus der Ukraine erwartet. Nun steht auch fest, wo ein Großteil von ihnen untergebracht werden soll: im Hegau.
Wie Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landratsamtes Konstanz, auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigte, seien folgende Gebäude für die Umrüstung zu einer Notunterkunft vorgesehen: In Engen soll das ehemalige Gasthaus Sonne sowie die ehemalige Stadthalle genutzt werden.
In Gottmadingen sind es die alte und aktuell leerstehende Eichendorff-Real- und -Grundschule sowie in Rielasingen-Worblingen die Ten-Brink-Halle. Weitere Gebäude seien vorerst laut Pellhammer im Hegau nicht vorgesehen.
Gebäude sollen noch dieses Jahr belegt werden
Und die Belegung soll nun sehr schnell erfolgen. Laut Pressestelle aus dem Landratsamt würden die Vorbereitungen beziehungsweise die Baumaßnahmen bereits laufen. „Die Belegung der Objekte ist im Zeitraum zwischen Oktober und November geplant; je nachdem wie schnell sich die Fertigstellung realisieren lässt“, sagt Marlene Pellhammer. Es sei vorgesehen, dass in das Gasthaus Sonne 46 Menschen sowie in die alte Stadthalle 132 Menschen einziehen.

Die alte Eichendorffschule soll mit 200 geflüchteten Menschen belegt werden, in der Ten-Brink-Halle sind es 180 Menschen. Wie teuer die Umbaumaßnahmen zu einer Notunterkunft ausfallen werden, stehe aktuell noch nicht fest. „Die Kosten für die einzelnen Maßnahmen können aufgrund der Dringlichkeit der Umsetzung erst während oder nach deren Umsetzung genau beziffert werde“, teilt das Landratsamt auf Anfrage mit.
Leichtbauhallen, aber wohin?
Ein weiterer Baustein auf den der Landkreis Konstanz bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen setzt, sind sogenannte Leichtbauhallen. Wie Landrat Zeno Danner jüngst gegenüber dem SÜDKURIER bestätigte, seien fünf davon geplant. Diese würden Platz für 2000 Menschen bieten, 400 pro Halle.
Eine Halle solle etwa in Konstanz errichtet werden, wahrscheinlich auf dem Grundstück des LKW-Vorstauraum in der Max-Stromeyer-Straße. „Derzeit ist eine Fläche in Konstanz in Planung und ein Platz in Rielasingen, weitere geeignete Flächen werden in Abstimmung mit den Gemeinden ermittelt“, ergänzt Pellhammer.

Und auch hinsichtlich der Kosten für die Zelte, könne man im Landratsamt keine genaueren Angaben machen. Genaue Kosten seien laut der Pressesprecherin abhängig von der Größe und der Ausstattung und müssten für die einzelnen Standorte noch definiert werden.
„Ideal sind Standorte mit circa 400 Personen, es sollten jedoch mindestens 200 Personen an einem Standort untergebracht werden können“, so Pellhammer weiter. Was aber bereits feststeht, auch mit Blick auf den Winter: Die Leichtbauhallen werden üblicherweise mit mobilen Heizungsanlagen mit Öl beheizt.
Und was sagen die betroffenen Gemeinden zum Plan der Landkreises?

„In erster Linie bedeutet die Belegung der kommunalen Hallen, dass die Vereine nach einer schwierigen Zeit während der Corona-Pandemie, wieder auf Hallenzeiten und somit Vereinsleben verzichten müssen“, betont Engens Bürgermeister Johannes Moser. Es werde seiner Ansicht nach nicht vermeidbar sein, dass Vereins- und Schulsport ausfällt. „Mit der Fertigstellung der neuen Sporthalle im Dezember dürfte wieder etwas Entlastung eintreten, so Moser weiter.
Ein wesentlicher Aspekt sei etwa auch, dass die Belastung in den Schulen und den Kindertageseinrichtungen durch die aufzunehmenden Kinder erheblich ansteigt. „Gerade in diesen Bereichen sind die Kapazitätsgrenzen erreicht. Außerdem hören wir auch vermehrt von ehrenamtlichen Helfern, dass der Aufwand im Ehrenamt kaum mehr zu leisten ist. Wir sind dankbar, um jede unterstützende Kraft und hoffen, dass sich weitere Freiwillige melden“, so Moser weiter.

In Gottmadingen sehe dies zum Teil anders aus, wie Bürgermeister Michael Klinger schildert: „Die alte Schule zur Verfügung zu stellen ist von der Gebäudenutzung unproblematisch, da sie eh leer steht. Wir nehmen also niemand etwas weg.“
Der Pausenhof und das Grundstück böten auch den nötigen Platz im Umfeld. „Wir müssen uns aber klar sein, dass wir hier eine Unterkunft für mehrere hundert Geflüchtet mitten in einem Wohnquartier schaffen und dass wir gut darauf achten müssen, dass es hier nicht zu Konflikten kommt“, so Klinger weiter.

Ralf Baumert, Bürgermeister von Rielasingen-Worblingen, gehe aktuell davon aus, dass die Ten-Brink-Schule lediglich drei oder vier Monate belegt werden solle. Deswegen weiche man in Rielasingen auf die große Talwiesenhalle aus. „Dort stehen die dreiteilige Sporthalle, Gymnastiksaal und Festsaal für Schul- und Vereinssport zur Verfügung“, so Baumert.
Zudem bleibe die Scheffelschule im eigenen Sportraum und in der Hardberghalle in Worblingen würden noch freie Kapazitäten genutzt werden. Schlechte Nachrichten gibt es aus der Doppel-Gemeinde für die Singener Schulen: „Leider mussten wir den Singener Schulen für diesen begrenzten Zeitraum absagen, da wir üblicherweise in einer solchen Situation aushelfen.“, sagt Baumert. Vor allem die beruflichen Gymnasien in Singen hatten gehofft, einen Teil ihres Schulunterrichtes in die Talwiesenhalle auszulagern.
Die Kommunen sind am Anschlag
Bei den Antworten der Bürgermeister schwingt aber ein großes Aber mit. Denn es wird klar: Die Kommunen sind mit eigenen Gebäuden am Anschlag. „Bis neue Unterkünfte geschaffen sind, werden wir hauptsächlich auf die Anmietung von privatem Wohnraum angewiesen sein“, sagt Johannes Moser.
Derzeit stünden in Engen keine weiteren kommunalen Gebäude zu Verfügung. „Es wird äußerst spannend, wie die Kommunen die in sechs Monaten kommende Zuweisung der Flüchtlingen in die Anschlussunterbringung lösen werden. Es kann durchaus sein, dass dann die Kommunen auf ihre Hallen zugreifen müssen“, befürchtet er.

Auch Michael Klinger sieht dies ähnlich: „Mit den jetzt zugesagten 200 Plätzen in der ehemaligen Schule leistet Gottmadingen einen erheblichen Beitrag. Der Gemeinderat wird sich aber mit der Anfrage des Landratsamts hier noch mehr Plätze zu schaffen – denkbar wären bis zu 400 – befassen müssen.“ Weitere Gebäude sehe er dann in Gottmadingen nicht.
Ralf Baumert antwortet auf die Frage, ob Rielasingen-Worblingen noch weitere Gebäude zur Verfügung stellen könne, mit einer klaren Antwort: „Nein.“ Eine Analyse der Flüchtlingszahlen zeigt aber: Von Januar bis August 2015 sind 946 Flüchtlinge im Kreis Konstanz angekommen. In diesem Jahr waren es im gleichen Zeitraum 2089 Menschen.