Johanna Schmutz wartet geduldig, bis sie an der Reihe ist. Nervös ist sie nicht. „Das ist doch etwas Gutes“, sagt die Bewohnerin des Pflegezentrum Hegau. Dann ist sie dran und wird von Ärztin Katja Lutz empfangen. „Keine Sorge, es ist nur ein kleiner Piks“, sagt sie. Nach ein paar Sekunden ist alles vorbei und Johanna Schmutz ist gegen das Corona-Virus geimpft. Sie ist eine von 118 Bewohnern der Singener Pflegeeinrichtung, die an diesem Tag von den Ärzten Katja Lutz, Thomas Auer und Michael Kamphans sowie den Helfern des mobilen Impfteams (MIT) aus Freiburg eine Impfdosis erhalten. Das Pflegezentrum Hegau ist das dritte Pflegeheim im Landkreis Konstanz, das durchgeimpft wurde.

Johanna Schmutz (vorne) mit den drei Ärzten Michael Kamphans, Thomas Auer und Katja Lutz (von links).
Johanna Schmutz (vorne) mit den drei Ärzten Michael Kamphans, Thomas Auer und Katja Lutz (von links). | Bild: Matthias Güntert

Laut Geschäftsführer Helmut Matt haben 95 Prozent aller Bewohner eine Corona-Impfung erhalten. „Bei den restlichen Bewohnern war eine Impfung aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht möglich“, sagt er. Auch 65 Prozent seiner 70 Mitarbeiter hätten sich für eine Impfung entschieden. „Wer sich bei uns noch nicht geimpft hat, ist kein Impfgegner an sich, viele diese Mitarbeiter haben aktuell noch Ängste vor möglichen Nebenwirkungen“, so Matt. Er finde es dennoch sehr wichtig, dass so viele Menschen wie möglich geimpft werden. „Und zwar so schnell wie möglich“, betont Matt.

Der Landkreis hinkt hinterher

Doch genau an dieser Stelle drückt der Schuh. Denn laut Matt fehle es im Landkreis an Impfdosen, weshalb man mit der Impfung in Pflegeheimen im bundesweiten Vergleich deutlich hinterherhinke. „Wir sind erst die dritte Einrichtung, das ist viel zu wenig“, kritisiert er. Es gebe laut Matt Bundesländer, in denen bereits um die 50 Prozent der Pflege- und Altenheime versorgt wurden.

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„Baden-Württemberg ist in diesem Bereich das zweitschlechteste Bundesland“, sagt Matt. Das Problem liege seiner Einschätzung nach jedoch nicht bei den Heimen. Diese stünden bereit und könnten loslegen, betont er. „Das Personal ist da, Vorgaben sind erfüllt, die Logistik steht – das Problem ist aber, dass es viel zu wenig Impfstoffdosen gibt“, sagt Matt.

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Helmut Matt steht mit seiner Kritik an der schleppenden Impfstrategie im Landkreis nicht alleine da. Auch Engens Bürgermeister Johannes Moser bezeichnet den aktuellen Stand als kritisch. „Wir sind von dem Versprechen von Gesundheitsminister Jens Spahn, dass alle Pflegeheime Ende Januar durchgeimpft sind, meilenweit entfernt“, sagt Moser. Engen verfüge über rund 200 Pflegeplätze verteilt auf drei Einrichtungen. Geimpft wurde in Engen bisher allerdings noch kein Heimbewohner.

Eine Spritze mit dem Impfstoff, ein Pflaster und Desinfektionsspray – mehr braucht es für die Impfung nicht.
Eine Spritze mit dem Impfstoff, ein Pflaster und Desinfektionsspray – mehr braucht es für die Impfung nicht. | Bild: Matthias Güntert

Moser könne auch nicht absehen, wann es in den Engener Pflegeheimen zu Impfungen kommen werde. „Bei allem Aktionismus, der derzeit in Deutschland herrscht, uns fehlt es an Impfstoff„, macht er deutlich. Auch die Anzahl an Impfteams sei zu gering. Mosers Forderung: mehr Impfstoff und deutlich mehr Impfteams. Derzeit gebe es davon nämlich lediglich eines. „Die Impfwichtigkeit in Pflegeheimen ist hoch“, ruft Bürgermeister Moser in Erinnerung.

Matt: „Meine Kollegen brauchen den Impfstoff dringend.“

Im Pflegezentrum Hegau ist Helmut Matt erleichtert, dass die Impfungen an diesem Tag reibungslos verlaufen sind. „Wir sind froh, dass wir jetzt dran waren. Der Impfstoff bringt wieder etwas Entspannung in unseren Alltag“, sagt er. Matt hoffe nun, dass es im Landkreis vorangehen werde: „Meine Kollegen brauchen den Impfstoff dringend. Auch dort ist alles vorbereitet.“ Jeder Tag, an dem Menschen nicht geimpft werden, könne Menschenleben fordern.

Viel Planung: Geschäftsführer Helmut Matt und die stellvertretende Heimleiterin Carolin Böttcher planen die Imfungen im Voraus.
Viel Planung: Geschäftsführer Helmut Matt und die stellvertretende Heimleiterin Carolin Böttcher planen die Imfungen im Voraus. | Bild: Matthias Güntert

In Gesprächen mit weiteren Heimleitungen aus Singen und der näheren Umgebung wisse er, dass Impfstoff vorhanden sei. Die Impfzentren würden 50 Prozent der Dosen zurückhalten, um die Zweitimpfung sicherzustellen, so Matt: „Wir appellieren deshalb an die Landespolitik sich besser und schneller aufzustellen.“ Denn derzeit gebe es neben den Schutzmaßnahmen keine Alternative zum Impfserum.

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Auch Johanna Schmutz wirkt nach der Impfung zufrieden. Gemerkt habe sie nicht viel. In 21 Tagen kommt das Impfteam aus Freiburg noch einmal ins Pflegezentrum Hegau, dann erhalten Susanne Schmutz und ihre 117 Mitbewohner die zweite Impfdosis. Auch dann wird es nur ein kleiner Piks sein. Und wie die Rentnerin schon einmal bemerkte: „Das ist doch etwas Gutes.“

Pflegeheime sind permanent im Fokus

  • Hohe Ansteckungswerte: Laut Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landratsamtes, gibt es im Landkreis Konstanz 36 Pflegeheime. Das Pflegezentrum Hegau in Singen war das dritte, das durchgeimpft wurde. Insgesamt wurden in Pflegeeinrichtungen rund 38 Bewohner und Personal geimpft. Da die Übertragungswerte in den Pflegeheimen erhöht seien, zählen sie als Ansteckungsherde. „Pflegeheime sind permanent im Fokus des Gesundheitsamtes“, sagt Pellhammer.
  • Circa 500 Impfdosen pro Woche: „Pflegeheime werden so schnell als möglich durch mobile Teams des Zentralen Impfzentrums aus Freiburg und ab Mitte Januar auch durch MIT des Kreisimpfzentrums geimpft“, teilt Pellhammer mit. Mit dem Start der mobilen Teams des Kreisimpfzentrums stehen wöchentlich insgesamt circa 500 Impfdosen zur Verfügung.
  • Diese Vorgaben müssen erfüllt sein: Bevor ein Heim an die Reihe kommt, müssen bestimmte Vorgaben erfüllt sein. Zu diesen zählen laut Marlene Pellhammer Aufklärungsgespräche mit den Bewohnern oder deren Betreuern sowie die Absprache und Einwilligung mit Angehörigen. Die Impfstoffvergabe erfolge dann auf Basis einer möglichst gleichmäßigen Verteilung im Landkreis. „Wann alle Pflegeheime durchgeimpft sind, ist davon abhängig, wie schnell mehr Impfstoff zur Verfügung steht“, so Pellhammer.