Inzwischen ist Pfarrer Andreas Sturm im Hegau angekommen – und nimmt sich Zeit, um mit Künstler Steffen Diemer über die Zukunft der Kirche zu philosophieren. Dabei verliere die konfessionelle Trennung immer mehr an Sinn, so Sturms Überzeugung. Und dadurch würden die Kirchen langfristig Mitglieder verlieren. „Was die Menschen brauchen ist Seelsorge, keine konfessionelle Kleinstaaterei“, sagt Sturm im Rahmen einer Diskussion in der Galerie Vayhinger in Singen. Die derzeitige Ausstellung „Werden-Vergehen-Wiederwerden“ des Fotografen Steffen Diemer in der Galerie war Anlass für den ungewöhnlichen Dialog zwischen Kunst und Glauben.

Kirche kann Visionäre nur schwer ertragen

Der Künstler Steffen Diemer und Pfarrer Andreas Sturm sprachen über Glaube und den Mystiker Jakob Böhme, der von der Kirche als Ketzer verachtet wurde. Thema des lockeren Gedankenaustauschs waren nicht zuletzt die visionären Gedanken des Philosophen und Schuhmachers. Böhme widersetzte sich zu seinen Lebzeiten zwischen 1575 und 1624 der Kirche. Für ihn war das Wesen Gottes in der Natur zu entdecken. Nach Studien der Schriften Böhmes spürte Diemer, selbst gläubiger Katholik, den Naturgedanken in seinen Ambrotypien nach. Die Ambrotypie ist ein fotografisches Direktpositiv-Verfahren.

Reformstau und konfessionelle Kleinstaaterei

Andreas Sturm bemängelt den Reformstau in der katholischen Kirche, er trat als Generalvikar des Bistums Speyer 2022 zurück und aus der katholischen Kirche aus. Heute ist er Pfarrer in den alt-katholischen Gemeinden Singen und Sauldorf. In seinem Buch „Ich muss raus aus dieser Kirche“ schreibt er über die Gründe.

Auch die Zeit Jakob Böhmes sei eine Epoche des Aufbruchs und der Veränderungen gewesen: „Böhme hatte Visionen, diese Talente sind wie ein Geschenk in einem drin“, berichtete Diemer von eigenen visionären Erlebnissen. Christlichen Glauben und Mystik könne der Künstler vereinen, aber er glaube auch, dass die Kirchen in ihrer heutigen Form nicht überlebensfähig sind. Eine Meinung, die Pfarrer Sturm durchaus teilen kann. Auch die evangelische Kirche hätte zu Böhmes Zeit eine Lehre gebildet und festgelegt.

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Die Kirche tue sich schwer mit Visionären. Er würde sich wünschen, dass Leute wie Böhme von der Kirche nicht ausgegrenzt, sondern unbequeme Stimmen angehört werden. „Wenn der Überbau fällt, werden neue Dinge entstehen können“, sagt Sturm. Ihm seien alle Menschen unabhängig von der Konfession willkommen. „Seelsorge ist Kunst, weil die Menschen ganz unterschiedlich sind.“ Kirche dürfe kein Zwang sein, sondern solle den Menschen guttun, so Pfarrer Sturm.