Jedes Jahr werden weltweit tausende von Menschen durch Landminen verstümmelt oder getötet. Je nach Quelle schwankt die Zahl der Todesopfer, grob gesagt, zwischen 10 000 und 15 000 jährlich, genaue Zahlen liegen nicht vor. Millionen von Landminen sind nach wie vor weltweit zu finden, eine große Zahl von ihnen auch in Europa, in den Staaten des Balkans. Und neben den Minen, die mehr oder weniger standardisiert und industriell hergestellt werden, kommt in der jüngsten Zeit auch die Bedrohung durch sogenannte Sprengfallen hinzu, in der Fachsprache als IED abgekürzt. Das steht für den englischen Ausdruck improvised explosive device, grob übersetzt: improvisierter Sprengkörper. Vor allem bei Terroranschlägen kommen diese zum Einsatz.
Was hat das alles mit Stockach zu tun? Im Industriegebiet Hardt hat ein Unternehmen seinen Produktionssitz, das Maschinen für die Bekämpfung von Minen und Sprengfallen herstellt. Die Firma Global Clearance Solutions (GCS) hat sich kürzlich bei einem Tag der offenen Tür von geladenen Gästen und interessierten Besuchern in die Werkshalle und auf die Produkte schauen lassen. Die Maschinen werden mit Kameras und Fernsteuerung bedient und bieten den Räumern so einen beträchtlich höheren Schutz als der persönliche Einsatz im minenverseuchten Gelände – ein großer Pluspunkt, wie auch Andreas Meyer, Leiter des Übungszentrums Kampfmittelabwehr der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt, betont, der ebenso wie ein Zugführerlehrgang der Bundeswehr ebenfalls zu Gast war.
Der Geschäftsführer des Unternehmens, Philipp von Michaelis: „Wir haben uns etwa eineinhalb Jahre auf den Markteintritt vorbereitet. Jetzt wollen wir zeigen, dass wir wieder da sind.“ Und am Rande der Veranstaltung plauderte er auch ein wenig aus dem Nähkästchen, von Reisen in Länder, in denen Minen und Sprengfallen auf die Räumung warten. Dabei habe er sich auch bei Hilfsorganisationen vor Ort gefundene Sprengfallen zeigen lassen: "Das Schlimmste, das wir dort gesehen haben, war ein Babyphon, welches als Auslöser für eine Sprengfalle umfunktioniert worden war.“

Von der Bedrohung durch Minen und Sprengfallen berichtete auch Marco Pohlers. Der Experte für Kampfmittelbeseitigung leitet seit diesem Sommer den Bereich Operative Einsätze bei GCS. Seine Erfahrung: „Nach der Befreiung von Städten wie Mossul findet man dort oft Kampfmittel von den Befreiern und von den Besatzern vor. Die sind für die Zivilbevölkerung sehr gefährlich.“ Und wenn solche Munition in einem Krisengebiet offen herumliegt, ende sie nicht zuletzt in Sprengfallen. Und auch wenn die meisten Berichte über explodierte Sprengfallen aus weit entfernten Länden kommen, dürfe man nach seiner Einschätzung die Gefahr in Europa nicht unterschätzen: "Das Knowhow hinter den Sprengfallen kommt zu einem großen Teil nicht aus dem Irak oder Afghanistan. Auch mit der Befreiung von Ländern und Städten ist es nicht weg. Das stellt auch eine Bedrohung für Europa dar.“
Und die Besucher? Die durften beispielsweise ein ferngesteuertes Minenräumfahrzeug durch einen Hindernisparcours steuern. Das fand zum Beispiel der fünfjährige Robin Müller sehr spannend. Mit seinem Vater Herbert Müller, der beim Unternehmen arbeitet, schiebt er die Regler der Steuerungskonsole mit ernstem Gesicht hin und her. Auch die sechsjährige Annabelle Oglialoro hatte viel Spaß. Ihr Vater Claudio Oglialoro hält das Konzept des Unternehmens für sehr gut: "Die Rettung von Menschen ist sehr wichtig." Auch GCS-Geschäftsführer Philipp von Michaelis zeigt sich zufrieden: Der Tag der offenen Tür habe seine Erwartungen voll erfüllt, sagt er.
Das Unternehmen
Global Clearance Solutions (GCS) hat seinen Sitz in Freienbach am Zürichsee und die Produktion in Stockach. Das Unternehmen stellt hauptsächlich ferngesteuerte Maschinen für die Räumung von Landminen und Sprengfallen her, schult aber auch weltweit das Personal für den Umgang damit. Nach eigenen Angaben ist die Firma mit 50 Mitarbeitern in etwa 30 Ländern aktiv. Der Vorgänger, Minewolf Systems, ging im Jahr 2015 in die Insolvenz. Kurz darauf wurde GCS gegründet – laut Geschäftsführer Philipp von Michaelis weitgehend mit denselben Mitarbeitern.