Es war kein ganz einfacher Fall, der jüngst am Amtsgericht Stockach verhandelt wurde. Denn was dem 18-jährigen Angeklagten aus dem Stockacher Raum vorgeworfen wurde, soll laut dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung schon bald legal sein. „Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln“, lautete die Anklage, für die der junge Mann am Ende auch schuldig gesprochen wurde, weil bei ihm im Frühjahr eine größere Menge Marihuana gefunden worden war. Richterin Julia Elsner ordnete deshalb, und wegen der schwierigen Vorgeschichte, nach Jugendstrafrecht ein soziales Kompetenztraining an.
Er soll Ende April dieses Jahres auf der Flucht vor einer Polizeistreife in der Radolfzeller Höllstraße rund neun Gramm Marihuana weggeworfen haben. Anwalt Gerhard Zahner machte allerdings gleich zu Beginn der Verhandlung klar: „Wir werden zur Sache keine Angaben machen.“
Was damals passiert ist
Und so war es einer der Polizeibeamten, die den Angeklagten am 26. April verfolgt hatten, der als einziger die Ereignisse des Vorfalls als Zeuge schilderte. Bei einer Streifenfahrt über den Radolfzeller Marktplatz sei der Angeklagte ihm und seiner Kollegin mit einer offenen Bierflasche aufgefallen. „Damals galt aufgrund der Corona-Verordnung noch das Alkoholverbot in der Öffentlichkeit“, erläuterte der Polizist. Als der junge Mann gemerkt habe, dass die Beamten auf ihn aufmerksam geworden seien, habe er die Flucht über die Schützenstraße Richtung Höllstraße ergriffen. Dabei habe er zunächst seine Bierflasche weggeworfen und danach das Marihuana, welches er dem Beamten zufolge in seiner Umhängetasche mitgeführt hatte. „Es hat in der ganzen Höllstraße nach Marihuana gerochen.“
Der junge Mann hat eine Vorgeschichte mit Drogen
Die Verfolgungsjagd habe schließlich vor der Höllturmpassage geendet. „Dort kamen wir mit dem Auto nicht mehr weiter. Bis wir ausgestiegen waren, war der Angeklagte uns entwischt.“ Die Beamten seien dann nach dem Einsammeln des Marihuanas zurück zum Marktplatz gefahren und hätten von einer jungen Frau, mit der sich der Angeklagte zuvor unterhalten habe, seine Personalien erfragt. Der Blick in die polizeiliche Datenbank habe dann einen Treffer ergeben. Dies sei nicht das erste Mal gewesen, dass der Angeklagte im Zusammenhang mit Rauschmitteln aufgegriffen worden sei.
Richterin Elsner erläuterte hierzu, dass der Angeklagte bereits im Sommer 2020 schuldig gesprochen und zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden sei, weil er in seinem Bekanntenkreis mit Haschisch gehandelt habe. 75 Gramm des Rauschmittels seien damals bei ihm gefunden worden. Die Betreuer hätten ihn nach den abgeleisteten Sozialstunden als freundlich und zuverlässig beschrieben.
Warum es in der Schule nicht geklappt hat
Im Saal des Stockacher Amtsgerichts wirkte der junge Mann reumütig. Er berichtete von seinem missglückten Versuch, nach dem Hauptschulabschluss vor zwei Jahren, einen Realschulabschluss nachzumachen. „Ich habe da nicht so rein gepasst“, erklärte er der Richterin auf die Nachfrage, warum er die Schule gewechselt habe. Am Ende sei der Abschluss an einer fünf im Chemieunterricht gescheitert. „Das erneute Versagen in der Schule hat ihm so ein bisschen den Stecker gezogen“, fügte Anwalt Gerhard Zahner an. Aktuell helfe der Mann im elterlichen Betrieb mit.
„Ich möchte aber zur Bundeswehr gehen und die Grundausbildung machen, um ein bisschen Disziplin zu lernen“, sagte der 18-Jährige zum großen Erstaunen der Richterin und fügte an: „Ich will in Zukunft die Sachen von Anfang an richtig machen.“ Die Schulbank wolle er allerdings nicht mehr drücken. „Ich arbeite lieber und effizienter als dass ich lerne“, so sein Standpunkt.
Da musste die Richterin auch ein Stück weit zur Pädagogin werden. „Nur weil etwas beim ersten Mal nicht gelingt, heißt nicht, dass man es nicht nochmal versuchen sollte“, so Elsner. Sie machte den Angeklagten auch darauf aufmerksam, dass Ungelernte im Berufsleben im Zweifel immer die schlechtesten Karten haben.
Für sie war die Anwendung des Jugendstrafrechts ein klarer Fall. „Das soll erzieherisch auf Sie einwirken, damit Sie ihren Weg finden und keine Straftaten mehr begehen“, sagte sie dem Angeklagten. Drogen seien hierbei äußerst kontraproduktiv. „THC-Konsum macht einen schluffig. Das ist nicht dienlich beim schulischen und beruflichen Fortkommen“, betonte Elsner.
Möglichkeit für gesundes Leben
Vom Antrag der Staatsanwaltschaft, den angeklagten 18-Jährigen zu verwarnen und zu fünf Terminen bei der Drogenberatung, einem sozialen Kompetenztraining, zwei Urinkontrollen im Hinblick auf die Abstinenz von Drogen sowie einer Geldbuße von 100 Euro zu verurteilen, wich die Richterin in ihrem Urteil ab. So blieb es am Ende bei der Verwarnung und der Auferlegung des sozialen Kompetenztrainings. „Das soll ihm die Möglichkeit geben, ein gesundes und produktives Leben durchzustarten“, so Elsner. Mit diesem Urteil zeigte sich auch die Verteidigung einverstanden.