Mit gleich mehreren nie dagewesenen Szenen dürfte die Verhandlung des Stockacher Narrengerichts gegen CDU-Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner in die Geschichtsbücher eingehen. Nicht nur, dass Klöckner die Stockacher Närrinnen zur Revolte gegen das Narrengericht aufrief, sie brachte dem hohen grobgünstigen Gremium auch noch buchstäblich die Flötentöne bei. Zudem gab es eine Ordnungsstrafe für ihren Fürsprech Christoph Stetter, für den es die Premiere in dieser Rolle war. Obwohl Klöckner hart gegen die Gerichtsnarren austeilte, zeigten diese sich in ihrem Urteil äußerst günstig und wenig grob. Sie erlegten der Politikerin ein Strafmaß von einem Eimer Wein, also 60 Liter, auf.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Klöckner in einem von drei Anklagepunkten schuldig sei. Diese lauteten erstens: feministische Machtgeilheit in Tateinheit mit scheinheiliger Hochstapelei. Zweitens: Körperverletzung und Tierquälerei. Und drittens: Traumtänzerei und politische Parodontitis. Kläger Michael Nadig warf der Beklagten unter dem ersten Punkt vor, sie habe den ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), als Oppositionsführerin so lange vor sich hergetrieben, bis er zurücktreten musste. Daneben sei sie eine Verfechterin der Frauenquote und habe betont, dass Gleichberechtigung erst erreicht sei, wenn auch mittelmäßige Frauen in Spitzenpositionen sind. „Kein Wunder geht es mit Deutschland bergab“, betonte Nadig. Auch er feierte Premiere, war er doch bisher Fürsprech gewesen.

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Ärger für den Fürsprech: „Man wendet sich nicht gegen die eigene Truppe“

Der neue Fürsprech Christoph Stetter legte sich in diesem Punkt gleich mächtig mit seinen Narrengerichtskollegen an. Die Forderung einer Frauenquote sei vorausschauend und zukunftsorientiert. „Die Zeit der reinen Männerwirtschaft ist vorbei“, betonte Stetter und erhielt hierfür vom Narrenrichter postwendend eine Ordnungsstrafe in Höhe eines Viertel-Eimer Weins. „Man wendet sich nicht gegen die eigene Truppe“, so die Begründung von Narrenrichter Jürgen Koterzyna.

Einen strengen Blick und eine Ordnungsstrafe gab es für den Fürsprech von Narrenrichter Jürgen Koterzyna (Mitte).
Einen strengen Blick und eine Ordnungsstrafe gab es für den Fürsprech von Narrenrichter Jürgen Koterzyna (Mitte). | Bild: Jarausch, Gerald

Im zweiten Anklagepunkt warf Michael Nadig der Beklagten vor, in ihrer Zeit als Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft vorsätzlich verhindert zu haben, dass schmerzfreie Kastration von Schweinen ermöglicht wird. „20 Millionen unschuldige männliche Schweine wurden wegen der Beklagten ohne Betäubung kastriert“, erklärte Nadig, während er eine Kastrationszange für Schweine zeigte. „Irgendwann stürmt sie mit diesem Ding eine Narrengerichtssitzung mit dem Schlachtruf ‚Männer sind Schweine‘ und dann steigt die Frauenquote im Narrengericht ganz ohne Betäubung“, so Nadig weiter.

Klöckner schuld, dass Jugendliche krank sind?

Daneben habe sie Mitschuld am Bienensterben, weil sie sich gegen das Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat gestellt habe. Außerdem habe sie als „Zuckerpuppe aus der Lobbygruppe“ dafür gesorgt, dass Firmen wie Nestlé selbst über eine Zuckerreduzierung in ihren Produkten bestimmen konnten. Damit sei sie Schuld daran, dass schon Jugendliche an Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Diabetes erkranken. Das sei nationale Körperverletzung, so der Standpunkt des Klägers.

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Besser als noch mehr Bürokratie?

Für den Fürsprech war dieser Anklagepunkt gänzlich an den Haaren herbeigezogen. Klöckner habe sogar maßgeblich dazu beigetragen, dass die betäubungslose Kastration von Schweinen verboten worden sei. Glyphosat sei, wenn es korrekt angewendet werde, nicht giftig für Bienen. Da sich Politiker bekanntlich selbst niemals die Hände schmutzig machen, habe sie auch noch nie selbst Glyphosat ausgebracht und sei damit in diesem Punkt sowieso unschuldig, argumentierte Stetter.

Zudem führte er an, dass man Klöckner dankbar sein sollte, dass sie bei all der überbordenden Bürokratie nicht auch noch Vorschriften zum Zuckergehalt von Lebensmitteln erlassen habe.

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Im dritten Punkt warf Nadig der Ex-Ministerin vor, mit einem wert-konservativen Programm angetreten zu sein. Anstatt dieses jedoch mutig gegen Angela Merkel zu vertreten, habe sie nur rhetorischen Schaumwein produziert. „Viele Versprechen, alles Versprecher“, so Nadigs Fazit. Aus dem angriffslustigen Tiger sei ein Bettvorleger geworden. Er forderte ein Strafmaß von fünf Eimern Wein.

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Klöckner geht zum Angriff über

Christoph Stetter plädierte hingegen auf Freispruch. Den dritten Anklagepunkt hielt er für komplett haltlos. Immerhin sei es in der Politik nunmal wie im wahren Leben: „Die einen haben ein Brett vorm Kopf, die anderen bohren dicke Bretter.“

In ihrer eigenen Verteidigungsrede zeigte sich Klöckner angriffslustig. Nachdem sie dem Narrengericht bereits mit ihrer Querflöte und dem Schneewalzer bewiesen hatte, dass sie sehr wohl von Tuten und Blasen eine Ahnung hat, erklärte sie: „Bei uns zuhause heißt der heutige Tag Weiberfasnacht, in Erinnerung daran, dass sich die Frauen vor 200 Jahren gegen schlechte Arbeitsbedingungen und den Diktat der Männer aufgelehnt haben.“

Julia Klöckner stimmte den Schneewalzer auf der Querflöte an.
Julia Klöckner stimmte den Schneewalzer auf der Querflöte an. | Bild: Jarausch, Gerald

Damit war der Boden bereitet für nichts weniger als den Aufruf zur Revolte der Stockacher Närrinnen gegen das Narrengericht. Doch auch wenn sie die Stimmung im Saal damit durchaus zum Kochen brachte, kam es am Ende doch nicht zum Äußersten.

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Harter Vorwurf: Narrengericht nur beim Weinkonsum und Alter überdurchschnittlich?

„Das einzige, wo ihr überdurchschnittlich seid, ist beim Weinkonsum und beim Alter“, betonte sie. Die Anklage gegen sie sei ein Fehlschuss im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit gewesen und ein klares Zeichen, dass hier der Rausch regiere und nicht das Recht. Ihr Fazit mit Blick auf die Hermelinmäntel, mit denen sich das Gremium selbst der Tierquälerei schuldig gemacht habe: „Mit diesen Grünen ist kein Staat zu machen.“

Stehende Ovationen am Ende der Gerichtsverhandlung gab es auch von Bürgermeisterin Susen Katter und CDU-Bundestagsabgeordnetem Andreas ...
Stehende Ovationen am Ende der Gerichtsverhandlung gab es auch von Bürgermeisterin Susen Katter und CDU-Bundestagsabgeordnetem Andreas Jung (Bildmitte). | Bild: Jarausch, Gerald

Klöckner betonte, sie sei sich in keinem der Anklagepunkte einer Schuld bewusst, bot dem Gericht aber freiwillig einen Eimer besten Grauburgunder an. „Passend zur Haarfarbe“, wie sie betonte. Jürgen Koterzyna ließ sich davon nicht beeindrucken. Er sah die Schuld von Klöckner im ersten Anklagepunkt als erwiesen an. In den anderen beiden Punkten gab es einen Freispruch für die Politikerin. „Den freiwillig angebotenen Eimer nehmen wir dankend an“, betonte der Narrenrichter.

Mehr als eine Weinstrafe

Letztlich wurde die diesjährige Beklagte Julia Klöckner vom Stockacher Narrengericht zu einer Strafe von einem Eimer Wein verurteilt. Den Eimer, den Sie freiwillig angeboten hat, muss sie ebenfalls abliefern. Zu den 60 Litern Strafmaß kommen damit 60 Liter freiwillige Abgabe. Zusätzlich wurde der Beklagten der Titel einer närrischen Stockacher Weinkönigin verliehen. Dies verpflichte sie dazu, beim Stadtfest eine Schicht am Wein-Stand des Narrengerichts zu übernehmen, führte Narrenrichter Jürgen Koterzyna aus. Letzteres sei eine Bringschuld, den Wein wolle das Gericht hingegen selbst auf dem Klöcknerschen Weingut abholen.