Fünf, vier, drei, zwei, eins: Mit Spannung blicken die Wahlhelfer im Stockacher Rathaus am Sonntagabend wenige Sekunden vor der Schließung des Wahllokals auf die Glasschiebetür. Bis 18 Uhr bleibt sie jedoch zu. Der große Ansturm zur Wahl des 21. Deutschen Bundestags ist zu dieser Zeit schon vorbei. Viele Wähler waren bereits morgens da, berichten die Wahlhelfer.
80 Prozent der wahlberechtigten Stockacherinnen und Stockacher haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. In den anderen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft lag die Wahlbeteiligung durch die Bank im Bereich zwischen 84,8 Prozent in Mühlingen und 88 Prozent in Orsingen-Nenzingen. Kurz vor 21 Uhr lagen dann auch die letzten Wahlergebnisse im Raum Stockach vor.
CDU macht das Rennen
Die CDU machte hier gleich doppelt das Rennen. Andreas Jung, Direktkandidat der Christdemokraten für den Wahlkreis Konstanz, konnte hier zwischen 40 und 46 Prozent der Erststimmen auf sich vereinigen und liegt damit überall an erster Stelle. Bei der vergangenen Wahl erhielt Jung in seiner alten Heimat Stockach 39,1 Prozent der Stimmen, dieses Mal sind es 41,9. Ähnlich deutlich wie in Stockach fiel das Ergebnis am Sonntagabend für Jung auch in den anderen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft aus.
Bernhard Eisenhut von der AfD ist in allen Gemeinden auf Platz zwei. Dieser konnte in den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft zwischen 13 und 28 Prozent der Erststimmen auf sich vereinigen. Die höchste Zustimmung erhielt Eisenhut in Mühlingen. Lina Seitzl (SPD) und Rosa Buss (Grüne) liegen in allen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft fast gleich auf im Bereich zwischen sieben und zehn Prozent, wobei Lina Seitzl mit Ausnahme von Hohenfels in allen Orten leicht die Nase vorn hatte.

AfD ist in Mühlingen stark
Bei den Zweitstimmen entschieden sich 32,8 Prozent der Stockacher Wähler für die CDU. Bei der vergangenen Bundestagswahl im Herbst 2021 war die CDU in Stockach auch schon als stärkste Kraft hervorgegangen, damals allerdings nur mit 26,2 Prozent der Stimmen. Insgesamt liegt Stockach, was die Reihenfolge der Wahlergebnisse der einzelnen Parteien angeht, im bundesweiten Trend. Zweitstärkste Partei wurde bei den Zweitstimmen die AfD mit 22,7 Prozent. Es folgen die SPD mit 11,7 und die Grünen mit 11,4 Prozent. In Mühlingen lieferte sich die AfD ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU. Dort entfielen 33 Prozent der Zweitstimmen auf die Christdemokraten, 30 Prozent auf die AfD.

Die Linken konnten in einigen Gemeinden zwischen 4,6 und sechs Prozent holen und schneiden damit in der Verwaltungsgemeinschaft deutlich schlechter ab als im bundesweiten Durchschnitt.
Das sagen Parteivertreter
In Stockach liegen Freude und Leid über das Wahlergebnis nah beieinander. Rolf Bart, Vorsitzender der Stockacher CDU, freut sich über das Ergebnis seiner Partei. „Die CDU hat einen klaren Regierungsauftrag bekommen“, so Bart. Dass Direktkandidat Andreas Jung sein Ergebnis von der vergangenen Wahl sogar noch verbessern konnte, freut ihn besonders. Während andere Direktkandidaten vor dem Hintergrund des neuen Wahlrechts um ihren Einzug in den Bundestag bangen müssen, geht Bart davon aus, dass der Platz im Parlament für Andreas Jung gesichert ist. Dass es die CDU in Stockach bei den Zweitstimmen sogar über die 30-Prozent-Marke geschafft hat, ist für ihn ein Zeichen, dass sich der Einsatz hier vor Ort gelohnt hat.
Schwermütiger ist die Stimmung am Wahlabend bei der Stockacher SPD. „Es ist ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie. Wir haben historisch unser schlechtestes Ergebnis eingefahren. Da fragt man sich natürlich schon, woran das liegt“, sagt Julia Reiser, frischgebackene Vorsitzende der Stockacher SPD. Insbesondere müsse man sich hier die Frage stellen, inwieweit dieses Ergebnis auch mit der Personalie Olaf Scholz zusammenhänge. „Wir sind noch hoffnungsvoll, dass Lina Seitzl den Sprung ins Parlament schafft“, sagt Reiser am Sonntagabend. Ob das der Fall sein wird, hänge allerdings von mehreren Faktoren ab.
Stabilität und Zusammenarbeit erfordert
Für Alice Engelhardt vom Vorstandsteam der Grünen im Raum Stockach kommt das Wahlergebnis ihrer Partei nicht überraschend. „Ich hätte mich aber trotzdem gefreut, wenn wir unser Ergebnis von der letzten Wahl wieder hätten erreichen können. Nun mussten wir geringe Verluste hinnehmen, aber ich denke, wir können dennoch zufrieden sein“, sagt sie. In Stockach habe die Partei einen engagierten Wahlkampf gemacht und konnte in dieser Zeit sogar einige neue Mitglieder gewinnen. Auch das ist ein Erfolg für Engelhardt. Auf Bundesebene sei jetzt in erster Linie eines wichtig: „Wir brauchen jetzt Stabilität und Zusammenarbeit auch auf europäischer Ebene“, betont sie.
Einen Absturz musste die FDP am Sonntagabend hinnehmen. Auch in Stockach. Von 16,4 Prozent der Stimmen im Jahr 2021 sackte die Partei auf 5,45 Prozent ab. „Das ist sehr enttäuschend“, sagt die Stockacher FDP-Gemeinderätin Julia Zülke. Mit der Kommunalpolitik hat dieses Ergebnis aus ihrer Sicht nichts zu tun. Dennoch gelte es jetzt, die Ärmel hochzukrempeln. „Das gehört auch zur Demokratie“, betont sie.
„Positiv hervorzuheben ist die bundesweite hohe Wahlbeteiligung, die eindrucksvoll beweist, dass unsere Demokratie lebt und funktioniert“, erklärt die parteilose Stockacher Bürgermeisterin Susen Katter mit Blick auf das bundesweite Wahlergebnis und eine Wahlbeteiligung von über 80 Prozent. Es zeige jedoch auch schwarz auf weiß, „dass das Vertrauen in die etablierten Parteien erschüttert ist“, so Katter. Aus ihrer Sicht wird es nun eine der größten Herausforderungen für den neuen Kanzler sein, eine geeinte und handlungsfähige Koalition zu schmieden. „Für alle muss gelten, dass parteiideologische Interessen in den Hintergrund treten und dass das Wohl Deutschlands an erster Stelle steht, damit das Vertrauen der Menschen in unsere Regierung und in unsere Demokratie wieder hergestellt wird“, betont Katter.