Sind die Anwohner am Nellenburger Hang einer erhöhten Feinstaub- und Schadstoffbelastung ausgesetzt, oder nicht? Diese Frage sorgte lange Zeit für dicke Luft in Stockach. Nun liegen die Ergebnisse einer Untersuchung vor, die die Stadt Stockach im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben hat. Und die sind überraschend.

Präsentiert wurden die Messergebnisse im Gemeinderat von Carsten Tilsner, Leiter des Stockacher Baurechts- und Ordnungsamts. Eigentlich hätte ein Mitarbeiter der Dekra die Ergebnisse vorstellen sollen, doch aufgrund von Personalknappheit bei der Prüfgesellschaft, die die Messungen um Auftrag der Stadt organisiert hat, sei dies nicht möglich gewesen „und wir wollten jetzt nicht mehr länger damit warten, die Ergebnisse zu veröffentlichen“, erklärte Tilsner

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Ausgangspunkt waren Beschwerden von Anwohnern

Die Dekra sei bereits 2023 von der Stadt beauftragt worden, über ein halbes Jahr lang Messungen der Luftqualität am Nellenburger Hang anzustellen. „Ausgangspunkt waren zahlreiche Beschwerden von Anwohnern über die Rauch- und Geruchsbelastung“, so Tilsner. Einige der Anwohner im Bereich des Nellenburger Hangs machen schon seit Jahren eigene Luftmessungen und beklagen erhöhte Feinstaubwerte, wie sie in der Vergangenheit bereits mehrfach gegenüber dem SÜDKURIER erklärt haben.

Die Anwohner am Nellenburger Hang klagen seit Jahren über Gestank und Feinstaubbelastung. Als Verursacher haben sie die Aluminium ...
Die Anwohner am Nellenburger Hang klagen seit Jahren über Gestank und Feinstaubbelastung. Als Verursacher haben sie die Aluminium verarbeitenden Betriebe im Süden der Stadt im Verdacht. | Bild: SK

Im Zeitraum vom 21. Dezember 2023 bis 21. Juni 2024 hat die Dekra auf einem Grundstück in der Geschwister-Scholl-Straße nachgemessen. Untersucht wurde die Feinstaubbelastung in zwei verschiedenen Kategorien. Denn Feinstaub wird unterteilt in PM10, Partikel mit einem Durchmesser von 10 Mikrometer, und in PM2,5 – Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer.

Messungen zeigen starke Schwankungen

„Insgesamt wurde bei den Messungen festgestellt, dass es zu starken Schwankungen im Tagesverlauf kam“, erklärte Tilsner im Gemeinderat. So seien in der Kategorie PM2,5 Werte zwischen sieben und 18 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen worden. Der Mittelwert habe in dieser Kategorie bei elf Mikrogramm pro Kubikmeter gelegen, der gesetzlich festgelegte Grenzwert liege bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter, so Tilsner.

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Ähnlich sehe es in der Kategorie PM10 aus. Hier sei ein Mittelwert von 16 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen worden, der gesetzliche Grenzwert liege bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Auf den gesamten Messzeitraum betrachtet, seien die gesetzlichen Grenzwerte lediglich an vier Tagen überschritten worden. „Drei Tage davon waren Tage mit Eintrag von Saharastaub“, so Tilsner.

Auch private Messergebnisse wurden herangezogen

Die Dekra habe ihre eigenen Messergebnisse zudem mit den privaten Messergebnissen verglichen, die die Anwohner zur Verfügung gestellt haben. „Dabei hat sich herausgestellt, dass die Messergebnisse der Anwohner im Wesentlichen parallel zu den Werten laufen, die von der Dekra gemessen wurden“, so Tilsner. Dabei sei der PM2,5-Wert von den Sensoren der Anwohner allerdings etwas zu niedrig und der PM10-Wert etwas zu hoch eingeschätzt worden. Insgesamt würden sich die Messergebnisse jedoch gegenseitig stützen.

Vergleich bringt große Überraschung

Die große Überraschung kam indes bei einem weiteren Vergleich der Messergebnisse. Hierzu wurden Werte aus einer Messstelle der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) herangezogen, die im Konstanzer Stadtteil Paradies steht. „Eigentlich hätte man erwarten müssen, dass die Messergebnisse in einer größeren Stadt wie Konstanz schlechter sind. Das war aber nicht der Fall“, sagt Tilsner.

Im gleichen Zeitraum, in dem die Messungen der Dekra in Stockach angestellt wurden, sei an der Station in Konstanz eine um drei beziehungsweise vier Mikrogramm pro Kubikmeter niedrigere mittlere Feinstaubbelastung gemessen worden. Zudem wurden dort an keinem Tag die gesetzlichen Grenzwerte überschritten.

Geteiltes Echo im Gemeinderat

Im Gemeinderat stießen diese Ergebnisse auf ein geteiltes Echo. Wolf-Dieter Karle (FWV) betonte: „Wir sollten uns zunächst einmal darüber freuen, dass die Grenzwerte eingehalten werden.“ Er zeigte sich zudem überzeugt davon, dass man bei der Alu Stockach, die von den Anwohnern als Verursacher von schlechter Luft und Gestank benannt wurde, streng darauf geachtet wird, die Grenzwerte einzuhalten. Ein solches Unternehmen könne sich aufgrund der drohenden Konsequenzen gar nicht leisten, die Grenzwerte bewusst zu überschreiten, so Karle.

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Vonseiten des Unternehmens wurde in den vergangenen Jahren immer wieder auf Messungen am Zentralkamin verwiesen, die zeigen, dass alle Grenzwerte eingehalten würden. Auch habe man kontinuierlich in den Ausbau der Filterkapazitäten investiert, hieß es mehrfach vonseiten des Unternehmens.

Carsten Tilsner erklärte in der Sitzung, dass die Alu Stockach unter der Aufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg (RP) stehe und im Kamin des Unternehmens kontinuierliche Schadstoffmessungen angestellt würden. Auf mehrfache Nachfrage der Stadt, insbesondere, wenn Einwohnerbeschwerden eingegangen seien, habe das RP immer die Auskunft gegeben, dass die Grenzwerte an der dortigen Messstelle eingehalten würden.

Weiter Messergebnisse sollen nachgereicht werden

Für Andreas Bernhart (CDU) sind die neuen Erkenntnisse indes kein Grund zur Freude. „Wir haben immer noch eine höhere Feinstaubbelastung als in Konstanz“, merkte er an. Harald Karge (SPD) wandte zudem ein, dass die Tatsache, dass die Feinstaubwerte innerhalb der gesetzlichen Toleranz liegen, noch lange nicht heißen müsse, dass die Belastung nicht doch auf Dauer gesundheitsschädlich sein könne.

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Er hatte zudem einige Anwohnerfragen im Gepäck. Etwa, wie der Vergleich der Messwerte aus dem Kamin der Alu Stockach im Vergleich zu den Messungen der Dekra ausfällt. „Sollten die Werte im Kamin niedriger sein, kann ja etwas nicht stimmen“, so Karge. Carsten Tilsner erklärte daraufhin, dass diese Werte nicht verglichen worden seien, sagte aber zu, die Werte beim RP abzufragen und den entsprechenden Vergleich nachzureichen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass für die Messung direkt im Schornstein andere Grenzwerte gelten als für die Messung im Wohngebiet.

Und der Gestank?

„Bleibt noch der Gestank. Und der ist teils unerträglich. Keiner kann die Geruchsbelästigung bestreiten. Das rieche ich sogar morgens auf der Autobahn, wenn ich zur Arbeit fahre“, merkte Michael Junginger (CDU) an. Die Geruchsbelastung sei jedoch kein Bestandteil der Untersuchung gewesen, so Tilsner. „Eine entsprechende Untersuchung müsste separat beauftragt werden und würde mit Sicherheit eine weitere fünfstellige Summe kosten“, erklärte er.

Christoph Stetter (CDU) möchte dem ganzen auf den Grund gehen. „Die Geruchsbelästigung ist tatsächlich keine subjektive Wahrnehmung. Die Beschwerden dazu kommen von unterschiedlichsten Stellen“, betonte er und bat die Stadtverwaltung darum, Angebote für eine entsprechende Untersuchung einzuholen.