Eigentlich sollte es eine Routinekontrolle werden, doch was zwei junge Polizeibeamte an einem Abend im Mai 2023 erlebt haben, wird ihnen wohl noch lange in Erinnerung bleiben: Als die beiden im Rahmen einer Streifenfahrt ein Auto für eine Routinekontrolle anhalten, tritt der Fahrer plötzlich voll aufs Gas. Es folgt eine spektakuläre Verfolgungsjagd über eine schmale Gemeindeverbindungsstraße zwischen zwei kleinen Orten im Stockacher Hinterland, die nun mit einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung vor dem Stockacher Amtsgericht endete.

Aber von Anfang an: Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft dem 40-Jährigen macht, lassen aufhorchen. Er habe sich an jenem Abend im Mai ein illegales Autorennen mit der Polizei geliefert, als er mit 160 Kilometern pro Stunde auf der schmalen Gemeindeverbindungsstraße vor einer Polizeikontrolle geflüchtet sei, so die Ausführungen der Staatsanwältin.

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Im Verlauf dieses Rennens soll in einer Kurve das Heck des fliehenden BMWs ausgebrochen sein. Trotz dieser gefährlichen Situation sei der Mann weiter mit hoher Geschwindigkeit geflüchtet und erst innerorts wieder etwas langsamer gefahren.

Kein gültiger Führerschein, dafür Alkohol im Blut

Doch das ist noch nicht alles, denn während seiner Flucht soll der Mann einen Alkoholspiegel von 2,3 Promille im Blut gehabt haben und nicht im Besitz eines gültigen Führerscheins gewesen sein. Zu allem Überfluss sollen während all dem zwei seiner insgesamt fünf Kinder auf dem Rücksitz des Fluchtautos gesessen haben.

Die Vorwürfe lauteten entsprechend verbotenes Rennen in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis. Die Staatsanwältin schätzte den Mann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ein und beantragte daher unter anderem die Einziehung des Tatfahrzeugs. Diese Forderung hatte indes einen großen Haken, wie sich im Verlauf der Gerichtsverhandlung herausstellte.

Der Angeklagte zeigte sich zunächst einsichtig. „Ich bin froh, dass nichts passiert ist. Was ich getan habe, war dumm“, betonte er. Damit meinte er allerdings in erster Linie die Trunkenheitsfahrt mit seinen Kindern ohne gültigen Führerschein. Ein Rennen mit der Polizei will er sich nämlich nicht geliefert haben. Seinen Schilderungen zufolge haben sich die Ereignisse jenes Abends anders zugetragen.

Blaulicht und Anhaltesignal will er übersehen haben

Auf dem Heimweg von einem Fest sei er mit seinen Kindern durch ein kleines Waldstück gefahren. Ein entgegenkommendes Auto habe ihm eine Lichthupe aufgezeigt, weswegen er zunächst langsamer geworden sei. „Ich habe gedacht, vielleicht war da irgendwo ein Wildunfall und der andere Fahrer will mich warnen“, so der Angeklagte. Als er beim Näherkommen gesehen habe, dass es sich um die Polizei handle, sei er weitergefahren. Ein Anhaltesignal oder gar Blaulicht will er nicht erkannt haben. Auch sei er nicht mit 160 Stundenkilometern davongerast. „So schnell kann man auf der Strecke gar nicht fahren“, beteuerte er.

„Nach dem Wald kommt erstmal eine lange Gerade. Da bin ich vielleicht 100 gefahren“, so der Angeklagte. Auf Nachfrage von Richterin Rebecca Jenike bestätigte er allerdings, dass das Heck seines Autos in der Kurve ausgebrochen sei. Was für ihn jedoch nicht verständlich ist: „Wie kann die Polizei sagen, dass ich 160 gefahren bin? Die mussten ja erstmal wenden, bevor sie mir hinterher fahren konnten.“

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Dazu sollte vor Gericht der Polizeibeamte Auskunft geben, der an jenem Abend am Steuer des Streifenwagens gesessen hatte. Zusammen mit einem Kollegen war er im Stockacher Hinterland auf Streife. „Als wir die Lichter eines entgegenkommenden Fahrzeugs gesehen haben, beschlossen wir, dieses zu kontrollieren“, erklärte der 27-jährige Polizeihauptmeister.

Mit Blaulicht und Anhaltesignal habe er die Kontrolle angekündigt, woraufhin der Angeklagte seinen BMW zum Stehen gebracht habe. „Meine Fahrertür und seine Fahrertür waren etwa auf gleicher Höhe“, so der Beamte. Als sein Kollege ausgestiegen sei, um zu dem anderen Auto zu laufen, habe der Angeklagte plötzlich Vollgas gegeben und sei mit durchdrehenden Reifen davongefahren.

„Als ich einmal kurz geschaut habe, sind wir 161 km/h gefahren.“

Nach einem schnellen Wendemanöver hätten die beiden Beamten Schwierigkeiten gehabt, den Angeklagten einzuholen. „Ich habe mich mehr auf das Fahren konzentriert als auf den Tacho. Aber als ich einmal kurz geschaut habe, sind wir 161 km/h gefahren“, so der Polizist. Erst als der Angeklagte vor seinem Wohnhaus gehalten habe, hätten ihn die Beamten einholen können.

Als sie ankamen, sei der Angeklagte bereits aus dem Fahrzeug ausgestiegen gewesen und habe sich um seine Kinder gekümmert. Gegenüber den Beamten habe er sich dann freundlich und kooperativ verhalten. „Er war sehr nett und hat uns respektvoll behandelt. Er war ehrlich und hat Einsicht gezeigt. Das muss man ihm zu Gute halten“, betonte der Polizist.

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Ähnlich schilderte es auch der zweite Polizeibeamte. Genaue Aussagen zur Geschwindigkeit konnte auch er nicht machen. „Aber wir sind auf jeden Fall viel zu schnell gefahren, um ihm nachzukommen. Ich wurde beim Beschleunigen in den Sitz gedrückt“, berichtete der zweite Beamte. Auch er bestätigte, dass der Angeklagte nach seiner Flucht alle Maßnahmen freiwillig mitgemacht habe. Dazu zählte auch die Blutentnahme im Krankenhaus, die den Wert von 2,31 Promille ergeben habe.

Das Problem: Das Auto ist nicht mehr da

Als der BMW des Angeklagten vor Gericht zur Sprache kam, dessen Einziehung die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, kam es zu einer überraschende Wendung, denn das Fahrzeug befindet sich gar nicht mehr im Besitz des Mannes. „Ich habe das Auto drei Tage nach dem Vorfall verkauft“, sagte er auf Nachfrage der Richterin. Vor diesem Hintergrund forderte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Da der Angeklagte angegeben hatte, täglich nach Feierabend zwei bis drei Bier zu trinken, forderte sie zudem eine Alkoholtherapie sowie eine Geldauflage in Höhe von 1100 Euro und 30 Monate Führerscheinsperre.

Flucht vor der Polizei ist kein Rennen

Das Urteil fiel am Ende etwas geringer aus, da für Richterin Rebecca Jenike der Tatbestand des illegalen Autorennens nicht gegeben war. Hierzu müsse das Motiv sein, ein Rennen gegen sich selbst oder andere fahren zu wollen. Eine Flucht vor der Polizei zähle hingegen nicht als Autorennen. Die Richterin verurteilte den Angeklagten zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zusätzlich muss er 70 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und sechs Termine bei der Drogenberatung wahrnehmen.