Es ist ein Anblick, der im Stockacher Amtsgericht nicht alltäglich ist: Neben der Anklagebank steht eine Babyschale. Darin ein Säugling, gerade einmal einen Monat alt, wie später zu erfahren ist. Auf den Stühlen daneben seine Eltern, denen man deutlich die kurzen Nächte ansieht, die frischgebackene Eltern nun mal haben.

Vielleicht sind aber auch die Sorgen vor dem Urteil, dass an diesem Donnerstag über sie gefällt werden soll, mitverantwortlich für den Schlafentzug. Denn die beiden müssen sich an diesem Tag wegen Betrugs verantworten und es droht sogar eine Gefängnisstrafe.

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Sitzen hier Mietnomaden?

Der Vater des Kindes habe sich gleich in zwei Fällen des Betrugs schuldig gemacht, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Laut der Anklageschrift soll er am 16. Juli 2021 unter Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit einen Mietvertrag für eine Wohnung in Stockach abgeschlossen haben. 1250 Euro hätte er dafür monatlich bezahlen müssen. Das habe er aber nicht getan.

Wenige Monate später soll die Familie weitergezogen sein. Diesmal habe das Paar den Mietvertrag für die neue Wohnung gemeinsam unterschrieben. Wieder unter Vorspiegelung ihrer Zahlungsfähigkeit, wie die Staatsanwältin ausführt. Aus diesem Grund sitzt auch die junge Mutter mit auf der Anklagebank, erläutert die Staatsanwältin.

Angeklagte zeigen Reue

Die zweite Wohnung hätte 800 Euro pro Monat gekostet. Auch diesmal seien die Zahlungen ausgeblieben. „Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nahmen Sie billigend in Kauf die Miete nicht zahlen zu können“, so die Staatsanwältin zu den beiden Angeklagten.

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Diese zeigen sich indes reumütig. „Es war so“, gesteht die 21-jährige Angeklagte und fügt hinzu: „Beabsichtigt war es aber nicht. Wir waren einfach gutgläubig, dass es funktionieren würde im Hinblick auf eine neue Arbeit. Was passiert ist, ist nicht zu entschuldigen, aber wir wollten niemandem schaden.“

Wie die beiden Angeklagten auf Nachfrage von Richterin Rebecca Jenike erklären, hätten sie sich jedoch weder auf eine Arbeit beworben, noch beim Amt gemeldet. „Bei mir war das wie eine Blockade. Ich war zu stolz zum Amt zu gehen und Geld vom Staat anzunehmen“, erklärt der 37-jährige Angeklagte.

Blick ins Vorstrafenregister spricht Bände

Mehrere Arbeitsstellen habe er nach kurzer Zeit schon wieder abgebrochen, in seinem erlernten Beruf wolle er nicht mehr arbeiten, berichtet der Mann im Laufe der Verhandlung. Erschwerend kommt eine lange Liste an Vorstrafen hinzu, die insgesamt 13 Punkte umfasst. Sechs mal findet sich allein der Tatbestand des Betrugs neben Delikten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Vorsätzlicher unerlaubter Waffenbesitz oder Fahren mit Fahrzeugen ohne Versicherungsschutz.

Im vergangenen Jahr saß der Angeklagte, eigenen Angaben zufolge, sogar schon einmal für vier Monate im Gefängnis, weil er eine Strafe nicht hatte bezahlen können. „Wir sind aber daran, viel zu ändern“, beteuert der 37-Jährige.

Neuanfang im Nachbarlandkreis

Inzwischen lebe das Paar mit seinem vier Wochen alten Kind in einem Nachbarlandkreis, in einer anderthalb Zimmerwohnung. „Die Miete bezahlt direkt das Jobcenter und ich habe mich bei einem gesetzlichen Betreuer gemeldet. Der soll mir dabei helfen, meine finanziellen Angelegenheiten zu regeln“, berichtet der Angeklagte und fügt hinzu: „Wir wollen aus dieser Situation raus, so geht es nicht weiter. Das ist auch kein Leben für unseren Kleinen.“ Er beteuert zudem, dass er eine Umschulung zum Lastwagenfahrer machen wolle.

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Als Zeugen sind einer der betroffenen Vermieter sowie der Polizeibeamte, der als Sachbearbeiter für die Vorgänge zuständig war, bei der Verhandlung anwesend. Der Vermieter berichtet, dass der Kontakt mit den Angeklagten im großen und ganzen freundlich gewesen sei.

Kontakt war freundlich und kooperativ

Beim Abschluss des Mietvertrags habe er sich keine Gehaltsabrechnungen zeigen lassen, weil der Angeklagte ihm gegenüber angegeben habe, gerade erst die Arbeitsstelle gewechselt zu haben. Erst als die Mietzahlungen ausblieben, sei er misstrauisch geworden. Nach einem Gespräch mit den Angeklagten habe die Tante der jungen Frau eine Monatsmiete bezahlt. Danach seien die Zahlungen wieder ausgeblieben.

„Ich bin dann zum Anwalt gegangen und habe eine Frist gesetzt, bis wann die Wohnung zu verlassen ist. Streitigkeiten gab es keine“, so der Vermieter. Die Wohnung sei unbeschädigt und besenrein übergeben worden. Auch der Polizeibeamte beschreibt die Angeklagten auf Nachfrage der Richterin als kooperativ.

Plädoyer für Jugendstrafrecht

Aufgrund des zum Tatzeitpunkt jungen Alters der Angeklagten ist an diesem Tag auch Theo Rüttinger von der Jugendgerichtshilfe in der Verhandlung anwesend. Nach seiner Befragung der Angeklagten empfiehlt er dem Gericht die Anwendung von Jugendstrafrecht.

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Diesem Vorschlag folgt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Richterin Rebecca Jenike verwarnt die 21-jährige am Ende der Verhandlung. Das schreiben eines Entschuldigungsaufsatzes erspart sie ihr, da sich die Angeklagte bereits von sich aus bei den betroffenen Vermietern entschuldigt hatte.

Den 37-jährigen Angeklagten verurteilt Jenike indes zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die sie allerdings auf drei Jahre zur Bewährung aussetzt. Zusätzlich muss er 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Natürlich müssen die beiden Angeklagten auch die Mietschulden noch zurückzahlen. „Ihre Prognose finde ich wirklich gut“, betont Jenike fügt aber hinzu, dass Bewährung nun auch wirklich bedeutet, dass sich die Angeklagten nun bewähren und ihr Leben in geordnete Bahnen lenken müssen.