Sie sind süß, aber zu viele: Dieses Jahr gibt es so viele Babykätzchen wie noch nie – und die meisten im Tierheim Radolfzell stammen aus dem Raum Stockach, erzählt Tierheimleiterin Julia Schuhwerk. Von den 25 Kitten stammen alleine 20 von dort. Dabei ist Radolfzell eigentlich die viel größere Stadt. Eine Erklärung dafür ist rasch gefunden: Das liege an den vielen kleinen Orten mit Bauernhöfen, erklärt die erfahrene Tierexpertin. Davon gebe es im Raum Stockach mehr als in Radolfzell und auf der Höri. Diese drei Bereiche sind der Einzugsbereich des Radolfzeller Tierheim. Doch das Problem wächst: Der Platz ist knapp und der Bedarf nimmt derzeit zu.
Das Tierheim-Team macht regelmäßig Fangaktionen im Raum Stockach, derzeit zum Beispiel im kleinen Weiler Airach, wo zahlreiche Kitten rumlaufen. Kitten ist das englische Wort für Babykatzen, das im Tierheim alltäglich verwendet wird. Meist werden auch die Muttertiere oder andere wildlebende Katzen zumindest vorübergehend eingefangen, erklärt Julia Schuhwerk. Das Ziel sei, die unkontrollierte Vermehrung von Katzen einzudämmen, da Kätzinnen bereits acht Wochen nach der Geburt wieder trächtig werden könnten. Die erwachsenen Tiere werden kastriert und anschließend vermittelt oder zurückgebracht.

Aufnahmestopps wegen zu vielen Katzenbabys
Für die Kitten wird immer ein neues Zuhause gesucht. Da sie meist aufgepäppelt werden müssen, bleiben sie Wochen oder Monate im Tierheim. Daher ist das Tierheim mehr als am Anschlag. In den sozialen Medien berichten viele Tierheime oder Tierschutzvereine, dass dieses Jahr besonders viele Kätzchen ihre Hilfe brauchen. Deshalb müssen die Heime teilweise Aufnahmestopps verhängen. In Radolfzell gibt es eine lange Warteliste.
Normalerweise kämen Kätzchen im Mai oder im Herbst zur Welt, doch dieses Jahr gebe es laufend Nachwuchs. Julia Schuhwerk ist ratlos, woran das liegen könnte. Ein Problem sei auch, dass viele dieser Kätzchen krank seien.
Julia Bierbach, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Radolfzell, der das Tierheim betreibt, fährt zwei Mal täglich nach Airach, um nach den Lebendfallen zu schauen, die dort aufgestellt sind. Diese Fallen sind große Gitterboxen, in die Futter gestellt wird. Sie schließen sich automatisch, wenn eine Katze hinein geht.
16 Kitten auf nur einem Hof
Tierheimleiterin Julia Schuhwerk ergänzt, dass es in Airach um circa 16 Kitten und zwei erwachsene Katzen gehe. Ein Teil davon ist inzwischen gefangen. In der zweiten Septemberwoche soll die Aktion weitergehen.

Zwei der 20 Stockacher Kitten, May und Harry, ziehen diese Woche wieder zurück, da Familie Stetter aus Stockach sie adoptiert. Christoph Stetter, seine Frau Anna-Lena, die Zwillinge Sarah und Teresa sowie Sohn Philipp haben viele Schritte auf dem Weg zur eigenen Katze gemeistert. Sie waren drei Mal im Tierheim, um zu schauen, welche Kitten zu ihnen passen, haben also mit ihnen gespielt und gekuschelt. Dann kam ein Tierheimvertreter bei den Stetters zu Besuch, um zu schauen, dass das Zuhause katzengeeignet ist.

Neues Zuhause für zwei der Kätzchen
Schließlich stand dem Umzug nichts mehr im Weg. Gegen eine Schutzgebühr, die unter anderem Impfungen und Entwurmungen und bei entsprechendem Alter auch die Kastration abdeckt, durften die Kätzchen in ihr neues Zuhause. Für zwei Kitten liegt die Schutzgebühr bei 520 Euro. Julia Schuhwerk erklärt, dass allein eine Kastration 180 bis 200 Euro koste. Sofern es nicht schon ein gleichaltriges Kätzchen im Haushalt gibt, werden die Tiere nur zu zweit vermittelt, so das Tierheim.

Damit sind zwar zwei Kätzchen wieder aus dem Tierheim raus, aber ständig kommen neue an. Zuerst müsse Neuankömmlinge, egal ob klein oder groß, zwei Wochen in Quarantäne, um zu sehen, ob sie Krankheiten oder Parasiten mitbringen. Anschließend dürfen sie in die großen Räume im Katzenhaus.
Beide Bereiche sind aber eigentlich übervoll. Der Quarantäne-Bereich musste provisorisch ausgebaut werden und allgemein gibt es eine Warteliste für die Aufnahme im Tierheim. „Wir haben eine Warteliste mit 50 Katzen“, erklärt Julia Schuhwerk zur aktuellen Lage. Durch die Sommerferien stagniere momentan die Vermittlung etwas.
Stockach zahlt 20.200 Euro pro Jahr
Die Finanzierung all dieser Aktivitäten für den Tierschutz ist genauso ein Problem wie der Umgang mit so vielen Kätzchen selbst. Das Tierheim, in dem natürlich auch Hunde, Hasen und andere Tierarten leben, erhalten von den Gemeinden in ihrem Einzugsbereich Pauschalen, die aber bei Weitem nicht alles abdecken. Ohne Spenden ginge nichts, erklären Julia Bierbach und Julia Schuhwerk, ob in Form von Geld oder Futter. Auch die Schutzgebühren für die Tiere decke einen Teil der Kosten.

Die Verwaltungsgemeinschaft Stockach habe seit dem Jahr 2021 eine Vereinbarung mit dem Tierschutzverein Radolfzell, also auch dem Tierheim Radolfzell, erklärt Christian Korb, der bei der Stadt Stockach für Fundtiere zuständig ist. „Die Gemeinden vergüten die Arbeit des Tierschutzvereines mit einer jährlichen zu zahlenden Pauschale, deren Höhe sich nach der Einwohnerzahl richtet“, erklärt er.
Der Betrag pro Bewohner steige jährlich um zwei Prozent. „Dieses Jahr lag die Pauschale für die Stadt Stockach bei knappen 20.200 Euro.“ Diese Pauschale decke alle Fundtiere ab – ausgenommen Wildtiere, Nutzvieh, exotische Tiere wie die jüngst gefundene Schildkröte Olga, Reptilien und solche, die dem Jagdrecht unterliegen. Auch Korb weiß: „Leider steigt die Anzahl der verwilderten Katzen in der Verwaltungsgemeinschaft stark an.“