Eine so hohe Strafe hat das Stockacher Narrengericht selten verhängt: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wurde ein Strafmaß von acht Eimern auferlegt. Eine zusätzliche Ordnungsstrafe, die das Hohe Grobgünstige Narrengericht während der Verhandlung verhängte, wurde zum Schluss wieder erlassen, „weil er morgen wieder als Minister in der Ampelregierung arbeiten muss. Das ist Strafe genug“, betonte Narrenrichter Jürgen Koterzyna mit Blick auf den Beklagten.
Doch nicht nur die Weinstrafe am Ende der Verhandlung fiel ungewöhnlich hoch aus, schon der Beginn der Verhandlung war ungewöhnlich. Aufgrund strenger Sicherheitskontrollen mussten viele Zuschauer mehr als 45 Minuten auf Einlass in die Jahnhalle warten. Die Schlange erstreckte sich bis auf den Jahnweg hinaus. Mit rund 35 Minuten Verspätung konnte die Verhandlung dann aber beginnen.
Unbefangen wie Jürgen von der Lippe
Wie der Narrenrichter gleich am Anfang vermerkte, sei ein Antrag des Beklagten auf Befangenheit gegen das Gericht eingegangen, da diesem wegen der strengen Corona-Verordnungen zwei Weinstrafen entgangen seien. „Ich kann Ihnen aber versichern, wir sind absolut unbefangen, neutral und nicht durstig. So wahr mein Name Jürgen von der Lippe ist“, betonte Jürgen Koterzyna.
Kläger Wolfgang Reuther lief bei seinem letzten Auftritt in dieser Rolle noch einmal zur Hochform auf. In gleich drei Punkten erhob er Anklage. Er warf Lauterbach in Punkt eins Hochstapelei und Täuschung, im zweiten Punkt politischen Alarmismus und Panikmache und zu guter Letzt auch noch in Punkt drei Narzissmus und Mediengeilheit vor. „Und die Anzahl seiner möglichen weiteren Anklagepunkte übersteigt die Zahl seiner akademischen Titel bei Weitem“, betonte der Kläger.
Und der soll Gesundheitsminister sein?
Der doppelt promovierte Professor Lauterbach sei allein deshalb ein Hochstapler, weil niemand glauben könne, dass jemand, der so krank aussehe, Gesundheitsminister sei. „Aber die Sensenmann-Aura passt ganz gut dazu, dass er der Totengräber der kleinen Krankenhäuser im ländlichen Raum ist“, so Reuther.
Seine vielen Titel würden zwar den Anschein universeller Kompetenz erwecken, jedoch sei der Beklagte höchstens ein Master of Desaster. Im zweiten Anklagepunkt erinnerte Reuther daran, dass Lauterbach einst Kinder als Pandemietreiber bezeichnet und deshalb Schulen geschlossen habe. „Die Quittung haben wir jetzt bei der jüngsten Pisastudie bekommen. Wir sind nur noch Mittelfeld und liegen hinter Ländern wie Neuseeland, Lummerland und sogar Österreich“, so Reuther.
Weil Lauterbach in seinem Alarmismus zu viele Impfdosen bestellt habe, hätte er noch zusätzliche Booster-Impfungen verordnen müssen. „Wir können froh sein, dass die Pandemie vorbei ist. Sonst hätten wir uns auch noch ein fünftes oder sechstes Mal impfen lassen müssen“, schimpfte Reuther.
Er ist unangefochtener Talkshow-König
Als unangefochtenen Talkshow-König bezeichnete Reuther den Beklagten im dritten Anklagepunkt. Zeitweise sei dieser quasi auf allen Sendern gleichzeitig zu sehen gewesen. „Als Mann hatte man fast schon Angst, morgens beim Rasieren in den Spiegel zu schauen und auch dort das Gesicht von Lauterbach zu entdecken.“ Tosenden und lang anhaltenden Applaus aus der vollbesetzten Halle bekam Reuther für seine Klage.
Schwerer hatte es Fürsprech Michael Nadig. Als er erfahren habe, wen er dieses Jahr verteidigen muss, sei ihm das geflügelte Zitat des ehemaligen Fußballers Andi Brehme eingefallen, das lautet „hast du Scheiße am Schuh, hast du Scheiße am Schuh“. Schließlich müsse er mit Lauterbach jemanden verteidigen, der viele Leute auf die Palme bringe.

„Zugegeben, mein Mandant polarisiert. Aber das liegt einfach daran, dass er recht hat“, betonte Nadig. Er habe nicht nur eine „große Gosch, sondern auch viel dahinter“. Ein Hochstapler könne er daher gar nicht sein. Auch den vorgeworfenen Alarmismus wollte Nadig nicht stehen lassen. „Er hat als Epidemiologe einfach nur seine Arbeit gemacht. Und wo gehobelt wird, da fallen Späne“, und in diesem Fall sei es vor allem sein Vorgänger Jens Spahn gewesen, der von der Werkbank gefallen sei, betonte Nadig. Außerdem habe Lauterbach mit seinen Prognosen am Ende immer recht behalten.
Schön ist er nicht, athletisch auch nicht
Narzissmus könne man Lauterbach auch nicht vorwerfen, schließlich müsse man dafür schön oder athletisch sein, und Lauterbach sei keins von beidem. Und dass er so oft in den Medien sei, liege einfach daran, dass er gut kommunizieren könne – im Gegensatz zu seinem Kanzler.
Lauterbach selbst betonte ebenfalls seine Unschuld. „Normalerweise stehe ich nur stellvertretend für meinen Vorgänger Jens Spahn vor Gericht, aber nicht in eigener Sache. Ich bin die Unschuld vom Lande“, so Lauterbach. Er könne sich den ersten Anklagepunkt nur als Neid des Gerichts vorstellen. „Was kann ich dafür, dass ich mehr akademische Abschlüsse habe als das ganze Gericht?“, fragte Lauterbach und bemerkte, dass das einzige, was die Ampel-Regierung hochstaple, ungelöste Probleme seien. „Dafür müsste man aber den Oppositionsführer in der Regierung anklagen, nämlich Christian Lindner“, fügte der SPD-Politiker hinzu.
Applaus für seinen rheinischen Humor
Zum Anklagepunkt des politischen Alarmismus erklärte der Minister: „Warnungen müssen sein!“ Schließlich wolle niemanden einen Gesundheitsminister, der sagt „Impfungen? Sie können es ja mal probieren! Oder: Globuli als Krebstherapie? Da müssen wir technologieoffen sein!“ Denn nur wer den Herzinfarkt überlebe, habe die Chance an Krebs zu erkranken, und nur wer diesen besiege, könne an Altersdemenz erkranken. „Man muss die Bürger eben auf so positive Weise mitnehmen“, erklärte der Minister mit trockenem rheinischen Humor und erntete dafür viele Lacher und auch Beifall.
Was den dritten Anklagepunkt angeht, bemerkte Lauterbach, dass es geradezu grotesk sei, dass das einzige Gericht, bei dem die Anklage vor laufenden Kameras vorgetragen werde, ihm vorwerfe, mediengeil zu sein. Im Fernsehen gesehen zu werden, sei nun mal die Definition eines Politikers. „Ich plädiere auf Freispruch, bin aber bereit, vom Gericht eine Entschuldigung für die Vorladung zu akzeptieren“, so Lauterbach abschließend.
Doch geholfen hat es nichts, der Narrenrichter verurteilte ihn zu einer Strafe, die er gemeinsam mit seinem Vorgänger, Jens Spahn begleichen müsse. Dieser solle ein Drittel der Strafe übernehmen, da er eine Mitschuld an der aktuellen Lage trage.

Das Urteil: Wein, Mineralwasser und Mitglieder
Zu einer Strafe von acht Eimern verurteilte das Narrengericht Karl Lauterbach. Die Strafe ist zur Hälfte in Wein, zur anderen Hälfte in Mineralwasser zu bezahlen. „Getrennt, nicht als Schorle“, so Narrenrichter Jürgen Koterzyna. Diese Strafe müsse Lauterbach zu zwei Dritteln tragen, sein Vorgänger Jens Spahn soll ein Drittel der Kosten übernehmen. Zusätzlich muss Lauterbach im Sommer Schokoladeneis im Stockacher Krankenhaus verteilen und zehn neue Mitglieder für den Krankenhausförderverein werben.