Wenn das eigene Kind psychisch erkrankt, stehen auch die Eltern vor großen emotionalen Herausforderungen. In einer kunsttherapeutischen Gruppe kann ein Weg gefunden werden, mit aktuellen Problemen umzugehen und Kraft zu tanken. Kunsttherapeutin Susan Rüffer bietet in ihrer psychotherapeutischen Praxis im Stockacher Ortsteil Wahlwies jetzt eine solche Gruppe an. Sie sagt, es sei ihr Herzensprojekt, die Eltern zu unterstützen.

An drei Tagen pro Woche arbeitet Susan Rüffer als Kreativtherapeutin in der psychotherapeutischen Neurologie in einer Reha-Klinik für Erwachsene in Gailingen. Dort hat sie nicht nur mit neurologischen, sondern auch mit psychischen Erkrankungen der Patienten zu tun. Und immer wieder sind darunter auch Eltern, die psychisch kranke Kinder haben. Sie betont: „Im Gespräch mit ihnen wird immer wieder deutlich: Sie sind sehr allein mit ihren Sorgen.“

Für Kinder psychisch kranker Eltern gibt es nach ihrer Aussage gute Angebote, beispielsweise über die Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Singen – aber leider nicht im umgekehrten Fall. Und es gibt zwei Kinder- und Jugend-Psychiatrien in der Region: die Luisenklinik Radolfzell und die Luisenklinik Bad Dürrheim, dazu Kinder- und Jugendtherapeuten.

Susan Rüffer möchte mit Angebot Eltern entlasten

„Das Thema beschäftigt mich schon länger, mindestens seit Corona, als viele Jugendliche und Kinder psychisch erkrankten, weil sie plötzlich keinen regelmäßigen Alltag mehr hatten und kein direkter sozialer Austausch stattfand.“ Bisher hatte sie in ihrer Praxis nur Einzeltermine mit betroffenen Eltern, nun möchte sie eine Gruppe etablieren – ein Angebot, das es in dieser Form in Deutschland kaum gibt, erklärt sie.

Es gibt Eltern-Selbsthilfegruppen, wenn das eigene Kind von ADHS oder Autismus betroffen ist. Doch Eltern, deren Kinder etwa unter Angststörungen, Depressionen oder Zwängen leiden, müssen sich laut Susan Rüffer selbst einen niedergelassenen Psychotherapeuten suchen.

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Susan Rüffer wird in ihrer Praxis ähnlich vorgehen wie in der Klinik. Dort arbeitet sie fast nur mit Gruppen bis zu fünf Teilnehmern. Sie startet mit sechs Terminen im Zweiwochenrhythmus. Das hänge jedoch von den Bedürfnissen der Teilnehmer ab, erklärt sie und fügt hinzu: „Die Belastung der Familien ist sowieso schon groß, da soll ein zusätzlicher Termin keine zusätzliche Belastung, sondern eine Entlastung sein. Man muss deshalb immer schauen, was Sinn macht.“

Was genau passiert in der Kunsttherapie?

In der Kunsttherapie werden psychische Ressourcen aktiviert. Erstarrte Verhaltensmuster können durch die Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten gelockert werden. Kreative Prozesse, die therapeutische Unterstützung und insbesondere der Austausch mit anderen Betroffenen können entlasten, stärken und die Selbstheilungskräfte des Einzelnen aktivieren.

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Susan Rüffer erklärt, was dahintersteckt: Die neue Gruppe soll den Austausch untereinander ermöglichen, aber kein Gesprächskreis sein. Eher eine therapeutische Gruppe, die den Teilnehmenden zeigt: Ich bin nicht allein mit dem Thema, da sind auch noch andere. Der Fokus liege auf dem Elternteil und es solle etwa um solche Fragen gehen: „Wie geht es mir? Was macht die Situation mit mir? Wie gehe ich damit und mit meinen Ängsten um?“

Die Teilnehmenden könnten über das Gefühl der Hilflosigkeit sprechen, über die Angst bis hin zur Todesangst, wenn das eigene Kind suizidal ist, aber auch über die Scham und die Stigmatisierung der psychischen Krankheit.

Es geht um Schuld, Beschämung und Frustration

Stefanie Woynar, Psychologische Psychotherapeutin aus Radolfzell, teilt auf SÜDKURIER-Nachfrage mit: „Aus meiner Sicht ist es gut, wenn Eltern psychisch erkrankter Kinder alle Unterstützung bekommen können, die möglich ist. Es geht viel um Schuld, Beschämung im Eltern-Ich, Frustration, Hilflosigkeit oder ähnlich schwierige Gefühle, wenn es dem eigenen Kind psychisch nicht gut geht. Sich zu diesen Themen in einem sicheren Rahmen auszutauschen, kann sehr entlastend sein.“

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Das vorgestellte Angebot solle sicherlich keine Psychotherapie ersetzen, sondern den Eltern in Hinsicht auf ein wichtiges Thema in ihrem Leben niedrigschwellig Unterstützung ermöglichen. Nicht jeder Elternteil in dieser Situation benötige auch eine Psychotherapie.

Stefanie Woynar selbst bietet neben Einzel- auch Gruppentherapie an, die bezüglich der Wirksamkeit nachgewiesenermaßen ähnlich effektiv sei wie Einzeltherapie. Sie erklärt: „Hier gibt es eher mal die Möglichkeit, dass ein Platz frei wird als im Einzel, weil manche Menschen sich den Start in der Gruppentherapie nicht zutrauen und mit dieser Therapieform Berührungsängste haben.“

Wie läuft ein solches Treffen ab?

Die Teilnehmer der Gruppe von Susan Rüffer brauchen keinerlei künstlerische Vorkenntnisse oder Begabungen, sondern dürfen frei gestalten und ohne Leistungsdruck ihren inneren Bildern Raum geben. Susan Rüffer hält verschiedene Materialien zur Gestaltung bereit: Man kann zum Beispiel in unterschiedlichen Techniken malen, mit Spachtel- oder Modelliermasse arbeiten oder Collagen kleben. „Damit kann man super arbeiten und beispielsweise Lebensschwerpunkte oder die Beziehungen in der Familie darstellen“, sagt Susan Rüffer.

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Jedes Treffen soll anderthalb Stunden dauern. Sie werde mit einer Eingangs- und Abschlussrunde den Rahmen vorgeben, dazwischen sei Zeit zum freien Gestalten – stets abgestimmt auf das Bedürfnis des Einzelnen. Man könne über das Gestaltete sprechen, müsse es aber nicht. Eine Kunsttherapie könne durchaus auch nonverbal ablaufen.