Es ist eine gemischte Bilanz, die Stadtjugendpfleger Frank Dei in der vergangenen Woche im Hauptausschuss der Stadt Stockach über die Arbeit der Stadtjugendpflege und der Schulsozialarbeit vorstellte. Einerseits ist das Team gut aufgestellt und kann mit einem breiten Angebot für die Stockacher Jugend glänzen, andererseits gibt es immer neue Herausforderungen, die an den Schulen auftreten. Und das nicht zuletzt, weil sich internationale Krisen und Kriege auch hier bemerkbar machen.
„Wir haben festgestellt, dass ukrainische Kinder aus Flüchtlingsfamilien teilweise auf sehr ablehnend reagierende Kinder und Jugendliche treffen, deren Eltern als russische Spätaussiedler nach Deutschland gekommen waren und bezüglich des Krieges eindeutig Position für Russland bezogen und eine Pro-Putin-Haltung zeigten“, berichtet Dei. Diese Konfliktsituation halte bis heute an.
Plötzlich antisemitische Parolen
Auch im Zuge der Eskalation im Nahostkonflikt seien ganz neue Brennpunkte an den Stockacher Schulen entstanden, macht Frank Dei deutlich. „Quasi über Nacht begegneten wir plötzlich Schülerinnen und Schülern mit islamischem Hintergrund, die sich innerhalb kürzester Zeit sprachlich radikalisierten, auch deutlich antisemitische Äußerungen waren zu vernehmen“, berichtet Dei.
Dabei habe man festgestellt, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler ihr Wissen um die Vorgänge rund um den Gazastreifen vor allem aus den sozialen Medien bezogen hätten. „Eine Diskussion war kaum möglich, da jedes Nachfragen und jede Kritik sofort als islamfeindlich abgetan wird“, so Dei.
Neben Kriegen und Krisen müsse sich die Schulsozialarbeit in den vergangenen Jahren mit ganz neuen Themen auseinandersetzen. „Das Thema Geschlechtervielfalt macht sich auch an den Stockacher Schulen bemerkbar“, berichtet Dei. Für die Schulsozialarbeit sei es eine neue Herausforderung, sich mit den Begrifflichkeiten LSBTTIQ, eine Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, intergeschlechtlich und queer, und dem Umgang mit betroffenen Schülerinnen und Schülern auseinanderzusetzen.
Geschlechtsidentität als neue Herausforderung
So sei an das Team der Schulsozialarbeit in der Realschule der Wunsch herangetragen worden, ein Coming-out in einer Klasse zu begleiten. Hierfür habe man sich von Seiten der Schule wie auch der Schulsozialarbeit intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen müssen, so Dei. Von der Klasse, der Schulleitung und den Lehrern sei die Entscheidung, die auch mit einer Namensänderung einhergehe, jedoch akzeptiert.
Insgesamt nehme die Einzelfallhilfe deutlich zu. „Im Schuljahr 2023/24 haben wir über 1000 Gespräche mit Schülerinnen und Schülern geführt, die länger als 45 Minuten gedauert haben“, so Dei. Ab einer Gesprächszeit von 45 Minuten würden die Gespräche für die Statistik erfasst, es habe jedoch auch viele weitere kürzere Gespräche gegeben. Ein großer Arbeitsschwerpunkt seien neben den genannten Themen nach wie vor auch das soziale Lernen, sowie Präventionsarbeit im Hinblick auf Gewalt, Essstörungen und Sucht.
Team der Stadtjugendpflege ist gut aufgestellt
Erfreut zeigte sich der Stadtjugendpfleger über die hohe personelle Kontinuität in seinem Team. Seit dem Start der Schulsozialarbeit im Jahr 2009 sei das Team zwar sukzessive gewachsen, jedoch habe es auf den einzelnen Positionen im Wesentlichen keine Änderungen gegeben. Zuletzt hätten zwei Stellen neu besetzt werden können, wodurch jetzt alle Stockacher Schulen gut von der Schulsozialarbeit versorgt seien. Insgesamt setzt sich das Team aus sechs Mitarbeiterinnen zusammen, auch Frank Dei ist mit einem Stellenanteil von 25 Prozent in die Schulsozialarbeit eingebunden.
Zufrieden zeigte sich Dei auch mit dem freizeitpädagogischen Bereich in der Verantwortung der Stadtjugendpflege. So seien die Angebote in den Ferien weiter ausgebaut worden. Mit Ausnahme der Weihnachtsferien biete die Stadtjugendpflege inzwischen in allen Ferien Programm für Kinder im Alter zwischen sechs und 17 Jahren an. „Dabei decken wir thematisch eine große Bandbreite ab“, betont Dei.
Rund 200 Stunden Programm
Im Ferienprogramm zum Schuljahr 2023/24 habe es insgesamt 37 Angebotstage mit 200 Stunden Programm gegeben. Gerade in den Sommerferien bietet die Stadtjugendpflege zwei Erlebniswochen an, die außerhalb der drei städtischen Betreuungswochen an der Stockacher Grundschule liegen. Damit sollen Alleinerziehende oder doppelverdienende Eltern zu entlasten.
Insgesamt 400 Teilnehmer haben die Angebote wahrgenommen. Die Auslastung der Angebote habe bei rund 90 Prozent der verfügbaren Kapazität gelegen. „Hinzu kamen die circa 100 Besucherinnen und Besucher der zwei Kinotage in den Herbst- und Osterferien“, so Dei.
Manchmal fällt die Heizung aus
Daneben gab es viele weitere Projekte, wie zum Beispiel die Stockacher Schülerparty, den Bikepark im Osterholz oder den Interkulturellen Tag. Zu den regelmäßigen Angeboten zählen zudem die Bereitstellung der Jugendmobile oder verschiedener Ausleihmaterialien, und natürlich der offene Treff im Jugendkulturzentrum. „Hier sind die Zahlen seit Corona leicht rückläufig, aber wir gehen davon aus, dass sie jetzt im Winter wieder etwas ansteigen“, so Dei. Auch eine Gruppe ukrainischer Kinder habe man schon zu Besuch gehabt.
„Allerdings kommt das Jugendhaus in die Jahre und manchmal sind wir Situationen ausgesetzt, die einen Besuch nicht sehr angenehm machen. Zum Beispiel, wenn die Heizung mal wieder ausgefallen ist“, erklärt Dei.
Dass die Stadtjugendpflege so ein umfangreiches Programm bieten könne, sei nicht zuletzt dadurch möglich geworden, weil das Team, wie schon in den vergangenen Jahren, durch eine FSJ-Kraft unterstützt wurde. „Wir müssen uns aber Gedanken darüber machen, wie wir dieses Programm aufrechterhalten können, wenn wir einmal keine passende FSJ-Kraft finden können“, mahnt Frank Dei.
Gemeinderäte loben das Angebot
Aus dem Hauptausschuss gab es großes Lob für die Arbeit der Stadtjugendpflege. Wolf-Dieter Karle (Freie Wähler) bedankte sich: „Sie leisten seit vielen Jahren eine tolle Arbeit, die nicht mehr wegzudenken ist.“ Christoph Stetter (CDU) zeigte sich besorgt über den Alltagsrassismus an Stockacher Schulen. Julia Zülke (FDP) sieht aus eigener Erfahrung den Renovierungsbedarf im Jugendkulturzentrum und appellierte in der Sitzung an Bürgermeisterin Susen Katter, hier von Seiten der Stadt für eine Verbesserung zu sorgen.