Besonders Kokain bereitet ihr große Sorgen, berichtet Elisabeth Spiegel. Denn die Droge liege im Trend, sie sei günstiger und damit einfacher verfügbar als früher – gerade für Jugendliche und junge Erwachsene. Elisabeth Spiegel arbeitet für die Drogenhilfe im Landkreis. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Anette Schlobinski-Duscher von der AGJ-Suchtberatung stellte sie in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses ihre Arbeit vor. Die beiden berichteten, wie verbreitet verschiedene Suchterkrankungen in Stockach sind und welche Angebote es gibt.
Die Drogenhilfe ist die Fachstelle für Menschen im Landkreis, die nach illegalen Substanzen süchtig sind. Sie hat Außenstellen in Singen, Konstanz, Stockach und im Zentrum für Psychiatrie. Im Jahr 2022 betreute das achtköpfige Team kreisweit 632 Süchtige, wie aus der Präsentation von Elisabeth Spiegel hervorgeht.
60 drogensüchtige Jugendliche im Raum Stockach betreut
Ihr Angebot umfasst Einzelberatungen, offene Sprechzeiten, Selbstkontrollprogramme, die Beratung von Angehörigen sowie psychosoziale Begleitungen. Zudem bietet die Drogenhilfe eine jährliche Schulprävention im Schulverbund Nellenburg für sechs Klassen mit Theaterpädagogik an sowie das Projekt „Cannabis ist kein Brokkoli“ für die Berufsschule Stockach. Und diese Aktionen sind auch nötig.

Denn elf Prozent der Klienten der Drogenhilfe, also etwa 60, kommen aus dem Raum Stockach, was auch dem Einwohneranteil der Verwaltungsgemeinschaft im Landkreis entspricht. Die Hälfte von ihnen wird auch vor Ort in der Außenstelle betreut, so Spiegel.
Hohe Dunkelziffer bei jungen Konsumenten?
41 Prozent von ihnen seien primär von Opioiden abhängig, 45 Prozent von Cannabis und elf Prozent von Kokain. „Allerdings ist Mischkonsum sehr verbreitet“, berichtet Spiegel. Viele der Süchtigen seien noch jung – 31 Prozent sind unter 26 Jahre alt. Weitere 39 Prozent sind zwischen 27 und 39, nur 30 Prozent sind über 40.
Insgesamt seien die Zahlen über die vergangenen Jahre hinweg in Stockach stabil, stellt Spiegel vor. Doch gerade bei jungen Menschen könnte die Dunkelziffer deutlich höher liegen, wie sie auf Nachfrage von Christoph Stetter (CDU) erläuterte. Es würden viele junge Menschen konsumieren, die noch nicht so süchtig sind, dass sie im Alltag auffallen oder straffällig werden. Wie viele es tatsächlich sind, sei daher schwierig zu beantworten.
Aber die Erfolge der Arbeit der Drogenhilfe liegen auf der Hand: 42 Prozent der betreuten Menschen würden den Ausstieg schaffen, präsentiert Spiegel weiter. Besonders bei jungen Konsumenten, Angehörigen von Süchtigen und Müttern mit Kindern komme das Angebot gut an – vor allem die ortsnahen Beratungen.
Die Gründe dafür? „Wir schaffen eine Atmosphäre für Vertrauen und Offenheit“, erklärt Spiegel. Aktuell seien alle Termine ausgebucht. Neue Klienten müssten bis zu vier Wochen auf einen Termin warten oder auf anderen Beratungsstellen in Singen und Konstanz ausweichen. Eine Warteliste gebe es aber nicht.
Medien und Alkohol ein großes Problem
Doch nicht nur illegale Drogen sind ein Problem. Viele Jugendliche sind süchtig nach Alkohol, Glückspiel oder Medien. Dafür zuständig ist die Suchtberatung des AGJ-Fachverbands für Prävention und Rehabilitation der Erzdiözese Freiburg, die bei der Stockacher Caritas untergebracht ist und für die Anette Schlobinski-Duscher arbeitet.
Das Team aus Sozialarbeitern, einem Pädagogen, einem Psychologen, einer Fachärztin und Ehrenamtlichen bietet Beratungen und Behandlungen für verschiedene Erkrankungen an: Alkohol-, Medikamenten- oder Drogensucht, für gefährdete Menschen, bei Verhaltensstörungen oder für Menschen mit problematischem Medien- oder Glückspielkonsum, berichtet sie. Auch Angehörige von Suchtgefährdeten oder -kranken fänden hier Ansprechpartner.
Fünf Jugendliche pro Woche in offener Sprechstunde
Die AGJ betreute im vergangenen Jahr 540 Fälle im Kreis – darunter 429 wegen Alkohol, 41 wegen Cannabis, 27 wegen Mediensucht sowie 17 wegen Spielsucht. 100 Personen seien zu Kurzberatungen gekommen, 210 zu einmaligen suchtspezifischen Beratungen. 414 Menschen machten eine längerfristige Beratung, 24 bekamen eine ambulante Behandlung. 69 mussten in eine stationäre Rehabilitation vermittelt werden.

Mittwochs zwischen 12.30 und 14.30 Uhr können Jugendliche ohne Termin in die offene Sprechstunde Caritas-Büro in der Kaufhausstraße kommen. Dieses Angebot werde von Eltern, Lehrern, der Polizei, Sozialarbeitern oder der Jugendgerichtshilfe an Jugendliche vermittelt. Es sei besonders gut für Menschen mit akuten Krisen. Laut Schlobinski-Duscher nutzen dies rund fünf Klienten pro Woche, die meisten seien zwölf bis 21 Jahre alt.
Insgesamt kamen in diesem Jahr bislang 40 Stockacher zur AGJ. Im Vorjahr waren es laut Präsentation 43, 2021 noch 37 und 2020 27. Die Tendenz ist also steigend. „Wichtig ist, nicht zu sagen, dass man so etwas nicht macht, sondern zu versuchen, die Lebenssituation der Jugendlichen zu verstehen“, erklärt Schlobinski-Duscher das Erfolgsrezept.
Stadt fördert die beiden Suchtstellen
Zudem gehören zur Prävention sogenannte Suchtparcours, das kommunale Alkoholpräventionsprogramm für Kinder und Jugendliche HaLT (Hart am Limit), das Programm b.free in Schulen und Betrieben sowie verschiedene Kampagnen und Workshops. Die AGJ bietet auch Vermittlungen in Tageskliniken, Krankenhäuser und das ZfP an.
Besonders für Kinder und Jugendliche gibt es die Programme Clear Life und Knospe sowie das Projekt „Medien-Sucht?“. Außerdem ist die AGJ am Nellenburg Gymnasium, an der Goldäckerschule und dem Schulverbund Nellenburg aktiv mit Präventionsangeboten, listet die Suchtberaterin auf.
Die Stadt Stockach wiederum fördert die beiden Suchtstellen. Das Beratungsangebot der Drogenhilfe bekommt laut Sitzungsvorlage seit einigen Jahren 8000 Euro pro Jahr für ein wöchentliches Angebot. Seit 2018 unterstützt die Stadt zudem das Angebot der AGJ-Suchtberatung mit 4000 Euro, um Süchtigen zu helfen, wieder ohne Suchtmittel zu leben.