Was stimmt und was ist vorgeschoben? Der Mordprozess gegen den geständigen 22-jährigen Marcel K., der im Januar seine 24-jährige Freundin Sabrina P. in Stockach getötet hat, begann am Dienstag im Landgericht Konstanz mit vollen Besucherreihen im Saal. Die Hand- und Fußfesseln klirrten leicht, als Justizvollzugsbeamte den Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befindet, in den Saal führten.

Der junge Mann in Sweatjacke und Jogginghose saß in gebeugter Haltung und beantwortete mit dumpfer Stimme die Fragen des Schwurgerichts, von Oberstaatsanwalt Ulrich Gerlach, eines psychologischen Sachverständigten, seines Verteidigers und von Gerhard Zahner, dem Anwalt der Schwester, die Nebenklägerin ist.

Der Vorwurf: Der Mord an Sabrina P. am 13. Januar 2023 aus niedrigen Beweggründen nach Paragraf 211 des Strafgesetzbuchs sowie Tierquälerei, da auch das kleine Kätzchen sterben musste.

Angeklagter hat schwierigen Hintergrund und nahm Drogen

Die Aussage und Befragung des Angeklagten dauerte rund zwei Stunden. Der vorsitzende Richter Arno Hornstein bohrte dabei wieder und wieder zum Tathergang nach. Zudem äußerte er mehrfach Zweifel an so manchen Aussagen zur Drogen- und Alkoholgebrauch des 22-Jährigen, der durchwachsene Familiengeschichte hat.

Der junge Mann besitzt laut eigenen Aussagen keine abgeschlossene Ausbildung, hat als Kind zwischenzeitlich in einem Heim gelebt und hat noch ein zweijähriges Kind mit einer anderen Frau. Zuletzt habe er nur einen Minijob gehabt und zusammen mit Sabrina P. in ihrer Wohnung in Stockach gelebt. Schon seit seinem 15. Lebensjahr habe er immer wieder viel hochprozentigen Alkohol getrunken und später zunehmend verschiedene Drogen konsumiert. Er nehme beides regelmäßig.

In Fußfesseln sitzt der Angeklagte im Gerichtssaal.
In Fußfesseln sitzt der Angeklagte im Gerichtssaal. | Bild: Hanser, Oliver

Marcel K. hat sie mit einem Ladekabel erdrosselt

Das Paar habe sich immer wieder gestritten, getrennt und sei wieder zusammengekommen. Am 13. Januar hätten sie gestritten, weil er so viel arbeite oder mit Freunden unterwegs sei. Zudem habe Sabrina P. ihm vorgeworfen, dass er in sozialen Netzwerken Fotos anderer Frauen like.

Der 22-Jährige schilderte, der Streit sei nach seiner Heimkehr von der Arbeit ausgebrochen: „Ich habe komplett die Kontrolle verloren und danach gemerkt, was ich für einen Scheiße gebaut habe.“ Er habe seine Freundin im Streit an der Wand gewürgt und dann irgendwie zu einem herumliegenden Lagekabel einer Spielstation gegriffen, mit dem er sie erdrosselt habe.

Er habe ihr vermutlich zwei bis drei Minuten lang mit dem Kabel die Luft abgeschnitten. Sie sei blau angelaufen und ihr sei die Zunge aus dem Mund gehangen, berichtete er mit relativ monotoner Stimme. Manchen Zuhörern hinten im Gerichtssaal entfuhren Laute des Entsetzens oder Unverständnisses, als in der langen Aussage heftige Details wie dieses zur Sprache kamen.

Die Leiche liegt vier Tage im Gebüsch

Der 22-Jährige erklärte weiter, er habe nach der Tat Drogen genommen und die Leiche seiner Freundin kurz darauf an den Armen auf den Balkon gezogen, hochgehievt und über die einen Meter hohe Brüstung hinunter ins Gebüsch geworfen. Kurz darauf habe er das Baby angezogen, das während der Tat geschlafen hatte, und sei Alkohol kaufen gegangen. Das Kind habe er später zu seiner eigenen Mutter gebracht.

Auf eine Rückfrage von Richterin Sabine Jann berichtete der 22-Jährige, er habe nicht geschaut, wie Sabrina P. nach unten gefallen sei. Er habe ein Knacken gehört, aber nie hinunter geblickt, wo sie liege. Auch später nicht.

Bei der Beschreibung des Tathergangs gab der Angeklagte teilweise an, sich nicht richtig erinnern zu können, oder weckte Zweifel, ob alles wirklich so gewesen sein kann. Er sagte zwar, er habe die Tat jeden Tag vor Augen, hatte aber dennoch Mühe, sie zu schildern.

Eine Tat im Affekt oder geplante Absicht?

Marcel K. betonte im Lauf der Befragung zum Erwürgen und Erdrosseln mehrfach: „Ich wusste in dem Moment gar nicht, was geschehen ist, und was ich getan habe.“ Doch trotz diesen Beteuerungen sagte er kein einziges Mal, dass es ihm leidtue. Auch Hornstein wies darauf hin, dass sich der Angeklagte bisher nie bei der Familie entschuldigt habe.

„Wenn man sowas macht, kann man nur drauf schließen, dass man bewusst dem Leben ein Ende setzen will“, sagte Hornstein zum Tatablauf. Der 22-Jährige wiederholte dennoch: „Ich habe die Fassung verloren, aber hatte keine Absicht.“

Obwohl die Rechtsmedizin laut Hornstein ein Hämatom im Gesicht von Sabrina P. festgestellt hatte, beharrte der Angeklagte darauf, sie niemals geschlagen zu haben. Das müsse beim Rausschleppen vom Wohnzimmer auf den Balkon passiert sein, sagte er.

Kerzen und Blumen an der Gedenkstätte für Sabrina P. kurz nach dem Fund ihrer Leiche im Januar.
Kerzen und Blumen an der Gedenkstätte für Sabrina P. kurz nach dem Fund ihrer Leiche im Januar. | Bild: Löffler, Ramona

Zweifel an Drogeneinfluss während der Tat

Der Anwalt der Schwester bezweifelte einige Aussagen des Angeklagten zum Thema Drogen. Die Prozessbeteiligten hatten den Verdacht, dass Drogenkonsum vorgeschoben sein könnte. Zudem sagte Zahner scharf, der Sohn werde eines Tages fragen, was passiert sei und wie sein Vater sich vor Gericht gezeigt habe.

Er führte außerdem an, der 22-Jährige habe in den Tagen nach der Tat wörtlich zu jemanden gesagt, er sei doch kein Mörder. „Die Familie sucht verzweifelt und Sie spielen dann auch noch den Besorgten“, warf er ihm vor.

Polizisten schildern Ermittlungen und Leichenfund

Ein Polizist berichtete, der Angeklagte habe ihm gesagt habe, er wisse nicht, wo Sabrina P. sein könnte. Und ein Kriminalhauptkommissar beschrieb, dass die Leiche so am Haus gelegen habe, dass man sie von den Balkonen aus nicht hätten sehen können und durch das Gebüsch nicht an die Stelle hätte gelangen können.

Ein Kriminalpolizist von der Kriminaltechnik ergänzte, die Leiche wäre auf dem flachen Vordach gelandet, wenn sie an einer anderen Stelle des L-förmigen Balkons hinunter geworfen worden wäre. Die Polizei sei nur mit Hilfe der Feuerwehr an die Stelle gelangt. Die Feuerwehr habe die Drehleiter über das Gebäude geschwenkt und eine Leiter nach unten gestellt.

Die Gedenkstätte für Sabrina P. kurz nach ihrem Tod.
Die Gedenkstätte für Sabrina P. kurz nach ihrem Tod. | Bild: Löffler, Ramona

Tote Katze in verklebtem Karton entsorgt

Neben Mord gibt es noch den zweiten Tatvorwurf der Tierquälerei: Denn das schwarz-weiße Kätzchen starb am Tag nach der Getöteten. Der Angeklagte erzählte zum Hergang, er habe das Tier zwei Mal getreten.

Die tote Katze wurde in einem fest verklebten Karton gefunden, der wiederum in einer Tüte auf dem Balkon gestanden hatte – davon und vom Tat- sowie Fundort wurden Fotos gezeigt.

Der zweite Prozesstag ist am Dienstag, 30. Mai, 9 Uhr, mit strenger Einlasskontrolle.

Die Gedenkstelle für Sabrina P. am Stadtwall im Mai 2023. Gras hat die verbleibenden Bilder, Engel, ausgebrannten Grablichter und einen ...
Die Gedenkstelle für Sabrina P. am Stadtwall im Mai 2023. Gras hat die verbleibenden Bilder, Engel, ausgebrannten Grablichter und einen Teddy umwachsen. | Bild: Löffler, Ramona

Alle Hintergründe des Falls zum Nachlesen