Seit zehn Jahren ist Beate Clot Schulleiterin des Schulverbunds Nellenburg – genauso lange sind Realschule und Werkrealschule in einem Gebäude vereint. Ihre Vorgänger Wolf-Dieter Karle (Hauptschule) und Manfred Kehlert (Realschule) hatten bis zu ihrem Abschied aus dem Berufsleben alles für den Verbund in die Wege geleitet, der am Freitag, 25. Juli, das Jubiläum feiert. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER berichtet Beate Clot vorab, wie der Schulalltag aussieht und welche Herausforderungen zu bewältigen sind.

An den Weg zum Schulverbund erinnert sie sich sehr gut. „Es war grandios, dass die Stadt uns so mitgenommen hat. Wir wurden von Anfang an informiert und angehört, unsere Meinung war echt wichtig. Es wurde nichts über unsere Köpfe hinweg entschieden – und das war wirklich nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der es schulpolitisch hoch herging und nach dem Regierungswechsel insgesamt eher Richtung Gemeinschaftsschule gedacht wurde“, führt sie aus.

Ein Weg mit vielen Herausforderungen

Heute haben sich die Abläufe längst etabliert, der Schulalltag funktioniert. Aber es gibt viel zu tun – vor allem für das Leitungsgespann, zu dem auch Clots Stellvertreter Jochen Schmid und Tina Sorga gehören. Beate Clot betont: „Neben der Realschule stemmen wir mit der Werkrealschule eine komplette weitere Schule mit all den Anforderungen, die in dieser besonderen Schulart drinstecken.“

Bis auf einen Jahrgang ist die Realschule vierzügig, in der Werkrealschule gibt es eine stabile Zweizügigkeit. Das spreche auf jeden Fall für die Entscheidung, einen Schulverbund zu haben, so Clot. Sie führt aus: „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren zwei Schulen und zwei Kollegien zusammengeführt. Schüler, Lehrer und Eltern zu dem Wir-Gefühl zusammenzubringen – das war eine große Herausforderung. Wenn man sagt: Ja, wir sind eine Schule, dann ist das im Großen und Ganzen jetzt der Fall.“

Großer Unterschied zu Gemeinschaftsschulen

Innerhalb des Schulverbundes laufen beide Schularten inhaltlich getrennt voneinander – das ist der große Unterschied zu Gemeinschaftsschulen. Alle Schüler der Werkrealschule sind bis zur neunten Klasse klassische Hauptschüler. Beate Clot erläutert, die Gesetzeslage sei so, dass Schüler der Klasse neun entscheiden könnten, ob sie nach neun Jahren den Hauptschulabschluss machen oder in Klasse 10 gehen und den Werkrealschulabschluss oder erst dann den Hauptschulabschluss machen.

„Neben der Realschule stemmen wir mit der Werkrealschule eine komplette weitere Schule mit all den Anforderungen, die in dieser ...
„Neben der Realschule stemmen wir mit der Werkrealschule eine komplette weitere Schule mit all den Anforderungen, die in dieser besonderen Schulart drinstecken“, sagt Schulleiterin Beate Clot. | Bild: Thomas Niedermueller

„Bei uns nehmen grundsätzlich alle Schüler am Hauptschulabschluss nach neun Jahren teil. Denen, die mehr wollen, bieten wir den mittleren Bildungsabschluss auf grundlegendem Niveau, also den Werkrealschulabschluss, an. Dafür melden sie sich neu an“, erklärt sie. Schüler, die den Hauptschulabschluss nicht geschafft haben, gehen ins Berufsschulzentrum und machen den Abschluss dann nach einem oder zwei Jahren.

Gute Hauptschüler können auf die Realschule wechseln und dort den klassischen Realschulabschluss, der offiziell mittlerer Bildungsabschluss auf mittlerem Niveau heißt, machen. Oder sie machen den Realschulabschluss in zwei Jahren am Berufsschulzentrum. Sie ergänzt, nur Baden-Württemberg vergebe den Werkrealabschluss. Dieser solle jedoch nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz künftig entfallen.

Diese Vorteile bietet der Schultyp

Der große Vorteil des Schulverbunds Nellenburg: „Hier haben wir eine Schule und ein Kollegium, das in beiden Bildungsgängen unterrichtet. Für Schüler wird ein Wechsel viel flacher als bislang. Sie kennen die Schulsozialarbeiter, die Schulleitung, sich untereinander“, zählt Beate Clot auf. Klar sei aber auch, dass ein unmotivierter Schüler, der deshalb die Leistung für die Realschule nicht bringe, auch an der Hauptschule nicht richtig ist. „Da müssen wir an der Motivation arbeiten. Dafür braucht es einen guten Austausch zwischen den Lehrern“, so Clot.

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In der Werkrealschule findet auch Inklusion statt. Die Leiterin sagt: „Wenn wir feststellen, dass ein Schüler inhaltlich nicht mitkommt, lassen wir ihn mit Einverständnis der Eltern testen. Sieht Daniela Hauhut, Rektorin der Goldäckerschule (Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Schwerpunkt Lernen) Förderbedarf im Bereich Lernen, wird über das Schulamt ein sogenannter Feststellungsbescheid erwirkt.“ Sobald dieser vorliege, habe der Schüler das Recht, zusätzliche Unterstützung in diesem Bereich zu bekommen.

In so einem Fall dürften die Eltern entscheiden, ob ihr Kind in ein SBBZ für Förderschwerpunkt Lernen geht, also die Schule wechselt, oder inklusiv beschult wird. Dann bleibe es in seiner Klasse und bekomme in der Werkrealschule Unterstützung eines Kollegen vom SBBZ.

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Der externe Lehrer arbeite punktuell und viel kleinschrittiger mit dem Schüler und informiere die Kollegen, was getan werden müsse. Ein solcher Schüler wird differenziert nach dem Bildungsplan des SBBZ unterrichtet, dementsprechend werden auch seine Zeugnisse und die Versetzung behandelt.

Studieren liegt weniger im Trend

Ein wichtiger Aspekt der Schule ist die Berufsorientierung. Sie umfasst eine Reihe von Angeboten und Veranstaltungen, die im Wesentlichen auf die individuelle Förderung jedes Schülers basierend auf festgestellten Kompetenzen, Potentialen und Interessen abzielt. Ziel ist, durch einen besonderen Realitätsbezug eine frühe Sensibilisierung für die schulische Weiterbildung oder eine Berufsausbildung zu erzielen.

Die große Chance, die in einer Ausbildung liege, werde laut Beate Clot auch von Realschülern immer mehr gesehen. Manche machten danach ihr Abitur, doch der große Hype, unbedingt studieren zu wollen, lasse nach. „Es dringt langsam durch, dass man nach einer Ausbildung gutes Geld verdienen kann“, erklärt Clot. Viele Realschüler gehen ins Berufskolleg 1 und 2 oder aufs berufsbildende Gymnasium.

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Auch in neun Jahren über die Realschule zum Abitur zu gehen, war und ist immer noch ein Thema. Der Schulverbund pflege enge Kontakte mit dem Berufsschulzentrum Stockach, so Clot. „Wir kooperieren bei der Berufsorientierung und unsere Schüler können dort hospitieren, um zu erfahren, wie der Oberstufenunterricht abläuft.“

Schulverbund ist einzigartig

Ihr Fazit zum Schulverbund ist positiv: „Hier kommt sehr viel zusammen, dennoch herrscht ein kurzer Draht. Wir wissen voneinander, das ist unser großer Vorteil. Die Hemmschwellen sind niedriger, die Wege kurz – auch für Eltern, die sich fragen, ob ihr Kind vielleicht doch falsch in der Schulart ist.“ Schüler könnten ganz unkompliziert in die andere Schulart reinschnuppern.

Alle außerschulischen Aktivitäten wie Arbeitsgruppen, Hausaufgabenbetreuung und Schulfest finden für alle Schüler des Schulverbundes gemeinsam statt. Obwohl es in Stockach so gut funktioniere, seien ihr keine Nachahmer in anderen Städten bekannt, sagt Beate Clot.