Weihnachten verbinden viele Menschen mit einer Zusammenkunft der Familie. Wie geht es ukrainischen Geflüchteten, die derzeit in und um Stockach leben, in dieser Zeit? Wie wird das Fest in ihrer Heimat gefeiert und werden sie trotz der vielen Sorgen hier ein paar besinnliche Feiertage erleben? Drei ukrainische Frauen erzählen: die zweifache Mutter Tetjana Panasiuk, die dreifache Mutter Natalia und die vierfache Mutter Tetjana Saenko. Der SÜDKURIER nennt den Nachnamen von Natalia nicht, um sie zu schützen. Da die Frauen nach wenigen Monaten im Land noch nicht fließend Deutsch sprechen, berichten sie auf Englisch von unterschiedlichen Daten fürs Weihnachtsfest, ihren Traditionen und Wunschzetteln.

Die Mütter basteln mit ihren Kindern

In Deutschland basteln die Frauen trotz ihrer Sorgen Papiersterne und andere Dekoration, um die Weihnachtszeit für ihre Kinder schön zu gestalten. Das Schmücken der Räume, Vorbereiten kleiner Geschenke und Zubereiten traditioneller Speisen wollen sie beibehalten. Die Kinder lernen auch traditionelle ukrainische Lieder.

Tetjana Panasiuk, die ihren Mann sehr vermisst, sieht in ihrer Situation auch etwas Positives: „Unsere deutschen Nachbarn zeigen uns ihre Tradition, zum Beispiel bei St. Martin. Und wir haben schon zusammen Plätzchen gebacken, diese Menschen sind einfach wundervoll. Vielleicht singen wir für sie am 6. Januar ein Lied und ich bereite Kutja zu.“ Kutja ist ein traditionelles Gericht.

Weihnachten an anderem Datum

Katholische und protestantische Christen in der Ukraine feiern Weihnachten nach dem gregorianischen Kalender wie in Deutschland am 25. Dezember. 2017 erklärte das ukrainische Parlament den 25. Dezember auch zum offiziellen Feiertag. Natalia feiert mit ihrer Familie schon immer an diesem Tag, weil ihre Verwandtschaft katholisch ist.

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Die beiden anderen Familien feiern als orthodoxe Christen am 7. Januar. Heiligabend ist für sie also am 6. Januar. Jeder Verwandte gibt dann jedem Kind ein Geschenk. In der Familie von Tetjana Panasiuk überreichen nur die Paten Geschenke an ihre Patenkinder.

Auch für Neujahr gibt es zwei Termine

Nach Weihnachten geht das Feiern weiter. Da Neujahr seit 1918 im ehemaligen Russischen Kaiserreich nach dem gregorianischen Kalender gefeiert wird, und dieser sich um 13 Tage vom orthodoxen, julianischen Kalender unterscheidet, gibt es ein interessantes Phänomen: Am 14. Januar wird zusätzlich das „alte neue Jahr“ gefeiert, also der 1. Januar nach dem julianischen Kalender. Für orthodoxe Gläubige beginnt somit das neue Jahr erst am 14. Januar.

Zwölf Schüssel stehen auf dem Tisch

Natalia erzählt, an Heiligabend gebe es ein traditionelles Essen mit der ganzen Verwandtschaft. Zwölf Schüsseln stehen dann auf dem Tisch, sie symbolisieren die zwölf Apostel. Weil Heiligabend der letzte Abend einer 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten ist, gibt es nur Gerichte ohne Fleisch und Milch, also Gemüse, Fisch, Pilze und gefüllte Teigtaschen.

Die wichtigste Speise ist Kutja. Der Brei wird aus gekochten Weizenkörnern, Honig, Rosinen und Nüssen, regional auch mit Reis statt Weizen, zubereitet und immer als erste Speise serviert. Jedes Familienmitglied isst davon, das soll zu Glück und Gesundheit verhelfen. Getrunken wird Uzvar, ein ukrainisches Nationalgetränk, das mit getrockneten Äpfeln, Birnen, Pflaumen und Rosinen, manchmal auch mit Himbeeren, Blaubeeren oder Erdbeeren zubereitet und mit Honig gesüßt wird.

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Gedenken an verstorbene Verwandte

Bei dieser Mahlzeit gedenken die Feiernden auch der verstorbenen Verwandten. Deshalb steht symbolisch ein leerer Teller mit Besteck am Fenster, sodass die Verstorbenen sich am Essen bedienen können. Unter der Tischdecke wird in manchen Regionen Heu ausgelegt, was an Jesus Geburt erinnern soll. Und an den Ecken des Tisches liegt Knoblauch, der für Gesundheit und Kraft sorgen soll.

An Weihnachten selbst wird nach dem Kirchgang wieder gemeinsam gegessen – mit Fleisch. Man verbringt Zeit mit der Familie, besucht später aber auch gerne die Nachbarn oder andere Verwandte. Je nach Region verkleiden sich die Kinder an einem der Tage als Sternsinger, besuchen Nachbarn und singen an der Tür Lieder für sie. Damit wünschen sie wiederum Glück und Gesundheit. Wie hierzulande üblich erhalten die Kinder dafür oft Süßigkeiten.

Wunschzettel und Anrufversuche in der Ukraine

Und welche Wünsche haben die Kinder? Bei Natalias Kindern sind es Spielsachen, die sie hier in den Geschäften sehen. Tetjana Saenko sagt, die älteren Kinder schrieben meist Wunschzettel.

Die Antwort von Tetjana Panasiuk geht ans Herz: Ihre kleine Tochter habe anfangs immer Fragen zum Krieg gehabt, das lasse jetzt etwas nach. „Aber meine Kinder vermissen ihren Vater sehr, außerdem auch Verwandte, Freunde und ihr Spielzeug. Sie sehnen sich zurück nach Hause.“ Täglich versuchten sie, mit ihrem Mann zu telefonieren, doch durch die andauernden Stromausfälle in der Ukraine sei das schwierig.

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Die Frauen erzählen, dass sie häufig mit den Verwandten Kontakt hätten. Die meisten Eltern seien dort geblieben, da sie außer der Landessprache und Russisch keine andere Sprache beherrschten. Sie wollten auch ihre mühsam gebauten Häuser nicht zurücklassen.

Trotz allem sei es wichtig, Weihnachten zu feiern, betont Tetjana Panasiuk: „Das Weihnachtsfest ist ein Zeichen der Hoffnung, eine magische Zeit, vor allem für Kinder. Wir brauchen in diesem Jahr viel mehr Hoffnung als sonst.“ Tetjana Saenko stimmt ihr zu und sagt: „Vielleicht feiern wir diesmal gleich zweimal Weihnachten.“