Das Seefest in Ludwigshafen soll bei Besuchern eigentlich für Spaß und gute Laune sorgen. Für zwei Gruppen junger Erwachsener endete es am 21. August 2022 jedoch ganz anders: mit einer Schlägerei. Zwei Mitglieder der einen Gruppe werden verletzt, ein 19- und ein 20-Jähriger aus der anderen Gruppen landen zehn Monate später auf der Anklagebank des Stockacher Amtsgerichts.
Laut Anklage sollen sich die beiden Gruppen auf dem Heimweg vom Fest in der Nähe des Ludwigshafener Bahnhofs begegnet sein. Die Gruppe der Angeklagten, insgesamt drei oder vier Personen, und die der Geschädigten, insgesamt sieben oder acht Personen, gerieten in Streit. Dabei soll der 20-jährige Angeklagte einem Geschädigten mehrfach ins Gesicht geschlagen haben.
Der zweite Angeklagte soll einem anderen Opfer sogar ins Gesicht getreten haben, wodurch dieser eine heftige Wunde erlitt, weil unter anderem die Oberlippe von den Zähnen durchbissen wurde. Die Anklage lautete daher: Körperverletzung.
Angeklagte sehen sich selbst als Opfer
Doch die beiden Angeklagten bestritten vor Gericht den Vorwurf. Sie sagten, die Aggressionen seien von der anderen Gruppe ausgegangen. Der 20-jährige Angeklagte sei geschubst und attackiert worden und habe sich mit den Schlägen nur verteidigt.
Sein jüngerer Freund sagte aus, er selbst sei zunächst am Hals gepackt und gewürgt worden. Dann seien er und sein Angreifer, der mutmaßliche zweite Geschädigte, zu Boden gegangen, wo dieser auf ihm draufgelegen und ihn runtergedrückt habe. Dabei er sich gewehrt und versucht, sich zu befreien. Möglicherweise würden die Verletzungen an der Lippe seines Gegners daher stammen, an einen gezielten Tritt könne er sich allerdings nicht erinnern.
Von wem gingen die Provokationen aus?
Die Zeugen der Gegenpartei, darunter einer der Geschädigten sowie dessen Freunde, die bei dem Vorfall dabei waren, schilderten die Situation grundsätzlich anders: Provokation und Aggression seien von den Angeklagten ausgegangen. Diese hätten zunächst ein Mädchen der Gruppe beleidigt.
Als es anschließend eine Diskussion um die Rapmusik gab, die die Angeklagten über eine Box abspielten, seien diese aggressiv geworden und hätten einen jungen Mann geschlagen. Als dessen Freunde dazwischen gehen wollten, sei die Situation eskaliert. Einige seien in einer Rangelei zu Boden gegangen und es habe den Tritt ins Gesicht gegeben.
Zeugen widersprechen sich teils deutlich
Allerdings stimmten sie in den Details ihrer Aussagen nicht überein. Es blieb offen, welcher der Angeklagten mit welchem Geschädigten eine Auseinandersetzung hatte und wer den Tritt abgegeben haben soll. Auch stimmten ihre Aussagen jeweils nicht mehr genau mit dem überein, was sie vor etwa einem Jahr bei der Polizei ausgesagt hatten. Und ein 18-jähriger Zeuge merkte sogar an, dass auch von der eigenen Gruppe Provokationen wegen der Musik ausgegangen seien.
Was sich in dieser zunächst so fröhlichen und später aggressiven Augustnacht tatsächlich abgespielt hat, blieb vor Gericht daher relativ vage. Sowohl der Staatsanwaltschaft, den beiden Verteidigern als auch Richterin Rebecca Jenike fiel es immer wieder schwer, den teils chaotischen und widersprüchlichen Aussagen der verschiedenen Zeugen zu folgen und die Nacht zu rekonstruieren.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung fordern Freispruch
Zudem merkten die beiden Verteidiger an, dass die Polizei damals nur die Aussagen der Geschädigten aufgenommen habe und schnell von einer Täter- und einer Opfergruppe ausgegangen sei bei den Ermittlungen. Tatsächlich stelle sich der Vorfall aber eher als „übliche Schlägerei“ unter Jugendlichen dar, bei beide Seite provozierten und die Situation so eskaliere.
Die Verteidiger forderten daher einen Freispruch für ihre Angeklagten, die laut Jugendgerichtshilfe keine „klassischen Schläger“ und bislang kaum auffällig gewesen seien. Auch die Staatsanwaltschaft forderte einen Freispruch, da weder die Schläge des 20-jährigen noch der mutmaßliche Tritt des 19-jährigen Angeklagten eindeutig nachweisbar seien.
Richterin Rebecca Jenike folgte der Argumentation und sprach die beiden frei. Ein Zivilprozess, in dem es um mögliche Schmerzensgeldansprüche geht, läuft allerdings noch weiter.