Sie ist ein Überbleibsel aus der Zeit, in der Stockach seine Ortsteile dazubekommen hat: die unechte Teilortswahl. Sie garantiert den Ortsteilen eine feste Vertretung im Gemeinderat entsprechend ihrer Einwohnerzahl. In einigen Kommunen wurde das Prinzip inzwischen abgeschafft, doch der Stockacher Gemeinderat hat sich bisher mehrfach mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dieses Prinzip beizubehalten, wie aus den Sitzungsunterlagen des Gremiums hervorgeht.
Im kommenden Jahr wird gewählt
Sie wird also auch der Kommunalwahl zugrunde liegen, die im kommenden Jahr ansteht. Nachdem Stockach dieses Jahr schon einen neuen Bürgermeister bekommt, wird 2024 auch noch ein neuer Gemeinderat gewählt.
Aufgrund der Einwohnerentwicklung musste der aktuelle Gemeinderat aber bei der Sitzverteilung nachjustieren: Die Stadt sei verpflichtet, vor jeder Kommunalwahl die Sitzverteilung auf die Wohnbezirke im Verhältnis zur Einwohnerzahl zu ermitteln, erläuterte Hauptamtsleiter Hubert Walk. Falls dabei gravierende Über- oder Unterrepräsentanzen deutlich werden, müsse das ausgeglichen werden.
Schlimmstenfalls droht eine Neuwahl
Im schlimmsten Fall könne es sonst dazu kommen, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) die Kommunalwahl aufhebt und somit neu gewählt werden muss. „Die Schwierigkeit ist, dass gerade die kleineren Ortsteile schon mit einem einzigen Sitz überrepräsentiert sind“, so Walk. Wenn das oberste Ziel jedoch sei, dass jeder Ort mit einem Sitz im Gemeinderat repräsentiert ist, dann müsse man solche Überrepräsentanzen in Kauf nehmen.
Problematischer sind aus Sicht der Verwaltung Unterrepräsentanzen, die entstehen, wenn ein Ortsteil mit weniger Sitzen im Gemeinderat vertreten ist, als ihm nach seiner Einwohnerzahl zustehen würden.
Winterspüren ist stark unterrepräsentiert
Am dramatischsten ist das bei Winterspüren der Fall. Laut Berechnungen der Stadtverwaltung liegt hier eine Unterrepräsentation von 32 Prozent vor. Diese lässt sich nur ausgleichen durch einen zusätzlichen Sitz für den Ort. Trotzdem soll das Gremium nicht wachsen.
Der Vorschlag von Bürgermeister Rainer Stolz: „Stockach und Hindelwangen geben einen gemeinsamen Sitz zugunsten von Winterspüren ab. Damit ist die größte Unwucht beseitigt.“ Hubert Walk fügt hinzu: „Wir glauben, dass wir mit dieser Argumentationslinie im Zweifel auch vor Gericht bestehen könnten.“
Davon ist auch der Hindelwanger Ortsvorsteher und Stadtrat Wolf-Dieter Karle (FWV) überzeugt. „Vor Gericht weiß man zwar nie, was passiert, aber ich denke, es wird eher geklagt bei einer Unterrepräsentation statt bei einer Überrepräsentation.“
Michael Junginger (CDU), Stadtrat und Ortsvorsteher von Zizenhausen, erklärte, dass die Formulierung im Vorlagentext, die Ortsteile würden sich nicht als eins sehen, in der städtischen Gemeinschaft so nicht stimme. „Das kann ich nicht unterschreiben“, betonte er.
Das bestätigt auch Jürgen Kragler (CDU). „Wir in Winterspüren hatten nie das Gefühl, unterrepräsentiert zu sein, und die Ortsteile haben auch immer Gehör im Gemeinderat gefunden. Trotzdem ist die Repräsentation im Gemeinderat ein hohes Gut“, betont er.
Wolfgang Reuther (CDU) erinnerte daran, dass trotzdem oft aus den Ortsteilen der Vorwurf komme, dass sie in der Stadt nicht gehört würden. „Dieser Beschluss zeigt eindeutig, dass dem nicht so ist.“ Denn in manchen Fragen könne der eine Sitz, den Kernstadt und Hindelwangen zugunsten von Winterspüren abgeben, durchaus entscheidend sein.
Der Gemeinderat entschied am Ende einstimmig, dem Wohnbezirk Winterspüren den zusätzlichen Sitz zuzusprechen, den die Kernstadt und Hindelwangen abgeben, und folgte damit dem Vorschlag der Verwaltung.
Was der Beschluss bedeutet
Aber bedeutet dieser Beschluss des Gemeinderats tatsächlich, dass die Ortsteile mehr Macht im Verhältnis zur Kernstadt bekommen? Die Stadtverwaltung verweist in der Sitzungsvorlage darauf, dass „ein gewählter Stadtrat eines Ortsteiles nicht nur Ortsteilinteressen zu vertreten hat, sondern Verantwortung für die Gesamtstadt trägt“.