Das Urteil im Fall der getöteten Sabrina P., welches das Landgericht Konstanz am 12. Juni gefällt hat, hat viele Prozessbeobachter überrascht. Rechtskräftig ist es indes noch nicht, denn schon am Tag nach der Urteilsverkündung wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft ein Antrag auf Revision gestellt.

Auch Rechtsanwalt Gerhard Zahner, der die Schwester von Sabrina P. als Nebenklägerin vertritt, hatte unmittelbar nach der Urteilsverkündung gegenüber der Presse angekündigt, das Urteil durch den Bundesgerichtshof (BGH) prüfen lassen zu wollen.

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Gleich zwei Anträge auf Revision

Damit liegen dem Landgericht Konstanz gleich zwei Anträge auf Revision vor. Das bestätigt Mirja Poenig, die Pressesprecherin des Landgerichts auf Nachfrage des SÜDKURIER. Andreas Mathy, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz, erklärt zum Grund für den Antrag: „Wir wollen nicht ohne Weiteres hinnehmen, dass das Urteil nur auf Totschlag und nicht auf Mord lautet.“

Der Angeklagte Marcel K. beim Prozessauftakt auf dem Weg zu seinem Platz im Gerichtssaal des Landgerichts Konstanz.
Der Angeklagte Marcel K. beim Prozessauftakt auf dem Weg zu seinem Platz im Gerichtssaal des Landgerichts Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Schriftliches Urteil steht noch aus

Allerdings warte man derzeit noch auf den Eingang des schriftlichen Urteils. „Wenn dieses vorliegt, werden wir nochmal genau prüfen, ob aus unserer Sicht Rechtsfehler vorliegen.“ Insbesondere gehe es dabei um Verletzungen des materiellen Strafrechts. Konkret ist die Frage also, ob der Sachverhalt rechtlich fehlerhaft gewürdigt wurde oder eine fehlerhafte Strafzumessung erfolgt ist.

„Sollten wir nach der genaueren Prüfung des Urteils zu dem Schluss kommen, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg hätte, dann werden wir den Antrag gegebenenfalls wieder zurückziehen“, macht Mathy deutlich.

Unter einem Baum am Stockacher Stadtwall wurden zum Gedenken an die im Januar 2023 getötete Sabrina P. verschiedene Gegenstände ...
Unter einem Baum am Stockacher Stadtwall wurden zum Gedenken an die im Januar 2023 getötete Sabrina P. verschiedene Gegenstände abgelegt. So sieht die Gedenkstätte im Juni 2023 aus. | Bild: Milena Erni

Bis das schriftliche Urteil bei der Staatsanwaltschaft eingeht, könne es unter Umständen mehrere Wochen dauern, erklärt Mathy. Nach dessen Eingang habe die Staatsanwaltschaft dann einen Monat Zeit, um den Revisionsantrag hinreichend zu begründen.

Das Urteil wird erstmal nicht rechtskräftig

Doch was bedeutet das nun für den Fall? Zunächst einmal ist das Urteil, welches das Landgericht Konstanz gefällt hat, damit noch nicht rechtskräftig werden, erklärt Poenig. Das bedeutet aber nicht, dass der Angeklagte wieder auf freien Fuß kommt. Formal sitzt Marcel K. weiterhin in Untersuchungshaft.

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Wenn das Urteil, dass die vierte Strafkammer des Landgerichts fällte, tatsächlich zur Prüfung an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe geht, dann geht es dabei nicht darum, dort nochmals die tatsächlichen Umstände der Tat zu untersuchen, etwa durch eine weitere Beweisaufnahme. Sondern es wird lediglich das Urteil des Landgerichts darauf überprüft, ob es Rechtsfehler gibt, erklärt Poenig.

Der BGH fällt auch kein neues Urteil, sondern könnte lediglich das Konstanzer Urteil ganz oder in Teilen aufheben und den Fall an das Landgericht zurückverweisen.

Das passiert nach einer BGH-Entscheidung

Dann könnte es unter Umständen sogar sein, dass der Prozess am Landgericht von einer anderen Strafkammer nochmals neu aufgerollt werden muss. Genaueres hierzu könne man allerdings erst sagen, wenn eine Entscheidung des BGH vorliege.

Wie lange das Verfahren beim BGH dauert, dazu kann Poenig keine Aussage treffen. „Man kann allerdings davon ausgehen, dass es ein beschleunigtes Verfahren geben wird. Das ist bei Haftsachen der Regelfall“, erklärt sie.

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Rechtsanwalt Henning Stutz, der den Angeklagten Marcel K. im Strafverfahren verteidigt und auf eine Verurteilung wegen Totschlags mit einer Freiheitsstrafe unter zehn Jahren plädiert hatte, ist nicht davon überrascht, dass der Fall in Revision geht. Er zeigt sich im Gespräch mit dem SÜDKURIER dennoch zuversichtlich, dass das Urteil vor dem BGH bestand haben wird.

„Eigentlich gibt es nur Verlierer“

Er selbst habe keine Rechtsmittel in Betracht gezogen. Die Verurteilung seines Mandanten zu 13 Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags hält er für angemessen, auch wenn er eine einstellige Freiheitsstrafe gefordert hatte.

„Damit, dass wir auf Revision verzichten, wollen wir auch zeigen, dass Marcel K. die Verantwortung für seine Tat übernimmt“, erklärt Stutz. Dennoch steht für den Strafverteidiger fest: „In dieser tragischen Geschichte gibt es eigentlich nur Verlierer.“

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