In Stockach gibt es zwei Tattoo-Studios, die nun, zusätzlich zu den Corona-bedingten Einschränkungen, durch das Verbot vieler Farben in Bedrängnis geraten. Für Andy Schneider, der seit 2015 im Cry Later Tattoo & Piercing Studio tätowiert und pierct, sowie Salome und Joachim Dierking, die im Tough Enough mit verschiedenen Gasttätowierern zusammenarbeiten, ist die Situation schwierig. Kundenanfragen sind da, doch für farbige Tattoos müssen die Kunden aktuell vertröstet werden.

Arbeitet seit 2015 im Cry Later Tattoo & Piercing Studio und hat derzeit alles andere als Auftragsmangel: Andy Schneider.
Arbeitet seit 2015 im Cry Later Tattoo & Piercing Studio und hat derzeit alles andere als Auftragsmangel: Andy Schneider.

Seit Anfang Januar unterliegen in der Europäischen Union viele Chemikalien in Tattoo-Farben den Beschränkungen durch die sogenannte REACH-Verordnung. Auf der Bannliste stehen Tausende Substanzen, von denen viele aus Sicht der EU potenziell gefährlich oder nicht ausreichend erforscht sind. Ziel der Verordnung soll nicht das grundsätzliche Verbot von Tätowierungen sein. Nach Aussagen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) geht es darum, Tätowierfarben und Permanent-make-Up sicherer zu machen.

Kein Urlaub, weniger häufig in die Kneipe: „Die Leute haben jetzt Geld“

Andy Schneider erzählt, er tätowiere viel in Schwarz und Grau, daher treffe ihn das Verbot nicht so sehr. „Meine Kunden kommen auch aus der Schweiz und aus Stuttgart. Ich habe ein zweites Studio in Überlingen und letztes Jahr recht gut durchgearbeitet.“ Einen oder zwei Kunden schaffe er am Tag, oft gebe es Tagessitzungen über fünf bis sieben Stunden.

„Die Leute haben jetzt Geld, um sich tätowieren zu lassen. Sie waren nicht im Urlaub und konnten abends nicht weg“, sagt er. Im Schnitt seien seine Kunden 30 bis 40 Jahre alt, die älteste Dame war sogar 85. Er tätowiere Jugendliche ab 16 Jahren mit Einverständnis der Eltern und nur an nicht-offensichtlichen Stellen.

Großes Einzugsgebiet

Auch das Studio Tough Enough hat ein großes Einzugsgebiet. Salome Dierking erzählt: „Wir haben einen sehr großen Stammkundenbereich bis Offenburg, Rottweil und Ravensburg.“ Jeder Tätowierer habe seinen eigenen Stil, daher sehe sie auch kein Konkurrenzproblem in Stockach. Der Ungar Gabor Kovacz tätowiert seit 2009 und ist seit einigen Jahren regelmäßig im Tough Enough.

Das Studio gehörte bis zum Sommer letzten Jahres einem Freund der Dierkings. Als dieser es abgeben wollte und Salome Dierking das Tätowieren mehr und mehr für sich entdeckte, verkauften sie Auto und Motorrad und übernahmen das Studio, in dem auch andere Gasttätowierer ihre Künste anbieten.

Tätowierer ist kein anerkannter Lehrberuf. Man lernt die Arbeitsweise in einem Studio und übt am eigenen Körper, auf Kunst- oder Tierhäuten. Andy Schneider kritisiert, es gebe inzwischen überall Studios, egal, ob die Betreiber tätowieren könnten oder nicht. Oft beschäftigten sie Gasttätowierer ohne Deutsch-Kenntnisse, das sei ein großes Problem – vor allem bei der genauen Umsetzung des Wunschmotivs.

Zuerst gibt es ein Aufklärungsgespräch

Bei ihm stehe an erster Stelle ein Aufklärungsgespräch und das Ausfüllen eines Anamnesebogens. Dann folge die Beratung. „Viele Chefs wollen keine Tattoos, also ab der T-Shirt-Grenze nichts Sichtbares mehr. Im Gesicht finde ich es kritisch, denn ein Tattoo bleibt ein Leben lang. Oft ist eine Tätowierung eine Kurzschlussentscheidung, doch es muss alles gut überlegt sein.“ Nach dem Leitspruch „Hals und Hände kommen am Ende“ mache er erste Tattoos gerne an nicht-offensichtlichen Stellen. „Junge Erwachsene wollen aber mittlerweile Hände, Hals und Unterarm tätowieren lassen, um ihre Tattoos zur Schau zu stellen.“

Auch im Tough Enough beginnt die Arbeit mit einem Gespräch. „Beim eigentlichen Termin wird noch mal nachgefragt. Wenn der Kunde nicht sicher ist, raten wir, es lieber zu lassen und nochmal darüber nachzudenken“, sagt Joachim Dierking. Bei Jugendlichen ab 16 Jahren bestehen sie darauf, dass ein Elternteil dabei ist.

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Die Gründe für ein Tattoo sind sehr unterschiedlich. Viele Kunden halten damit Erinnerungen fest, manche finden Bilder toll und wollen mit ihrer Körperzeichnung etwas ausdrücken. Die Kunden bringen Bilder aus dem Internet mit oder auch Fotos. Andy Schneider erstellt die Motive digital, Gabor Kovacz zeichnet auf Papier oder am Computer. Diese Vorlage wird auf die Haut übertragen. Er gehe beim Tätowieren wie ein Drucker vor, beschreibt er. Er fängt unten mit dem Motiv an und arbeitet sich hoch. Man müsse immer den Muskelverlauf beachten, sonst sehe das Tattoo nachher verzogen aus, sagt Joachim Dierking.

Andy Schneider betont, Erfahrung sei das A und O. „Es ist ein Beruf, wo man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen kann. Die Techniken gehen weiter. Tattoos sind heute teilweise von Fotos gar nicht mehr zu unterscheiden.“ Nach dem Stechen legt er Folie auf, unter der die Haut gut verheilen kann. Die Farbe werde mit ganz feinen Nadeln in die zweite Hautschicht eingebracht, erklärt Gabor Kovacz. Auch er rät zu einer speziellen Heilfolie zum Schutz vor Bakterien, Keimen und Wasser.

Schwarz-weiße Tattoos lägen im Trend, das sei gerade ein Vorteil, so Joachim Dierking. Neue bunte Farben seien für sie noch nicht erhältlich. „Die alten Farben haben wir jahrzehntelang benutzt und hatten kaum Probleme. Wir wissen nicht, wie die neuen Farben sein werden, wenn sich die Pigmente verändern.“

Übrigens: Ob Männer oder Frauen schmerzempfindlicher sind, lässt sich nicht beantworten. Es komme auf die Körperstelle an, sagen alle Beteiligten. Unangenehm sei das Stechen beispielsweise an der Armunterseite innen, auf dem Fußrücken, an Gelenken, entlang der Wirbelsäule und generell dort, wo Knochen direkt unter der Haut liegen.