Mit der Musikreihe „CantatenZeit“ feierten mehrere Stockacher Ensembles ihre Rückkehr in ein Stückchen Normalbetrieb. „Ich hatte viel Bekümmernis“, so lautet der Titel der Kantate von Johann Sebastian Bach, Bachwerkeverzeichnis (BWV) 21, die die Musiker am Sonntag in der Evangelischen Melanchthon-Kirche ihren Zuhörern präsentierten.
Unter der Leitung von Stefan Gräsle, Musiklehrer am Nellenburg-Gymnasium Stockach, konzertierten das Hegau-Bodensee-Orchester, der Kammerchor Stockach und die Nellenburg-Kantorei gemeinsam mit den Solisten Lena Maria Kosack mit metallisch-klarem Sopran und Tarek El Barbari mit erdig-seriösem Bass.
Titel passt zur heutigen Zeit
Mit dem Titel der Bach-Kantate dürften sich in diesen Corona-Zeiten, deren Ende wohl alle herbeisehnen, viele Menschen identifizieren. So war Stefan Gräsle die Wahl dieser Kantate nicht schwergefallen, nachdem er die Entscheidung getroffen hatte, Bach-Kantaten musikalisch zu realisieren. Er sah die „CantatenZeit“ als Auftakt in den Neustart kultureller Veranstaltungen.
Manchmal, so beschreibt Stefan Gräsle, brauche es einen Impuls, um gewisse Dinge wieder ins Rollen zu bringen. Im Falle des Kammerchors Stockach sei es das Programm Impuls gewesen. Dieses hatte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von „Neustart Kultur“ zusammen mit dem Bundesmusikverband Chor und Orchester (BMCO) auf den Weg gebracht.
Impuls zeigt Wirkung
Und in diesem Fall ist auch der Name Programm. Denn einen solchen Impuls, der eine kaum zu bremsende Motivation, Sanges- und Spielfreude, sowie künstlerisch-kreative Lust am musikalischen Gestalten lostrat, dürfte die Stadt Stockach selten gesehen haben. Und dies, obwohl die Probenzeit mehr als kurz war, denn die erste Präsenzprobe hatte erst Mitte Juni dieses Jahres stattgefunden. So manch gemeinsame Probe aller Ensembles war erst nach den Sommerferien im September.
Die große Not des lyrischen Ichs wird in der Kantate BWV 21 durch Dissonanzen, also schräge Akkorde und sich reibende Klänge dargestellt. Diese verwandeln sich jedoch innerhalb der Kantate und am Ende lösen sie sich in Zuversicht und im Vertrauen auf Gott auf.
Zuhörer werden in Stücke eingeführt
Es war Stefan Gräsle offenbar sehr wichtig, dass die Zuhörer diesen Inhalt und die Absicht dieser Bach-Kantate verstehen. Denn bevor das Werk zur Aufführung kam, gab er, unter Zuhilfenahme einzelner Stimmgruppen oder Arienpassagen, dem Publikum eine kleine musiktheoretische Einführung.
So dürfte es schließlich jedem Zuhörer möglich gewesen sein, die Seufzermotive und die emotionale Bewegtheit zu spüren. Und auch die fröhliche Hinwendung zur Gewissheit, eines Tages von Gott errettet zu werden wurde mit strahlenden Trompetenklängen von Benedikt Hubov und Alexander Muffler in Szene gesetzt.
Kleine Aufgaben für das Publikum
Auch die kleine von Gräsle gestellte Höraufgabe, den irgendwo in die Komposition eingebetteten Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, zu entdecken, dürfte wohl schließlich ein Jeder im Publikum gelöst haben.
Aufbrandender Applaus nach einer Schweigeminute am Ende des Werkes zeigte deutlich, dass das Publikum von dem einzigartigen Konzert begeistert war. Man sah in lächelnde Gesichter, man sah auch Freudentränen.
Und auch Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz äußerte lobende Worte zur für ihn unglaublich beeindruckenden und bewegenden Aufführung: „Es wurde hier mit Leidenschaft und Freude musiziert. Und es war eine sehr stimmige Interpretation des Chorwerks. Klasse, dass die Kirche für die Aufführung genutzt werden konnte.“