Was Umweltschützer zum Jubeln bringt, sorgt zeitgleich für Sorgenfalten bei Bauwilligen und Kommunalverwaltungen. Denn ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sorgt jetzt dafür, dass es erhebliche Unsicherheiten beim Baurecht gibt.
Konkret geht es dabei um den Paragraphen 13b des Baugesetzbuchs. Dieser hat es bislang ermöglicht, Neubaugebiete mit einer Größe von weniger als 10.000 Quadratmetern im direkten Anschluss an geschlossene Ortschaften in einem beschleunigten Verfahren einzurichten, ohne dass vorab eine große Umweltprüfung oder Ausgleichsmaßnahmen nötig sind.
Klage von Umweltschützern hat Folgen im ganzen Land
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat nun aber im Rahmen einer Normenkontrollklage des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) einen Bebauungsplan der Gemeinde Gaiberg bei Heidelberg für unwirksam erklärt, da dieser aus Sicht des Gerichts gegen europäisches Recht verstößt. Das hat Konsequenzen für alle Bebauungsplanverfahren, die nach diesem Paragraphen angestoßen wurden.
Verfahren nach Paragraph 13b konnten bis Ende 2022 eingeleitet werden und sollten eigentlich noch bis Ende 2024 abgeschlossen werden können. Das Urteil schiebt dem nun einen Riegel vor – und das hat auch erhebliche Auswirkungen auf Bauwillige im Raum Stockach.
Denn auch die Stadt Stockach und die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft haben in der Vergangenheit auf Grundlage dieses Paragraphen Bebauungspläne erstellt. Einige der Verfahren laufen aktuell noch. Oder vielmehr: Sie liegen jetzt zum Teil erstmal auf Eis, bis eine Urteilsbegründung vorliegt.

Das sind die Auswirkungen in Stockach
Die Stadt Stockach hat mehrere Bebauungspläne nach Paragraph 13b aufgestellt, einige der Verfahren laufen derzeit noch, wie Bauamtsleiter Lars Heinzl in der letzten Sitzung des Gemeinderats vor den Sommerferien erklärte. Laut ihm sind vier beschlossene Bebauungsplanverfahren vom neuen Urteil betroffen: Burghalde 3. Änderung und Erweiterung, Schlosswiese Espasingen und Schlosswiese, 1. Änderung in Espasingen sowie der Bebauungsplan Aspenweg in Seelfingen.
Weitere fünf betroffene Bebauungspläne sind in Planung. Dabei handelt es sich um Unteres Briel in Raithaslach, Kai Espasingen, Lichtberg III in Winterspüren, Sennhofösch Zizenhausen und Oberer Schwärzbach in der Kernstadt. „Im Moment wissen wir noch nicht, wie sich das Urteil auswirken wird. Bereits genehmigte oder gebaute Gebäude sind jedenfalls nicht davon betroffen. Ansonsten muss die Urteilsbegründung abgewartet werden“, erklärt Heinzl.
In Hohenfels sind die Pläne schon länger gültig
In Hohenfels wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls einige Bebauungsplanverfahren nach Paragraph 13b angestoßen. „Lediglich zwei davon wurden in Gänze umgesetzt und sind seit mindestens einem Jahr bestandskräftig“, erklärt Bürgermeister Florian Zindeler. Andere Verfahren wurden zum Teil wieder eingestellt, weil Grundstückseigentümer am Ende doch nicht verkaufen wollten. „Die Auswirkungen des Urteils betreffen uns also voraussichtlich nicht, weil unsere so aufgestellten Bebauungspläne schon lange gültig sind“, so Zindeler.

Seiner ersten Einschätzung nach müssen die Familien, die dort bauen, sich daher auch keine Sorgen machen, dass im Nachhinein noch baurechtliche Probleme auf sie zukommen.
Mühlingen kann sich zurücklehnen
„Aktuell haben wir keine 13b-Verfahren in der Planung oder in den Verfahren“, schreibt Bürgermeister Thorsten Scigliano auf Nachfrage des SÜDKURIER. Da das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht komplett kommentiert wurde und noch viele Fragen offen seien, habe man sich in der Mühlinger Gemeindeverwaltung noch nicht in die Tiefe damit beschäftigt.
Rechtliche Prüfung in Bodman-Ludwigshafen
In Bodman-Ludwigshafen ist insbesondere das Bebauungsplanverfahren Schiltbühl II im Norden von Ludwigshafen betroffen, erklärt Bürgermeister Christoph Stolz. „Bei diesem Bebauungsplan haben wir umfangreiche umweltbezogene Unterlagen erstellen lassen, die unserer Meinung nach die Anforderungen an eine Umweltprüfung auch erfüllen.“ Der Bebauungsplan sei zwar in Kraft, allerdings sei mit der Erschließung noch nicht begonnen worden. Deshalb wolle die Gemeinde vor weiteren Schritten abwarten, wie es mit dem Urteil weitergeht.
Daneben wurden Aufstellungsbeschlüsse im Verfahren nach Paragraph 13b BauGB für die Bebauungspläne An der Bergstraße in Ludwigshafen und Kapellenäcker II gefasst. „In die weiteren Verfahrensschritte sind wir hier aber noch nicht eingestiegen, was auch von der weiteren Entwicklung abhängen wird. In jedem Fall werden wir natürlich keine Schritte unternehmen, bei denen wir annehmen müssen, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen, und brauchen daher schnell Klarheit, ob/wie es in diesen Verfahren weitergehen kann und darf“, macht Stolz klar.

Da sich der Gemeinderat im Verfahren Schiltbühl II bewusst dazu entschieden habe, trotz des beschleunigten Verfahrens umfangreiche Umweltprüfungen vorzunehmen, lasse sich die Gemeinde rechtlich beraten, ob und inwiefern dieser Bebauungsplan unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Urteilsbegründung in ein rechtskonformes Verfahren überführt werden kann. „Wir begeben uns also nun in eine rechtliche Prüfung der Urteilsbegründung und werden nach Abschluss dieser Prüfung im Gemeinderat über das weitere Vorgehen beraten und entscheiden“, so Stolz.
Für den Bürgermeister stellt sich angesichts der Vielzahl der betroffenen Verfahren auch auf Bundesebene die Frage, inwiefern eine mit EU-Recht übereinstimmende Nachfolgeregelung zum Paragraph 13b BauGB erlassen werden kann, welche die Bemühungen der Kommunen, Wohnraum zu schaffen, unterstützt.
Unklarheit in Eigeltingen und Orsingen-Nenzingen
Sowohl Bürgermeister Alois Fritschi aus Eigeltingen wie auch sein Amtskollege Stefan Keil aus Orsingen-Nenzingen wollten auf Nachfrage des SÜDKURIER keine genaueren Angaben zu möglicherweise betroffenen Bebauungsplänen in ihren Gemeinden machen. „Wir warten gespannt auf die Begründung, aus der wir dann hoffentlich das weitere Vorgehen ableiten können. Deshalb kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, ob und wenn ja welche Konsequenzen es für die Gemeinde und Bauwilligen hat“, so Keil. Alois Fritschi verweist ebenfalls darauf, dass die rechtlichen Fragen bezüglich der Konsequenzen gerade geprüft würden und erklärt: „Im November oder Dezember können wir vielleicht mehr dazu sagen.“