Mit der Wartezeit stieg die Vorfreude: Bürgermeister Rainer Stolz, die Stockacher Gastgeber, die Stadtmusik und die Nellis vom Nellenburg-Gymnasium mussten sich beim Festwochenende anlässlich 50 Jahren Städtepartnerschaft in Geduld üben, denn die zwei Busse aus der französischen Partnerstadt La Roche sur Foron kamen am Samstag gut eine Stunde später an als erwartet. Nach Begrüßung, Musik und Tanz stärkten sich dann aber alle in der Mensa.

Goldenes Buch, Stadtführung, Ausstellung

Beim Festakt in der Jahnhalle trugen sich beide Bürgermeister vor den Augen der knapp 300 Anwesenden ins Goldene Buch der Stadt ein. Die Erneuerung der Städtepartnerschaft mit Unterzeichnung der Urkunde hatte bereits im April in La Roche stattgefunden. Die Urkunde wurde im Saal auf einer Staffelei ausgestellt.

Nachmittags konnten die Teilnehmer zwischen einem Spaziergang auf dem 1000-Quellenweg, einer Stadtführung oder einem Einblick ins Narrenstüble des Stockacher Narrengerichts wählen. Außerdem war ein Abstecher zur Ausstellung „Kunst und Kurioses“ im Stadtmuseum möglich. Dank 60 von der Bürgerstiftung Stockach gesponserter Tour-Guides waren die Ansagen bei den Führungen gut verständlich.

Nach dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt: Bürgermeister Rainer Stolz, Bürgermeister Pierrick Ducimetière und Andreas Jung (von links) ...
Nach dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt: Bürgermeister Rainer Stolz, Bürgermeister Pierrick Ducimetière und Andreas Jung (von links) genossen den Festakt anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft mit La Roche sur Foron in der Jahnhalle. | Bild: Claudia Ladwig

Festreden mit Übersetzung

Gegen 18.20 Uhr startete der Festakt in der liebevoll dekorierten Halle. Auf einer großen Leinwand wurden die Reden übersetzt von Martine Lorenz und Iris Silvestre-Baron angezeigt. Bürgermeister Rainer Stolz ging auf die Geschichte der vergangenen 100 Jahre ein. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sagte er: „Man könnte meinen, die Menschheit lerne nichts aus der Geschichte.“ Auch heute bestehe die Neigung, instabile Strukturen mit Gewalt neu ordnen zu wollen. Umso wichtiger sei das Wissen, dass die freundschaftliche Verbindung beider Städte nur dann aktiv bleibe und lebe, „wenn wir nicht nur Plätze danach benennen, Gedenksteine setzen, sondern die Freundschaft in unserem täglichen, auch kommunalen, Alltag wiederfinden und betreiben“.

Stolz hob besonders den Schüleraustausch zwischen dem Nellenburg-Gymnasium und den Schulen in La Roche hervor. Dadurch lernten die Jugendlichen neben Sprache und Kultur des Nachbarlandes auch die Mentalität der jeweiligen Gastgeber kennen. Zahlreiche Verbindungen hielten bis ins Erwachsenenalter.

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Gemeinschaftsgefühl in und für Europa muss sich vertiefen

Für das künftige Gelingen der Partnerschaft nannte Stolz einige Punkte: Das Gemeinschaftsgefühl in und für Europa müsse sich vertiefen. Die Wohlstandsentwicklung drohe sich umzudrehen. Beide Länder müssten hohe Beiträge in internationale Organisationen zahlen, was zur Verschlechterung der finanziellen und wirtschaftlichen Bedingungen unserer Industrien führe und die Menschen besorge. Auch die Gesundheitsversorgung und die Versorgung im Alter kämen an die Grenzen ihrer Finanzierung.

Auch sprach Stolz die klimatischen Veränderungen, die Mobilitätswende und den Verlust von Arbeitsplätzen an. Lösungsansätze seien in verschiedenen Ländern unterschiedlich. „Wir sollten und könnten daher viel voneinander lernen“, betonte er und regte an, grenzüberschreitend an Lösungen zu arbeiten. „Dann werden wir es schaffen, in eine neue Dimension der Partnerschaft zu gelangen.“

Rund 100 Musiker spielten für die Gäste aus Stockach und La Roche sur Foron. Zum Abschluss erklangen beide Nationalhymnen.
Rund 100 Musiker spielten für die Gäste aus Stockach und La Roche sur Foron. Zum Abschluss erklangen beide Nationalhymnen. | Bild: Claudia Ladwig

„Lieber zweimal als einmal“ war das Motto von Pierrick Ducimetière, Bürgermeister von La Roche. Er würdigte seine Vorgänger und erinnerte seinerseits daran, „dass es bei Städtepartnerschaften, dem Kitt, der die Völker in Europa zusammenhält, auch um die Erinnerung und das Gedenken an das geht, was unsere beiden großen Nationen entzweit hat“. Dennoch bevorzuge er es, aus der Geschichte an den nachfolgenden Frieden zu erinnern.

„Ich ziehe es vor, zu behalten, dass die Menschen es verstanden haben, ihr Dasein zu verbessern und in ihrem Inneren die Ressourcen zu finden, um einen dauerhaften Frieden zu erschaffen“, so Ducimetière. „Dies war eine lange und gefährliche Aufgabe. Ich bin davon überzeugt, dass unsere beiden Städte noch lange daran weiterarbeiten werden.“

Wunsch nach regelmäßiger Feier der Freundschaft

Er sei zum zweiten Mal in Stockach und eins der vielen Kinder, die in den vergangenen 50 Jahren in beiden Städten geboren wurden und die jeweilige Partnerstadt besucht hätten. Die Freundschaft bringe viele schöne Momente hervor und er verpflichte sich, in seiner gesamten Amtszeit dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit weiterhin von Bedeutung und Fortschritt geprägt sei.

Ducimetière schloss mit den Worten, die Delegation werde mit dem Wunsch abreisen, diese Freundschaft Jahr für Jahr zu feiern. „Bis zum hundertsten Jahrestag unserer Freundschaft – denn 50 Jahre Freundschaft sollte man lieber zweimal als einmal erleben.“

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Erinnerungen an den Schüleraustausch

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung erinnerte sich in seiner Rede, die er abwechselnd auf Deutsch und Französisch hielt, an seine Schüleraustausch-Zeit. Seine Gastfamilie war anwesend, was ihn besonders freute. Die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland sei nicht selbstverständlich, wenn man auf die Geschichte blicke. Er rief alle auf, sich für Europa zu engagieren. „Wer verteidigt auf der Welt unsere Werte und die gemeinsamen europäischen Werte? Wir brauchen dafür viele Partner, aber ganz sicher ein starkes Europa“, sagte er.

Beide Länder täten viel, doch ohne gemeinsame Strategien falle Europa auseinander. Neben der großen Politik seien wie hier in Stockach und La Roche die Bürgermeister und vor allem die Bürger wichtig: Städtepartnerschaften zu pflegen und Begegnungen zu leben stärkten das Miteinander und könnten helfen, Probleme besser zu lösen.

Das Duo „Junge Junge!“ beeindruckte das Publikum mit mehreren Beiträgen. Hier zeigen sie die Nummer „Hut ab!“.
Das Duo „Junge Junge!“ beeindruckte das Publikum mit mehreren Beiträgen. Hier zeigen sie die Nummer „Hut ab!“. | Bild: Claudia Ladwig

Lob für den schönen Abend

Die deutschen und französischen Gäste genossen den Abend in der Jahnhalle. Valérie Daviet aus La Roche war beeindruckt von den künstlerischen und sportlichen Darbietungen. Dagmar Lempp sagte: „Der Abend war abwechslungsreich und stimmungsvoll. Es hat alles wunderbar gepasst.“

Auch Bettina Kleiner und ihr Sitznachbar Martin Bosch lobten: „Ein tolles Programm, ein sehr schöner Abend.“ Mit der Verteilung von Gastgeschenken endete der offizielle Teil.