Wie sah die Goethestraße vor 60 oder 70 Jahren aus? Wie feierten die Narren in den 20er-Jahren Fasnacht? Die Fotos aus dem digitalisierten Hotz-Archiv im Stadtarchiv geben die Antworten. Jeder kann ab sofort online anschauen, wie die Fotografen der Familie Hotz Ereignisse und Entwicklungen in Stockach und weiteren Orten in der Region festgehalten haben. Sei es der Wiederaufbau der Adler Post im Jahr 1905 oder auch die Fasnacht in den 1930ern. In einer Auftaktveranstaltung stellte das Team des Stadtarchivs die umfangreiche Sammlung und die jahrelange Arbeit der Digitalisierung von Glasplattennegativen, Kleinbildfilmen und anderen Materialien vor.

Wiederaufbau des Gasthauses und Hotel Adler Post im Jahr 1905 nach einem Brand 1904.
Wiederaufbau des Gasthauses und Hotel Adler Post im Jahr 1905 nach einem Brand 1904. | Bild: Stadtarchiv Stockach/ Fotoarchiv Gustav Hotz GP 71

Johannes Waldschütz, Leiter des Stadtmuseums und Stadtarchivs, gab den Anwesenden zunächst einen Überblick über die vier Hotz-Fotografen, die allesamt den Vornamen Gustav trugen. Gustav I. ließ sich in den 1870er-Jahren in Stockach nieder und seine Nachfahren betrieben das Geschäft weiter. Bis ins Jahr 1994 gab es ein Atelier Hotz, das zuletzt Gustav IV. führte.

Über diese vier Generationen entstanden rund 100.000 Aufnahmen. Ein Großteil davon wird nach und nach digital zugänglich gemacht. Der erste Teil ist jetzt hier online zu finden.

Nach und nach kommen weitere Fotos

Sybille Trefflich kündigte an, dass immer wieder neue Fotos freigeschaltet werden. Momentan sind zum Beispiel Ereignisse und Reportagen aus den Jahren 1983 und 84 online, zudem auch viele Fasnachtsbilder aus verschiedenen Jahrzehnten und Impressionen vom Bau der Stadtkirche St. Oswald. Das Archivteam hobt auch die beeindruckenden Weltkriegsfotos von Gustav II. hervor, die dieser in Frankreich gemacht hatte, wo er starb.

Die Besucher sind interessiert, was das Hotz-Archiv zu bieten hat.
Die Besucher sind interessiert, was das Hotz-Archiv zu bieten hat. | Bild: Löffler, Ramona

Über Gustav IV. sagte Waldschütz, dieser habe „unermüdlich alles in und um Stockach fotografiert“. Seine Sortierung des Familienarchivs habe den Grundstein für das heutige Archiv gelegt, das dessen Frau Alice Hotz und die Tochter Claudia Rinkenburger im Jahr 2014 an die Stadt verkauft hatten. Seither lief die aufwendige Digitalisierung von rund 100.000 Negativen verschiedener Art: Glasplatten, Rollfilme, Dias und mehr.

Bestimmte Bilder dürfen nicht online

Sybille Trefflich hob hervor, die Stadt habe den Wert des Hotz-Archivs erkannt und die Digitalisierung ins Leben gerufen. Der Erhalt, die Erschließung und die Bereitstellung der umfangreichen Fotosammlung würden für die Bürger und künftige Generationen gemacht.

Aufgrund von Persönlichkeitsrechten würden aber nie alle der rund 100.000 Fotos online gehen. Private Familienfotos seien ausgeschlossen, erklärte sie. Ebenso Fotos von Beerdigungen oder Unfällen. Johannes Waldschütz erläuterte später die verschiedene Aspekte der Bildrechte und was zu beachten ist.

Sybille Trefflich schilderte den Ablauf der Digitalisierung bei Spezialfirmen und wie vorsichtig man mit manchen Materialen umgehen müsse. Informationen zu den Bildern ermöglichen die Suche nach Stichworten.

1983 war ein Jahr mit vielen Festen

„Die Glasplatten sind das Herzstück der Sammlung“, sagte sie später im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Davon gebe es rund 1600 Stück. Auf die Frage nach ihren Lieblingsbildern nannte sie aber das Jahr 1983 mit dem 700-jährigen Stadtjubiläum, zu dem sie eine Doppelseite mit allen Umzugswagen im SÜDKURIER gefunden habe. So habe sie den Fotos viele Bildinformationen zuordnen können. Sie würde sich freuen, wenn sich Stockacher melden, die sich erkennen oder noch mehr zu den Fotos wissen.

Sie hob heraus, dass es 1983 besonders viele Feste gegeben habe. „Es hat großen Spaß gemacht, das zu bearbeiten“, sagte sie. Damals sei gefühlt jeder Stockacher dabei gewesen. Als einmaliges Erlebnis im selben Jahr beschreibt sie den Besuch des Orient Express in Stockach. Der Zug sei damals für US-amerikanische Werbeaufnahmen in der Stadt gewesen.

Fotos zeigen die Entwicklung der Stadt über Jahrzehnte

Waldschütz und Trefflich schilderten, wie die Hotz-Bilder die Entwicklung von Stockach dokumentieren. So seien zum Beispiel auf einer Stadtansicht aus dem Jahr 1953 der Bau der Umspannstation an der Ludwigshafener Straße zu sehen. Andere Bilder zeigen den Bau von St. Oswald, die Oberstadt ohne Kriegerdenkmal oder Gebäude, die es heute nicht mehr gibt – zum Beispiel den Löwen neben St. Oswald oder das Hotel Paradies in der Radolfzeller Straße.

Stockach im Frühling 1953. Die Umspannstation befindet sich hier im Bau.
Stockach im Frühling 1953. Die Umspannstation befindet sich hier im Bau. | Bild: Stadtarchiv Stockach/ Fotoarchiv Gustav Hotz GP 67

Sybille Trefflich berichtete weiter, Hotz habe Jahrzehnte lang Ereignisse von öffentlichem Interesse reportageartig dokumentiert: Fasnacht, Einschulungen, Konfirmation und Kommunionen sowie verschiedene Veranstaltungen.

Besondere Bilder aus dem Ersten Weltkrieg

Christopher Wangenheim gab Einblicke in den 283 Fotos, die Gustav II. in den Jahren 1915 und 1916 im Ersten Weltkrieg gemacht hat und die den Soldatenalltag zeigen. Auf eine Rückfrage eines Zuhörers erklärte Waldschütz, die Fotos seien auf verschiedene Arten nach Stockach gelangt, zum Beispiel beim Heimaturlaub oder mit Hotz‘ Habseligkeiten nach seinem Tod im Krieg.

Waldschütz betonte, die Weltkriegsfotos sollen auch in die Deutsche Digitale Bibliothek kommen, da sie weit über Stockach hinaus von Interesse seien. Er ist sich sicher, dass diese Motive international Beachtung finden werden.

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Fotos benutzen ist ausdrücklich erwünscht

Wangenheim erklärte den Zuhörern schließlich, wie sie das Online-Archiv finden und bestimmte Motive suchen können. „Archive sind zum Benutzen da“, betonte er. Der Zugang solle niederschwellig sein. So gebe es auf www.stockach.de/stadtarchiv einen weiteren Link, der zu den Beständen und auch die online anschaubaren Fotos führt. „Wir arbeiten jeden Tag daran, neue Bestände zu verzeichnen und zugänglich zu machen.“