Mitten in einer Wasserschutzzone ist ein Naturparadies gewachsen. Man könnte denken, das ist nichts Ungewöhnliches. Doch die Fläche hätte gar nicht derart zuwachsen dürfen, wie der Watterdinger Ferdinand Nutz vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband erläutert. Maximal drei Meter Höhe seien für Hecken erlaubt. Mittlerweile messen sie aber schon über zehn Meter und bringen auf die landwirtschaftlichen Flächen sogenannte Waldschatten, welche den Eigentümern nicht zuzumuten seien.
Dass man die Natur über mehrere Jahrzehnte gewähren ließ, nun aber kritisch hinterfragt, hat zwei Gründe. „Die langen und intensiven Trockenperioden in den letzten Jahren haben uns dazu bewogen, noch genauer auf unsere Schutzgebiete zu schauen“, nennt Thomas Freund als Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke Engen, einen ersten Grund. Ziel sei, die Wasserschutzgebiete intensiver zu pflegen und damit auch für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.
Büsche sollen weg, damit Keime wegbleiben
Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landratsamts, erläutert den weiteren Auslöser, der zur Abholzung der Fläche in Watterdingen führen sollte: „In den vergangenen zehn Jahren waren ab und zu einzelne Verkeimungen gemessen worden. Es bestand jedoch dank der nachgeschalteten Aufbereitung keine gesundheitliche Gefahr für die Bevölkerung. Seit dem Jahr 2023 nahm diese Verkeimung jedoch massiv zu.“
Dies führe nun dazu, dass der Schutzstatus umgesetzt werden soll, wie Freund erläutert. Konkreter wird Pellhammer: „Bei der letzten Wasserschau wurde mit Nachdruck eine Abholzung oder Vergleichbares angeregt.“
Doch in dem kleinen Naturjuwel auf Gemarkung Watterdingen in Richtung Engen oberhalb der Quellen Neuhauser im Hauserried wachsen heimische Hecken und Wildkirschenbäume ineinander. „In den letzten 30 bis 40 Jahren ist die Fläche zugewuchert. Sie bietet jetzt einen Lebensraum für Insekten und Vögel. Insbesondere der Neuntöter fühlt sich hier heimisch“, erläutert der Watterdinger Naturschutzwart Hans-Leo Zepf. Der Vogel halte sich etwa von Mai bis September hier zum Brüten auf und ziehe dann wieder nach Afrika. Die Feldhecke sei der ideale Lebensraum für den Vogel.
Gut für Vögel, zu gut für Wildschweine
Die Abholzung käme einer Katastrophe gleich. „Nach meiner Einschätzung ist die gesamte geplante Rodung für die Windräder ein geringerer Schaden für die Natur als diese Maßnahme“, ordnet Zepf die Lage ein. Besonders die Vogelart Neuntöter sei auf intakte Feldhecken als Brutrevier angewiesen. Im Wald könne er nicht überleben. Eine Ersatzbepflanzung helfe nicht: „Es dauert zehn bis 15 Jahre, bis Hecken und Bäume so weit sind, dass sie dem Vogel Schutz bieten. Bis dahin ist der Neuntöter ausgestorben“, sagt Zepf.

Andererseits würden Wildschweine die Schutzzone als Rückzugsort gerne wahrnehmen. „Dadurch sind auch im angrenzenden Grünland und im Vorort jedes Jahr starke Schäden festzustellen. Auch Getreide und Mais nimmt Schaden“, so Landwirt Nutz. Fäkalien durch Wild sei ebenfalls nicht zu vermeiden in der Schutzzone.
Die gesamte Situation habe auch dazu geführt, dass dieses Gebiet als Problemgebiet eingestuft wurde und die Landwirte einem starken Monitoring unterzogen würden, erläutert Ferdinand Nutz.
Naturparadies wird zur Problemzone
Jagdaufseher Friedrich Fluck kennt das Gebiet ebenfalls gut. Es sei für Bienen ein Paradies. „Falls mal ein Tier hier verenden sollte, würde ich eher andere Lösungen für geeignet halten als eine komplette Abholzung“, findet er mit Blick auf eine mögliche Verkeimung von Quellwasser. Beispielsweise könnte man drei Meter der Feldhecke stehen lassen, Kontrollgassen schneiden oder Zäune bauen.
Naturschützer Robert Meßmer weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Lässt man nur einzelne Bäume stehen, ist das kein Lebensraum.“ Die Tiere bräuchten Rückzugsmöglichkeiten, die Vögel würden hier Insekten finden – und wenn man einzelnen Tiere die Lebensgrundlage nehme, komme die ganze Nahrungskette durcheinander. Außerdem hätten die Hecken einen konkreten Nutzen für die Luft.

Nachdem Anfragen der Naturschützer von den Behörden nach Meinung der Fragesteller nicht ausreichend beantwortet wurden, wandten sie sich an den SÜDKURIER. So kam es zum Treffen mit Vertretern der Engener Stadtwerke und des Landratsamts. Dabei konnte ein Lösungsansatz gefunden werden, der nach derzeitigem Planungsstand sowohl den Trinkwasser- als auch den Naturschutz zufriedenstellt.
So kann der Kompromiss aussehen
Thomas Freund, technischer Geschäftsführer der Stadtwerke Engen, erläutert: „Der Rückschnitt wird etappenweise über zwei Vegetationsperioden erfolgen, damit sich die Tierwelt anpassen kann.“ An ausgewählter Stelle werde ein Streifen vom vorhandenen Bewuchs erhalten, um den Wechsel von Freifläche und Sträuchern in der Struktur zu erhalten. „Die Flächen werden eingezäunt und als Grün- und Blühfläche, wie vorgeschrieben, minimal bewirtschaftet“, so Freund. Dies dürfte wiederum die Insekten sehr freuen, denn sie müssen die neue Wiese mit niemandem teilen.

Beide Seiten zeigen sich von dieser Lösung angetan. „Trinkwasserschutz und Naturschutz stehen ebenbürtig nebeneinander und mit den neuen Blühflächen wird gleichzeitig Vielfalt erzeugt, die es zuvor an dieser Stelle noch nicht gab“, so Freund. Zugleich betont er, dass es sich hier um den derzeitigen Arbeitsstand handelt und noch nicht um eine festgeschriebene Lösung. Das weitere Vorgehen wird in den zuständigen Ämtern noch diskutiert.
Grünes Licht gibt es seitens des Landratsamtes. „Grundsätzlich könnte sich das Gesundheitsamt aus Sicht des Trinkwasserschutzes einen Kompromiss aus den geforderten Maßnahmen vorstellen, sodass die Flächen bodennah entfernt sowie diesjährig noch Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt werden, die nahe dem jetzigen Vegetationsvorkommen liegen“, erklärt Pressesprecherin Marlene Pellhammer für das Büro des Landrats. Außerdem könnten zusätzlich einzelne Bäume am Rand etabliert werden.
Als Alternative könnte bestehendes Gehölz im Bereich der Quellsickerstränge – etwa fünf Meter links und rechts – bodeneben und die übrige Fläche auf die vom Naturschutz gewünschte Höhe gekürzt werden“, so Pellhammer in ihrer Antwort auf die SÜDKURIER-Nachfrage. Eine Einzäunung der Schutzzone sei auf jeden Fall vorzunehmen.