Es ist da, das Deutschland-Ticket. Aber es zu bekommen nicht ganz einfach. Einen Tag, bevor es gültig wurde, musste ich meine Frau um Hilfe bitten: „Bekommst du das Deutschlandticket auf mein Mobiltelefon?“ Mich überfordert soviel Technik nämlich manchmal. Sie nicht.
Bald danach war ich ausgerüstet und kann nun in ganz Deutschland mit vielen Bussen und Zügen reisen. Für 49 Euro. Einen kompletten Monat lang. „Hätte ich das jetzt auch alleine hin gekriegt?“, frage ich meine Frau, die meine technischen Fähigkeiten ganz gut einordnen kann. Sie runzelt die Stirn und erwidert: „Sagen wir es mal so: Du hättest ein paarmal eine Pause einlegen und tief durchatmen müssen.“ Aha.

Beim neuen Fahrschein sehe ich einige Vorteile: Wenn ich es schaffe, wenigstens hin und wieder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu pendeln, komme ich jeden Monat auf fünf bis zehn Stunden mehr körperliche Bewegung. Die Familie hat an diesen Tagen das Auto zur Verfügung. Und für die Umwelt habe ich auch noch was getan.
Ich wohne allerdings im Tengener Dorf und arbeite in der Singener Südstadt. Das liegt im Streckennetz schätzungsweise so weit auseinander wie die Grünen und die FDP in der Ampel-Koalition. Ich wäre in den vergangenen 15 Jahren jedenfalls nie auf die Idee gekommen, mit Bus oder Zug zur Arbeit zu fahren.

Da ich zu denen gehöre, die manchmal auch am Feiertag arbeiten müssen, startet mein Experiment gleich am Feiertag. Zum Tag der Arbeit am 1. Mai habe ich Dienst. „Denk daran, dass du am Feiertag vorher den Rufbus bestellen musst“, erinnert mich meine Frau. Ich melde die Fahrt an, das klappt alles prima. Zu meiner Überraschung kommt kein Bus – sondern ein Kleintransporter. Er erinnert mich an mein Auslandsjahr in Israel. Damals bin ich oft mit dem Sammeltaxi gefahren. Auch die Sprachen der Fahrgäste zwischen Tengen und Singen klingen zum Teil orientalisch.
Zwei Menschen müssen in Hilzingen draußen bleiben
Der Rufbus hält nur im Tengener Teilort Büßlingen und Hilzingen und nimmt die mit, die vorher angerufen haben. Die acht Sitzplätze sind bald besetzt. Zwei unangemeldete Personen bleiben in Hilzingen stehen und fragen ratlos ihr Mobiltelefon, wie sie jetzt weiter kommen sollen. Überraschend schnell ist der Wagen in Singen – sogar zwei Minuten früher, als der Fahrplan es vorsieht.

Praktisch ist, dass die 49-Euro-Karte nicht nur auf eine Strecke begrenzt ist. So ist es zum Beispiel auch denkbar, morgens mal einen Familienausflug zum Wasserspielplatz in Radolfzell zu machen oder etwas gemeinsam in Donaueschingen oder Tuttlingen zu erledigen, sich dann von der Familie zu verabschieden – und von dort aus mit dem Zug weiter zur Arbeit zu fahren.
Glatt läuft unterwegs leider nicht immer alles. Einmal bin ich knapp dran und kürze ab durch Nachbars Garten. Ich verstauche mir fast den Fuß, als ich von der Gartenmauer auf den Gehweg hechte – und irgendwo muss ich auch noch in Katzendreck getreten sein. Im eigenen Auto müsste nur ich drunter leiden. Im öffentlichen Raum stellt bald ein Schulmädchen am anderen Ende des Busses fest: „Irgendwie riecht‘s hier.“ Und die Schüler haben ein Gesprächsthema, während der Bus über Blumenfeld und Weil nach Watterdingen tuckert, wo die Schüler aussteigen.
Ein persönliches Zwischenfazit
An jedem Arbeitstag werde ich künftig wohl nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Tengen nach Singen fahren. Ich habe zwar unterwegs mehr Zeit zum Lesen und mehr körperliche Bewegung, wie wenn ich mit dem Auto fahre – bin aber auch länger unterwegs. Und manchmal passt das nicht mit den Arbeitszeiten meiner Frau und der Betreuung unserer Kinder zusammen. Das Deutschlandticket war aber trotzdem eine gute Entscheidung und der Mai wird vermutlich nicht der letzte Monat sein, in dem ich es gebucht habe. Zumal ich mich als Sohn eines Eisenbahners immer in eine glückliche Kindheit zurückversetzt fühle, wenn ich in einem dröhnenden Bus oder einem ratternden Zug sitze.
Sieben Tage nach der Anmeldung meines Deutschlandtickets habe ich eine Nachricht vom Abo-Team in meinem elektronischen Briefkasten. Darin wird erklärt, wie ich mich, falls notwendig, vom Deutschlandticket wieder abmelden kann. In elf Schritten. Ich atme tief ein und noch tiefer aus – und leite die Mail an meine Frau weiter.