Mit Beginn der Sommerferien stellt sich auf mehreren Wiesen im Oberen Donautal emsiges Treiben ein. Größere und kleinere Ansammlungen von Zelten mit dazugehörender Infrastruktur beherbergen für mehrere Tage Kinder- und Jugendgruppen aus verschiedenen Organisationen. Eine davon ist die katholische Pfarrgemeinde aus Bad Urach. Seit 1976 ist das Uracher Lager das erste in den Ferien, das die Wiese an der Donau östlich von Dietfurt bis zur Felsengrotte belegt.

Das Schwärzen der Gläser macht zwar schmutzige Hände, aber den Kindern im Sommerlager viel Spaß.
Das Schwärzen der Gläser macht zwar schmutzige Hände, aber den Kindern im Sommerlager viel Spaß. | Bild: Reinhard Rapp

Ursprünglich in Hundersingen bei Herbertingen

Dieses Zeltlager hat eine lange Tradition. Eigentlich begann sie in Hundersingen bei Herbertingen in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Die aus diesem Ort stammende Theresia Lindner war seinerzeit Gemeindereferentin in Neckartenzlingen. Zusammen mit Pfarrer Gebhard Lutz organisierte sie eine ursprünglich wohl für Ministranten und Scholasänger gedachte Freizeit in ihrer Heimat. Im Elternhaus von Ernst Remensperger wurde gekocht und somit kam er mit dieser Aktion in Berührung. Ihn hatte das Zeltlager dermaßen gefangen, dass er als Wehrdienstleistender sogar 1973 mit dem Fahrrad von Münsingen nach Hundersingen fuhr, um noch ein bisschen das Lager mitzuerleben.

1976 Verwandten angesprochen

Als von den örtlichen Jägern das Zeltlager nicht mehr geduldet wurde, fanden die Organisatoren an der Adelmühle bei Horgenzell (Kreis Ravensburg) 1975 quasi „Asyl“. Da erinnerte sich Theresia Lindner an ihren Cousin Willi Dreher in Dietfurt, der eine große Wiese direkt an der Donau besitzt. Dort fand sie offene Ohren und seither findet das Zeltlager alljährlich in den Sommerferien dort statt.

Motto „Disneyland Dietfurt“

In der Holzwerkstatt entstehen Rahmen für Brettspiele und auch Segelschiffchen.
In der Holzwerkstatt entstehen Rahmen für Brettspiele und auch Segelschiffchen. | Bild: Reinhard Rapp

Disneyland Dietfurt – Dieses Motto haben sich die Bad Uracher für dieses Jahr gewählt. In ihrer Homepage (www.zeltlager-dietfurt.de) wird zu Spiel, Basteln, Singen und einer tollen Zeit mit den Disneyhelden und zum Erlebnis mit kleiner Disney-Magie eingeladen. Deshalb schwebt über dem Lagerbereich ein Ballon mit zwei Löwen. Nähert man sich dem Lagerbereich, schallt einem schon fröhlicher Kindergesang entgegen. Inmitten der Runde steht Ernst Remensperger mit seiner Gitarre. Singen steht übrigens jeden Morgen nach dem Frühstück auf dem Tagesprogramm. Dazu kommen Spiele vielerlei Art, sei es in Gruppen, oder auch alleine. Das Angebot auch an Bastel- und handwerklichen Tätigkeiten kann sich sehen lassen. Jedes Kind darf sich das aussuchen an Betätigung, was seinem Wunsch und seinen Fähigkeiten entspricht. Für Holzarbeiten ist extra eine kleine Werkstatt eingerichtet. Dort entstehen sogar Rahmen für Brettspiele und Segelschiffchen, die dann in der Donau schwimmen dürfen.

Kinder, Jugendliche und Helfer waren in der Holzwerkstatt eifrig dabei.
Kinder, Jugendliche und Helfer waren in der Holzwerkstatt eifrig dabei. | Bild: Reinhard Rapp

An anderer Stelle wird Beton im Eimer angerührt und damit Gußformen gefüllt. Unter Pavillons wird Tischtennis gespielt, an anderer Stelle eifrig gemalt. Über einen eigens angefertigten Holzsteg kann man bequem in die Donau steigen. Aus der Grotte ist der Lärm einer Motorsäge zu hören. Ein Helfer sägt passende Scheite für das abendliche Lagerfeuer zurecht. Dort versammelt man sich bei einbrechender Dunkelheit ebenfalls zum gemeinsamen Singen.

Viele Erfahrungen gesammelt

Die Ausstattung an Material und Einrichtungen zeigt die Erfahrungen, die von Jahr zu Jahr gesammelt und umgesetzt wurden. So sind mehrere Solarpaneelen aufgestellt, die für den nötigen elektrischen Strom, auch zum Kühlen der Lebensmittel sorgen. Speichermodule erlauben sogar die Beleuchtung der Toilettenanlage bei Nacht. Mehrere Pavillons beherbergen eine kleine Sanitätsstation, ein Pressezelt für Berichte der Kinder, eine Tischtennisplatte und sogar eine Fahrradgarage.

Das könnte Sie auch interessieren

Johanna Orz seit sieben Jahren Leiterin

Die Leitung obliegt bereits im siebten Jahr Johanna Orz. Sie teilt sich die Zuständigkeit mit einem Team, das für die einzelnen Bereiche zuständig ist. Bereits als neunjähriges Kind hat die heutige Berufsschullehrerin am Lagerleben teilgenommen. Heuer hat sie die gesamte Familie dabei. Von ihr erfahren wir nicht nur den Ablauf der Woche, sondern auch die umfangreichen Arbeiten im Vorfeld. 110 Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis 15 Jahren sind zur Zeit im Lager. Dazu 18 Junghelfer und 26 sogenannte Althelfer, der dienst- und an Lebensjahren Älteste Ernst Remensperger nicht mitgezählt. Der inzwischen pensionierte Grundschullehrer aus Steinhausen an der Rottum (Landkreis Biberach) kennt das Zeltlager seit Anbeginn und bei ihm gehört es zum Lebensinhalt. Beinahe hätte er 1979 den Termin seiner standesamtlichen Trauung in Herbertingen verpasst, weil er noch am selben Tag im Lager wirkte.

Ganze Familie dabei

Im Küchenbereich treffen wir Alexandra Keßler. Ihre ältere Schwester nahm sie als Achtjährige erstmals mit ins Zeltlager. Mit 15 wurde sie dann Junghelferin, machte später eine längere Pause und ist seit 2018 mit ihrer ganzen Familie dabei. Sie findet im Lager eine andere Welt, andere Menschen ohne soziale Unterschiede. In der gemeinsamen Arbeit findet sie sogar innere Ruhe und wird frei von Zwängen des Alltags.

Fester Bestandteil des Jahresablaufs

Bekki Werner aus Unterhausen hat ihre neun Monate junge Tochter auf dem Arm. Als Kleinkind mit sechs Jahren durfte sie erstmals mit einer Familie aus dem Bekanntenkreis ins Donaulager. Inzwischen zur Althelferin geworden nimmt sie mit ihrer Familie teil. Für sie gehört das Lager zum Jahresprogramm wie Weihnachten und Ostern.

Beim Mittagessen wird wieder Kraft gesammelt für die Aktivitäten am Nachmittag.
Beim Mittagessen wird wieder Kraft gesammelt für die Aktivitäten am Nachmittag. | Bild: Reinhard Rapp

Dem Zulauf zum Verpflegungstrakt ist zu entnehmen, dass so langsam der Magen seinen Teil verlangt. Aus der Küche zieht der Geruch von Gebratenem und Gekochtem in die Nasen, und als endlich die Kuhglocke ertönt, bilden sich Schlangen an den beiden Essensausgabestellen. Bis Freitag war das Ferienlager in Betrieb, dann hieß es Abschied nehmen.

Ernst Remensperger.
Ernst Remensperger. | Bild: Reinhard Rapp

„Gemeinschaft hat mich fasziniert“

Der SÜDKURIER hat beim langjährigen Organisator Ernst Remensperger nachgefragt, was ihm das Ferienlager bedeutet.

Herr Remensperger, warum machen Sie mit und was bedeutet es Ihnen hier dabei zu sein?

Mich hat von Anfang an die Gemeinschaft fasziniert, weil ich sofort wie in eine Familie aufgenommen wurde. Meine Begeisterung hat sich auch gezeigt, als ich extra von der Kaserne in Münsingen mit dem Fahrrad nach Hundersingen gefahren bin. Im Lauf der Jahre gehörte meine eigene Familie wie selbstverständlich ebenfalls dazu.

Was war in all den Jahren ein besonderes Ereignis für Sie?

Da könnte ich massenhaft aufzählen. Aber einzigartig war wohl meine Hochzeit im Jahr 1979. Am Freitag war standesamtliche Trauung in Herbertingen, und ich war noch im Zeltlager, als mich Freunde auf den Termin im Standesamt hinwiesen. Da man ohne mich dort nicht anfangen konnte, hat es mir nicht so pressiert. Aber ich kam dann doch zwar knapp, aber rechtzeitig an. Am Montag drauf haben wir dann im Lager das Ereignis gebührend gefeiert, natürlich in Hochzeitskleidung.

Fragen: Reinhard Rapp