Das Landgericht Hechingen hat es an vier Verhandlungstagen erfolglos versucht, einen entfachten Großbrand aufzuklären, demzufolge beim Columbus-Verlag am 23. Januar 2020 ein beträchtlicher Schaden von 4,6 Millionen Euro entstanden war. Der Angeklagte, 43 Jahre alt, wurde von den ihm vorgeworfenen Hauptdelikten, nämlich Brandstiftung in vier Fällen, freigesprochen. „Wenn man alles zusammennimmt, bleiben begründete Zweifel an ihrer Täterschaft“, begründete der Vorsitzende Richter Dr. Hannes Breucker seinen Urteilsspruch. So blieb am Ende nur eine verhängte Geldstrafe übrig wegen Beleidigung von zwei Polizeibeamten, für die der Angeklagte insgesamt 400 Euro berappen soll. In einem Fall hatte er sogar ein Messer gegen anrückende Beamten gezückt, es nach der dritten Aufforderung aber weggeworfen.
Beweislage erweist sich trotz vieler Zeugen als äußerst dünn
Für den Verteidiger des Angeklagten, Axel Kästle, war dieses Urteil, der von ihm vehement geforderte Freispruch, nur konsequent. In seiner Erwiderung auf die Anklageschrift bewertete er die Beweislage gegen seinen Mandanten als „sehr, sehr dünn“. Trotz der stattlichen 25 vor Gericht geladenen Zeugen und der Hinzuziehung von drei Sachverständigen – keiner von ihnen vermochte den 43-Jährigen als Augenzeuge zu entlarven oder den Verdacht auf ihn fundiert zu untermalen. Der Angeklagte selbst trug nichts zur Aufklärung bei. Auch dass er bei sämtlichen Bränden in Tatortnähe wohnte, die für ihn alle fußläufig erreichbar waren und er an einigen Stellen persönlich als Schaulustiger auftauchte, reichte im Endeffekt nicht. „Wir haben CDs ausgewertet, Telefonate abgehört, intensiv neue Beweismittel erwogen und alles Erdenkliche genutzt“, belegte Breucker argumentativ die Mühen des Landgerichts, Beweise zu sammeln. Letztlich summierten sich zuletzt sämtliche Erwartungen auf zwei beim Angeklagten vorgefundene angekokelte Schuhe, so genannte Crocs. Doch auch hierfür bot die Verteidigung einen Entlastungszeugen auf, der bestätigte, mit dem Angeklagten am Zielfinger See gemeinsam geangelt und den Vorgang mit den angesengten Schuhen am Grillfeuer mitbekommen zu haben.
Staatsanwalt sieht klare Indizien beim Angeklagten
Lediglich Staatsanwalt Matthias Buck äußerte sich in seinem Plädoyer anhand der gesammelten Indizien überzeugt, dass der Angeklagte zwei Altkleidercontainer in Brand gesetzt, die 50 Paletten Halbschalen aus Kunststoff beim Globus-Hersteller angezündet und so dort letztendlich den Großbrand verursachte, bei dem das Feuer über Paletten auf eine Lagerhalle übergriff, die komplett niedergebrannte. Er forderte für den Angeklagten eine Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten ein, außerdem sollten ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
Als Tatmotiv nannte Buck die Enttäuschung des 43-Jährigen, von einer Freundin zurückgewiesen worden zu sein sowie dessen Frust und Wut über die Zurückweisung in zwei gescheiterten Ehen und die Ablehnung seiner Aufnahme bei der Freiwilligen Feuerwehr in Krauchenwies. Darüber hinaus würde der Angeklagte eine persönliche Abneigung gegen den Firmenchef des Columbus-Verlags hegen, bei dem er sich zweimal vergeblich um eine Stelle bewarb. Über die Brände habe er anderen gegenüber schadenfroh „kindliche Freude“ gezeigt. Zudem gelte er als einschlägig vorbestraft wegen Brandstiftung, die 2002 und 2003 vor den Amtsgerichten Tettnang und Konstanz geahndet wurden und in einer Haftstrafe mündeten. Die Vorgänge in Krauchenwies seien mit früheren Tatbeständen vergleichbar. Auch da habe er sich einfacher Mittel bedient, ohne große Brandbeschleuniger. Dem Angeklagten warf er vor, laut Gutachter in gefühlter Einsamkeit nach Aufmerksamkeit zu sinnen: „Sie haben sich dem Spiel mit dem Feuer zugewandt.“
Einseitiger Blick der Ermittlungsbehörde
Verteidiger Kästel beschrieb seinen Mandanten als einen „ehrlichen Menschen“. Er habe im Alkohol eine Kompensationsmöglichkeit gefunden, dessen Abhängigkeit davon sei aber nicht von der Hand zu weisen. Dass in der Wohnung des 43-Jährigen Paraffinwürfel (für Grillfeuer) und ein leerer Benzinkanister (als Baum pflegender Hobby-Forstwirt) sowie Kettenöl (für eine Motorensäge) entdeckt wurden, beweise gar nichts, so der Verteidiger. Zudem habe die Ermittlungsbehörde nicht den „offenen Blick“ für andere mögliche Straftäter besessen. So beispielsweise sei völlig unberücksichtigt geblieben, dass im Wohncontainer außer seinem Mandant noch drei weitere Personen lebten, eine davon sei ebenso psychisch labil. Kästle warf den ermittelnden Beamten Voreingenommenheit vor (“Sie haben sich nur auf einen einzigen Tatverdächtigen fokussiert“) und berief sich dabei auf die Aussage einer jungen Polizeibeamtin, die gesagt hätte: „Wir haben einen Tatverdächtigen geliefert bekommen und an dem haben wir uns gehalten!“
Allerdings war es dem Gericht sehr wohl gelungen, die Lebensrealität des Angeklagten abzubilden, der neben seinen gescheiterten privaten Beziehungen auch durch schwere Arbeitsunfälle seine Existenzgrundlage verlor. Sichtbar wurde dessen Tendenz, die „Opferrolle“ zu verinnerlichen. Der Vorsitzende Richter Breucker gab ihm persönlich den Rat, seinen Lebensstil zu überdenken. Durch übermäßigen Alkoholgenuss – der Angeklagte gab an, jeden Tag einen Kasten Bier zu trinken – würden ihm laut einem Gutachter „hirnorganische Schäden“ drohen. So empfahl ihm der Richter, diesbezüglich eine Therapie anzutreten. Beide Seiten haben nun noch bis Freitag Zeit, gegen das Urteil in Revision zu gehen.