Es war bereits der vierte Pflegegipfel, den der CDU-Bundestagsabgeordnete Thoma Bareiß organisierte. Und obwohl er in der Bundesregierung Staatssekretär für Tourismus ist, liegt ihm das Thema Pflege nach eigenem Bekunden am Herzen. Deshalb hatte er den Pflegebeauftragten der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus eingeladen.
Für den gelernten Krankenpfleger, Lehrer in der Krankenpflegeausbildung, ehemaligen Geschäftsführer der Zentralen Akademie für Berufe im Gesundheitswesen und Präsident des deutschen Pflegerats ist klar, dass es nicht nur neue Ideen braucht, sondern auch eine ganze Menge an Abstimmungsbedarf. Aber: „Die Menschen erwarten, dass sich schnell etwas bewegt“, stellte in der voll besetzten Cafeteria der Seniorenwohnanlage Fideliswiesen fest.

Beim Thema pflegende Angehörige macht er sich Sorgen, dass mancher die Pflege einstellen könne, weil sie es nicht mehr schaffen. Wenn es um Pflegebedürftigkeit und Pflegeleistungen gehe, dann sei Deutschland Verdrängungsweltmeister. Zu wenige Kurzzeitpflegeplätze, Menschen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden und nicht unterkommen können, all das seien drängende Probleme.
„Pflegefachkräfte beklagen, dass sie zu wenig Zeit haben, sind unzufrieden, steigen aus, suchen sich eine andere Tätigkeit“, weiß Westerfellhaus. Wie kann man Menschen wieder in die Pflege zurückholen? 48 Prozent der Aussteiger würden zurückkommen, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. „Es mangelt nicht an gut ausgebildeten Kräften“, ist der Pflegebevollmächtigte überzeugt. Man müsse sie aber halten und zurückgewinnen. In manchen Bundesländern werden bis zu 25 000 Euro Prämie bezahlt. Und das Abwerben von Fachkräften sei zwar überall anzutreffen, aber eine richtige Lösung sei das auch nicht.
Drei Tage arbeiten, drei Tage frei?
Für Westerfellhaus geht es um die Arbeitsbedingungen. Drei Tage arbeiten, drei Tage frei? So etwas wird derzeit erprobt. Im Jahr 2020 sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie kleine Einrichtungen attraktive Arbeitszeitmodelle einführen können. Bei der positiven Veränderung der Rahmenbedingungen sieht der Experte den Beginn eines Weges, bei dem ganz unterschiedliche Gruppen beteiligt sind und wo bereits in den kommenden Monaten Ergebnisse erwartet werden. Klar ist: „Wir brauchen nicht nur zehn Prozent mehr Ausbildungsplätze, wir brauchen auch Menschen, die diese dann auch besetzen.“ Seine Forderung ist unmissverständlich: Ausbildung müsse Ausbildung bleiben. Anleitung und Begleitung dürften wegen dem Fachkräftemangel nicht auf der Strecke bleiben.
So könnte man Fachkräfte gewinnen
Migranten in der Pflege? Da kritisiert Westerfellhaus die monatelangen Anerkennungsverfahren. Dabei gehe es um Menschen, die in einem anderen Land eine qualifizierte Ausbildung gemacht haben. 100 000 bis 120 000 Fachkräfte könnte man so gewinnen. Eine heikle Angelegenheit seien Tarifverträge. „Bis zu 650 Euro weniger in der Altenpflege als im Krankenhaus? Da brauchen sie sich nicht wundern, wenn die Leute dann in die Klinik gehen“, macht der Experte deutlich. Derzeit seien die Arbeitgeber aber nicht für einheitliche Reglungen bereit. Wo die Reise letztendlich hingehen wird, das weiß auch Westerfellhaus nicht. Für steht aber: „Die nächsten 30 Jahre mit den Werkzeugen der letzten 30 Jahre arbeiten, das geht nicht.“ Und man müsse gute Ideen diskutieren, anstatt sie zu torpedieren.
In der Aussprache ging es um die in manchen Bundesländern schon eingeführten Pflegekammern (Westerfellhaus: „Ich war schon immer ein Verfechter der Selbstverwaltung und unterstütze das“), aber auch um Ausbildung und Fachkräfteeinsatz. „Es gibt Tätigkeiten, da ist eine Fachkraft vorgeschrieben. Das könnte aber genauso gut auch eine Pflegehelferin machen“, stellte Pflegeheimleiter Wolfgang Scheitler vom Spitalfonds in Pfullendorf fest. „Aus drei Ausbildungen eine machen, das kann nicht funktionieren“, ist Edgar Wagner, geschäftsführender Gesellschafter bei Senova in Albstadt, überzeugt. Er kritisierte die generalisierte Ausbildung für Pflegeberufe. Seiner Ansicht nach ist das neue Reformgesetz „experimentell und riskant“. Die Anhebung des Niveaus werde dazu führen, dass Schüler abbrechen, weil sie es nicht mehr schaffen.
„Pflegehelfer mehr einsetzen dürfen“
Franz Vees ist Leiter der Pro-Curand-Seniorenwohnanlage Fideliswiesen in Sigmaringen und Mitglied im Landesfachausschuss Gesundheit.
Was wird im Fachausschuss diskutiert?
Da geht es um viele Themen, die auch ältere Menschen betreffen, wie den Fachkräftemangel oder die Landesheimbauverordnung.
Bereitet diese Ihnen auch Probleme?
Eigentlich nicht. Die Verordnung ist ja nicht neu. Wir müssen zu unseren 55 Pflegeplätzen fünf dazu bauen. Das vor allem aber auch, weil sich die zukünftigen Größe der Wohngruppen verändert. Das machen wir jetzt und erfüllen die Vorgaben.
Haben Sie ausreichend Fachkräfte?
Wir haben eine Fachkraftquote von 51 Prozent, die Vorgabe lautet 50 Prozent. Das kann morgen aber ganz anders sein, zum Beispiel durch Schwangerschaft. Wir müssen dringend darüber diskutieren, ob manche Tätigkeiten nicht auch von Pflegehelfern erledigt werden können. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine. Jetzt müssten sich die Verbände klar und mit einer gemeinsamen Richtung positionieren. Aber da hakt es noch.