Zwei Pflegeheime schließen
Wie eine Bombe schlug die Nachricht im November in der Heubergberggemeinde Stetten a.k.M. ein, dass das Ameos-Pflegeheim „Silberdiestel“ mit 68 Betten Ende 2019 geschlossen wird. Das Gebäude erfüllt die neuen Anforderungen der Landesheimbauverordnung nicht, wonach für Bewohner nur noch Einzelzimmer angeboten werden dürfen, und deshalb wird der Betrieb Ende des Jahres eingestellt. Auch in der Donaugemeinde Sigmaringendorf muss ein Pflegeheim mit rund 30 Plätzen schließen, weil es die neuen Vorgaben nicht erfüllt. Die Umrüstung beziehungsweise der Umbau der Räumlichkeiten zu Einzelzimmern bedeutet für viele Pflegeheime, dass es weniger Pflegeplätze gibt. „Wir steuern auf einen Kollaps zu“, befürchtet ein Heimleiter aus einem Nachbarkreis, der allerdings ungenannt bleiben will.
Verzweifelte Suche nach einem Pflegeplatz
Wie fragil die Situation in der gesamten Region ist, zeigte sich in der Weihnachtszeit, als beispielsweise die Krankenhäuser in der gesamten Region viele Patienten nach Hause schickten und es keinen freien Platz in der Kurzzeitpflege oder auch Tagespflege gab. Die Angehörigen suchen in einem immer größeren Radius nach Einrichtungen und verzweifeln angesichts der Absagen. Auch Wolfgang Scheitler, Leiter des spitälischen Alten- und Pflegeheims, kennt solche Anrufe, deren Zahl sich stetig erhöht: „Am Mittwoch hatte ich zehn Anrufe“, bestätigt Scheitler auf Anfrage des SÜDKURIER. Dabei ist er selbst mit der Umsetzung der Ein-Bett-Zimmer-Regelung beschäftigt. Bekanntlich hat der Spitalfonds für seinen Heimbetrieb eine Fristverlängerung beantragt, wobei man sich verpflichtete, ein neues Pflegeheim zu bauen.
Ausbildung für Helfer entfällt
Wolfgang Scheitler weist noch auf eine andere Veränderung hin, die die Pflegeproblematik nach seiner Überzeugung weiter verschärfen wird – das vom Gesetzgeber beschlossene Pflegeberufegesetz. Dabei werden die drei Ausbildungsrichtungen der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einem einheitlichen Berufsbild zusammengefasst. Positives Ziel ist, dass Auszubildende nicht von Anfang an auf ein bestimmtes Berufsbild festgelegt sind und man sich später zwischen mehreren Optionen entscheiden kann. Damit soll der Pflegeberuf insgesamt attraktiver werden, zumal die Ausbildung auch kostenlos ist. Die guten Ansätze stellt Scheitler auch nicht in Abrede, aber im Gesetzeswerk wird die Helferausbildung nicht erwähnt. Bislang konnten beispielsweise Hauptschulabsolventen in Baden-Württemberg eine einjährige Pflegeausbildung als Helfer machen. Wenn beim Abschluss der Notendurchschnitt besser als 2,5 war, konnten die Helfer eine Ausbildung zur Pflegefachkraft beginnen, die dann noch zwei weitere Jahre dauerte. Dank dieser Möglichkeit gelang es vielen Pflegeheimen die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen und den Personalmangel aktiv zu bekämpfen.
Heimaufsicht kritisiert fehlende Anträge
Die Heimaufsicht im Landratsamt bedauert die Entwicklung, und weist daraufhin, das Land im Jahr 2010 die Pflegeheimförderung komplett eingestellt habe und damit den Stadt- und Landkreisen jegliche Steuerungsmöglichkeit bezüglich des Angebotes genommen wurde. Auf Anfrage des SÜDKURIER ergänzt Sozialdezernent Frank Veser, dass sich Baden-Württemberg bewusst für eine schnelle Umsetzung der neuen Heimverordnung entschieden habe, und damit in Kauf nehme, dass nur wenige stationäre Einrichtungen die vollen 25 Jahre Übergangsfrist ausschöpfen können. Kritisch merkt Veser an, dass im Landkreis noch viele Heimträger davon ausgehen, dass ihnen diese Fristverlängerung zustehe und sie ihre Bestandsbauten nicht an die neuen Anforderungen anpassen müssten.
Wirtschaftliche Situation steht im Fokus
Kritisch äußert sich der Sozialdezernent über die öffentliche Darstellung mancher Träger, die suggerierten, dass durch die Heimbauverordnung die Versorgung im Alter gefährdet würde. In der Diskussion bezüglich des Wegfalls der Doppelzimmer spielten die Bedürfnisse der Menschen oft keine Rolle, sondern einzig die wirtschaftliche Situation der Heimträger. Selten werde dargestellt, was es bedeute, den letzten Lebensabschnitt mit nur wenig Privatsphäre mit einem Menschen in einem Doppelzimmer zu verbringen, der dort überwiegend aus Sachzwängen untergebracht sei.
Betreiber hoffenauf Übergangsfrist
- Bettenkapazität: Aktuell gibt es im Landkreis 19 Einrichtungen, die 923 Dauerpflegeplätze anbieten, darunter sind 67 eingestreute Kurzzeitplätze, die im Bedarfsfall als Dauerpflegeplatz genutzt werden können. Durch die Schließungen in Stetten a.k.M. und Sigmaringendorf verringert sich die Pflegeplatzzahl bis Ende 2019 auf 829. Dazu kommen 14 Kurzzeitpflegeplätze und 132 Tagespflegeplätze.
- Landesheimbauverordnung: Zum 1. September 2009 wurde die Heimbauverordnung mit der Neuregelung beschlossen, dass Heimbewohnern grundsätzlich ein Einzelzimmer mit eigenem Sanitärbereich zur Verfügung stehen soll. Für alle Bestandsbauten wurde eine zehnjährige Regelübergangsfrist und der Betrieb bis 31. August 2019 gewährt. Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass in Einzelfällen Träger eine Verlängerung von bis zu 25 Jahren bekommen können, wenn er belegen kann, dass die Investitionen zur Umsetzung der Heimordnung für ihn wirtschaftlich unzumutbar wäre.
- Doppelzimmer: Nach Angaben der Heimaufsicht wird dies immer möglich sein. Es werde weiterhin einzelne ausreichend große Doppelzimmer aufgrund von Befreiungen geben. In Neubauten nach 2009 müssen Nutzungseinheiten eingerichtet werden, die dann von zwei Menschen, die bewusst und gewollt zusammenleben wollen, bezogen werden können. (siv)