Die Pfullendorfer kennen die Situation, denn vor zehn Jahren wurde die Geburtenstation am heimischen Krankenhaus geschlossen und seitdem steht in keinem Personalausweis mehr als Geburtsort „Pfullendorf“. Jetzt hat die Geschäftsführung der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen darüber informiert, dass ab 1. Juli die Geburtshilfestation von Bad Saulgau vorübergehend nach Sigmaringen verlagert wird. Als Grund wird der sich zuspitzende Personalmangel genannt – konkret fehlen Hebammen. In der Kurstadt zeigen sich Bevölkerung und Kommunalpolitiker entsetzt und kündigen massiven Widerstand an. Wobei die Klinikleitung betont, dass die Maßnahme nur vorübergehend ist. Im vergangenen Jahr erblickten noch rund 680 Kinder im Krankenhaus Bad Saulgau das Licht der Welt.
3500 Unterschriften binnen weniger Stunden
Empört reagiert CDU-Stadtrat Thomas Zimmerer, der für seine Partei auch im Kreistag sitzt. Er sieht die temporäre Stationsschließung als mögliches Signal, dass der Krankenhausstandort Bad Saulgau in Gefahr sein könnte. Dass man diese Maßnahme mit Personalmangel begründet, ist für den engagierten Kommunalpolitiker nicht nachvollziehbar. „Es ist doch explizit Aufgabe einer Geschäftsführung für ausreichendes und qualifiziertes Personal zu sorgen“, prangert er die Personalpolitik der Klinikleitung im Gespräch mit dem SÜDKURIER an. Zimmerer ist auch Mitglied im Krankenhausförderverein und hat mit Mitstreitern eine Online-Petition zum Erhalt der Geburtsstation beziehungsweise der medizinischen Grundversorgung am Krankenhaus gestartet, die binnen eines Tages 3500 Unterschriften erhielt.
Viele Frauen schildern ihre Erfahrungen in der Geburtshilfestation im Krankenhaus Bad Saulgau
Viele Dutzend Unterzeichner, vornehmlich Frauen, die teilweise von ihren eigenen, ausnahmslos sehr guten Erfahrungen in der Station berichten, fügen ihrer Unterschrift noch Kommentare hinzu, in der sie ihr Unverständnis über diese Maßnahme eindrucksvoll äußern. Thomas Zimmerer kündigt zudem an, dass zusätzlich zur Online-Petition eine Unterschriftenaktion gestartet wird, die erstmals beim Wochenmarkt am heutigen Samstag aktiv ist. Er wisse, dass die Hebammensituation schon in der Vergangenheit sehr angespannt war und, dass man mit Leihhebammen den Personalengpass überbrücken konnte, was allerdings kostete.
Zukunftskonzept für Kliniken soll bis Monatsende vorliegen
Thomas Zimmerer erinnert im SÜDKURIER-Gespräch daran, dass die SRH-Holding bei ihrem Einstieg als Mehrheitsgesellschafter versprochen habe, alle drei Krankenhausstandorte zu erhalten.
Und bekanntlich entwickelt Geschäftsführer Jan-Ove Faust derzeit ein Zukunftskonzept für die Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH und seine Krankenhäuser in Sigmaringen, Bad Saulgau und Pfullendorf. Das Konzept soll bis 30. Juni vorliegen und dann den Gremien, sprich dem Kreistag und dem Spitalfonds Pfullendorf präsentiert werden. Dass während dieses Prozesses die Geburtshilfe in Bad Saulgau vorübergehend geschlossen werde, sei nicht akzeptabel.
Landrätin steht im Gemeinderat Rede und Antwort
Wobei Thomas Zimmerer bezüglich der Krankenhauszukunft auch und besonders den Landkreis als Gesellschafter gefordert sieht. Man dürfe sich nicht zurücklehnen, sondern müsse die SRH bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Hier sieht er Landrätin Stefanie Bürkle, Vorsitzende des SRH-Aufsichtsrates, in der Pflicht, sich aktiv einzubringen. Er forderte die Kreischefin auf, bei der nächsten öffentlichen Sitzung des Stadtrats Bad Saulgau am 24. Juni die Situation zu erklären. Auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte Bürkle, dass sie selbstredend bei der Gremiumssitzung dabei sein werde.
SRH: Verlagerung einzig dem Personalmangel geschuldet
Die SRH-Geschäftsleitung hat auf Anfrage des SÜDKURIER den Personalmangel präzisiert. Demnach waren im vergangenen Jahr exakt 3,6 festangestellte Hebammen in der Geburtshilfestation Bad Saulgau beschäftigt sowie 2,1 Leihkräfte. Aktuell seien es 3,41 Festangestellte und 2,72 Leihkräfte. „Ende Juni geht eine 0,5 Teilzeitkraft in den Ruhestand, eine andere macht sich selbstständig“, erklärt Pressesprecherin Barbara Koch, dass dann der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Sie betont eindringlich, dass die temporäre Schließung einzig dem Personalmangel geschuldet sei. Den von SPD-Mann Robin Mesarosch geäußerten Verwurf, dass man die Station durch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingung quasi mutwillig „gegen die Wand gefahren habe“, weist SRH von sich. Tatsächlich hatte Bad Saulgaus Bürgermeisterin Doris Schröter, Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Freien Wähler, bei einer Sitzung angemahnt, dass man die Geburtshilfestation dringend sanieren müsse. Die SRH habe die Arbeitsbedingungen optimiert, beispielsweise durch die Verlagerung der Geburtsstation auf die komfortablere Station A im Neubau, antwortet die Kliniksprecherin auf eine entsprechende SÜDKURIER-Frage.