Julia Lutz

Das neue Ausbildungsjahr hat am 1. September begonnen. Pünktlich trotz der Corona-Krise. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben meldet allerdings einen deutlichen Rückgang bei den neu eingetragenen Ausbildungsverträgen. Zum 31. August verzeichnet die IHK 2 077 neue Ausbildungsverträge. Dies sind 11,7 Prozent weniger als im ausbildungsstarken Jahr 2019 und vier Prozent weniger als 2018. Der August zeigt sich jedoch so stark wie selten und gibt Grund zur Hoffnung. Mit einem Rückgang von 11,7 Prozent zum Ausbildungsstart ist die Wirtschaft in Bodensee-Oberschwaben nicht zufrieden, da Fachkräfte auch zukünftig dringend benötigt werden.

Industrie- und Handelskammer spürt Nachholeffekt

Jedoch sei der Rückgang bei Weitem nicht so groß wie ursprünglich befürchtet. „Aufgrund Corona-bedingter Schließungen, Homeoffice und Kurzarbeit verzögerte sich der übliche Ablauf bei der Auszubildendensuche für viele Betriebe. Jetzt ist aber ein deutlicher Nachholeffekt zu spüren“, zeigt sich Professor Peter Jany, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) erleichtert. So schrumpfte das Minus der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahresmonat von rund 17 Prozent im Mai auf heute unter 12 Prozent.

Jany: „Betriebe warten auf Bewerbungen“

„Allein im August wurden 289 neue Ausbildungsverträge geschlossen, mehr sogar als im besonders ausbildungsstarken Vorjahr 2019. „Wir haben die Hoffnung, dass das in gewissen Bereichen so weitergehen kann. Denn aktuell sind noch viele Ausbildungsstellen unbesetzt und die Betriebe warten auf Bewerbungen“, weiß Jany.

Rückgang im Kreis Sigmaringen etwas geringer

Auch im Landkreis Sigmaringen verzeichnet die IHK bei den neuen Ausbildungsverträgen ein Minus. Der Rückgang von insgesamt 485 auf 456 Verträge (6 Prozent) fällt dabei nicht so hoch wie in der Gesamtregion aus (11,7 Prozent). In den technischen Berufen (246, Vorjahr 276) und in den kaufmännischen Berufen (189, Vorjahr 194) ging es leicht zurück, hingegen konnte in den Hotel- und Gaststättenberufen (21, Vorjahr 15) ein leichtes Plus erzielt werden. Gefragte Berufe bei den jungen Leuten sind Industriemechaniker (62 neue Ausbildungsverträge), Industriekaufmann (41), Kaufmann im Einzelhandel (38) und Zerspanungsmechaniker (29).

Ausbildungsschwerpunkt liegt in den technischen Berufen

Warum ist der Rückgang im Vergleich zu den anderen Kreisen deutlich geringer? Eine genaue Erklärung dafür hat Nina Gerstenkorn, persönliche Referentin des Hauptgeschäftsführers, nicht. Die kaufmännischen Berufe seien in der Region Bodensee-Oberschwaben besonders vom Rückgang betroffen, sagt sie. Gerstenkorn erklärt aber, dass die Ausbildungsschwerpunkte im Landkreis Sigmaringen eher auf den technischen Berufen liegt. Deshalb, so vermutet sie, sei die Statistik im Kreis besser ausgefallen.

Im Kreis Sigmaringen sind technische Berufe nach wie vor besonders gefragt. Dazu zählt auch das Bild des Tischlers. Das Bild zeigt ...
Im Kreis Sigmaringen sind technische Berufe nach wie vor besonders gefragt. Dazu zählt auch das Bild des Tischlers. Das Bild zeigt Philipp Braunschweig, Jahrgangsbester der Schreiner-Innung. | Bild: Julia Lutz

Einzelhandel und Gastronomie holen wieder auf

Die Hoffnung auf eine weitere Verbesserung der Ausbildungssituation für die Region schöpft der IHK-Hauptgeschäftsführer aus den aktuellen Zahlen zu den Vertragsabschlüssen im Vergleich zu 2019. Gab es im Einzelhandel im Mai noch ein Minus von 13,3 Prozent im Vorjahresvergleich, so hat sich dies bis Ende August zu einem Plus von 5 Prozent gedreht. „Gerade für diese Corona-gebeutelte Branche ist das eine positive Entwicklung, die so nicht zu erwarten war. Dieser Effekt könnte sich in der Gastronomie oder in der Logistik ähnlich abzeichnen“, hofft Jany. Hatten die Gastronomieberufe Ende Mai noch ein Minus von 45 Prozent, so verzeichnen sie Ende August nur noch minus 22,3 Prozent.

Es gibt immer noch Ausbildungsplätze für dieses Jahr

Bei den Logistikberufen ging das Minus von 22,4 auf 9 Prozent zurück. Jugendliche hätten jetzt noch große Chancen, ihren Wunschausbildungsberuf zu ergreifen. „Alle, die vielleicht noch zögern oder unsicher sind, sollten sich noch im Herbst auf die Suche machen und sich beraten lassen. Denn in diesem Jahr wird es auch noch stark verzögert attraktive Ausbildungsplatzangebote geben“, betont Jany.

Das könnte Sie auch interessieren

Weniger Azubis in den technischen Berufen

Bei den technischen Berufen sind zum Stichtag (31.  August) 889 Verträge verzeichnet. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr (1017) um rund 18 Prozent überdurchschnittlich gesunken. Im vergangenen Jahr konnten hier noch zehn Prozent Steigerung verbucht werden. Besonders groß ist der Rückgang bei den Metallberufen mit 541 (Vorjahr 658) und den Fachinformatikern mit 106 (Vorjahr 122). Es sind exakt die zwei Bereiche, die im vergangenen Jahr für den Zuwachs in den technischen Berufen verantwortlich waren. Alle anderen technischen Berufe sind stabil.

Nur noch zwei junge Menschen lernen Tourismusberufe

Bei den kaufmännischen Berufen verzeichnet die IHK ein Minus von zehn Prozent von 1172 auf 1061 Verträge. Der Blick in die einzelnen Berufe zeigt einen deutlichen Rückgang bei den Industriekaufleuten von 202 im Vorjahr auf 168, bei den Kaufleuten für Büromanagement von 115 (Vorjahr) auf 94 und bei den Bankkaufleuten von 99 auf 88. Alles Berufe, welche im vergangenen Jahr noch Zuwächse verzeichneten. Die Tourismusberufe sind von 13 auf nur noch zwei neu abgeschlossene Verträge zurückgefallen. Derzeit kann lediglich der Einzelhandel mit einem Plus aufwarten.

Weniger Restaurantfachleute, mehr Einzelhändler

Im Beruf Kaufmann im Einzelhandel stieg die Zahl von 186 auf 190 und im Beruf Verkäufer von 111 auf 122. Bei den Hotel- und Gaststättenberufen ist der Rückgang von 162 (Vorjahr) auf 127 neue Ausbildungsverträge vor allem auf den Beruf Hotelfachmann zurückzuführen. Hier ging die Zahl der Neueintragungen von 85 auf 47 Verträge zurück. Bei den Restaurantfachleuten sank die Zahl von 17 auf zwölf Verträge und bei der Fachkraft im Gastgewerbe von elf auf sechs. Einzig bei den Köchen gibt es einen Zuwachs von 24 Prozent. Die Zahl der Ausbildungsverträge stieg hier von 41 auf 51.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch Handwerkskammer meldet viele freie Stellen

Die Handwerkskammer Reutlingen meldet 1577 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, ein Rückgang um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für Karl-Heinz Goller, den Leiter der Ausbildungsabteilung der Kammer, kommt diese Entwicklung angesichts der Corona-bedingten Einschränkungen nicht überraschend. „Ab März fanden praktisch keine Ausbildungsmessen und Berufsorientierungstage an Schulen statt. Damit entfielen in diesem Jahr wichtige Veranstaltungen, bei denen Jugendliche und Betriebe zusammenkommen. Deren Wegfall lässt sich nicht kurzfristig kompensieren.“ Auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe habe sich die Pandemie bislang nicht ausgewirkt, so Goller. Für den Ausbildungsbeginn 2021 sind bereits über 720 Lehrstellen aus den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb gemeldet.

Auf dem Portal deinweginshandwerk.azubi-match.com finden Jugendliche nicht nur offene Lehrstellen, sondern können direkt Kontakt mit dem Betrieb aufnehmen und ein erstes Gespräch vereinbaren. Die Aktion läuft bis zum 31. Oktober.