Das Amtsgericht Sigmaringen hat das Verfahren gegen einen 55-jährigen im Pfullendorfer Umland lebenden Mann, der wegen Nachstellung angeklagt war, unvermutet eingestellt. Richterin Isabelle Voß begründete dies damit, dass „kein Verfolgungsinteresse bis zum Letzten“ bestehen würde. Staatsanwaltschaft und der Verteidiger des Angeklagten, Andreas Schuster, erklärten sich mit dem richterlichen Beschluss einverstanden.
Er macht sich Hoffnungen auf mehr
Laut polizeilichen Ermittlungen hatte der Angeklagte, der verheiratet ist und Kinder hat, mit einer Escort-Dame aus Friedrichshafen regelmäßige Sexualkontakte gepflegt. Aus diesem amourösen Verhältnis hätte er sich wohl Hoffnungen auf eine dauerhafte Beziehung gemacht. Da die aus Osteuropa stammende Frau ihm dies verwehrte, hätte er versucht, ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Sie bekommt Blumensträuße von ihm
Daraus resultierte eine Vielzahl an Tathandlungen, die sich über ein halbes Jahr erstreckten. Unter anderem habe er eigene Screenshots von Erotikaufnahmen der Escort-Dame angefertigt und diese öffentlich zugänglich gemacht. Er habe sie der Prostitution bezichtigt und ihr unterstellt, Sexualverkehr auch ohne Verhütungsmittel anzubieten. Gleichzeitig hätte er ihr immer wieder mit persönlichen Wünschen versehene Blumensträuße geschickt. Und die Frau fühlte sich von ihm gestalkt – „Nachstellung im besonders schweren Fall“, wie es Staatsanwältin Röhrich beim Verlesen der Anklageschrift auf ihren Nenner brachte.
Angeklagter macht keine Angaben
Der mit den Vorwürfen der Anklage konfrontierte Angeklagte entschied sich jedoch in enger Abstimmung mit seinem Verteidiger, keinerlei Angaben zu machen, weder zu seinen ihm vorgehaltenen Handlungen, noch wo er aktuell beschäftigt ist. Mit dem Fall betraut war eine Polizeihauptmeisterin aus Friedrichshafen. Sie brachte den Prozess ins Rollen, indem sie ihre Ermittlungsakte an zuständige Instanzen weiterleitete.
Anzeige erstattet
Im Zeugenstand berichtete sie, dass die geschädigte Escort-Dame im Januar 2024 auf dem Häfler Revier erschienen sei, um Anzeige zu erstatten: Die Frau missbilligte die Indiskretion, dass auf einer Erotik-Plattform von ihr Aufnahmen erschienen sind – mit der These verbunden, dass sie auch Leistungen ohne Kondom anbieten würde. Einen ihrer Kunden hätte sie schwer im Verdacht, nämlich den Angeklagten, dieser hätte sich in sie verliebt. Aus den Schilderungen der Geschädigten schloss die Polizisten, dass diese bereits einen festen Partner hat.
Finanzhilfe von 3000 Euro
In ein stärkeres Abhängigkeitsverhältnis sei die Geschädigte gegenüber dem Angeklagten geraten, als sie von ihm während der Corona-Pandemie die Offerte einer Finanzhilfe von 3000 Euro annahm, die von ihr zurückgezahlt worden seien. Eine zweite Zahlung in Höhe von 6000 bis 8000 Euro hätte sie ebenfalls beglichen – im Kontrast zu weiteren Geldforderungen, die der Angeklagte an sie richtete.
Tatbestand der Nachstellung
Ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren gegen die Escort-Dame wegen Urkundenfälschung ist der Polizeihauptmeisterin bekannt, auf jenem Dokument wurden Rückzahlungen bestätigt. Dieses Verfahren sei im März 2024 eingestellt worden. Die im Raum stehenden persönlich belästigende Annäherung des Angeklagten im Januar 2024 gegenüber der Frau würden aus ihrer Sicht den Tatbestand einer Nachstellung nicht erfüllen.
Pfullendorfer Polizei ermittelt ebenfalls
Auch die Pfullendorfer Polizei ermittelte in diesem Fall. Ein 25-jähriger Polizeibeamter fand heraus, dass dem Angeklagten wohl drei E-Mail-Adressen als Übermittlungsquelle gedient hätten, zwei über einen mutmaßlichen Geschäftspartner in München-Oberhaching, eine WhatsApp-Nachricht war direkt auf seine Geschäftsverbindung zurückzuführen. Als nachteiliger Punkt im Sinne der Anklage dürfte die Tatsache sein, dass die Geschädigte nicht vor Gericht erschienen ist.
So geht das Verfahren aus
Ob ihr Versäumnis am fehlenden Interesse oder an Mängel einer Postzustellung lag, darüber wollte Richterin Isabelle Voß nicht spekulieren. Sie schlug aber durch das weiterhin beharrliche Schweigen der Verteidigungsseite den Prozessbeteiligten ein Beratungsgespräch vor. Danach beriet sich der Anwalt mit seinem Mandanten. Das Ergebnis der Beratung war die Einstellung des Verfahrens.