„Ein Mensch vergisst, ein Dorf nie.“ Mit diesem Satz wird häufig die Wirkungsweise einer Dorfgemeinschaft beschrieben, bevor Individualismus und Urbanisierung dieser Überwachung scheinbar ein Ende setzten. Aber das Gedächtnis von Dörfern, Städten und Staaten besteht nicht nur aus den Erinnerungen der Menschen, sondern ist festgehalten in Dokumenten, Urkunden, Schriften und Büchern. Im Landkreis Sigmaringen gibt es in den 25 Gemeinden samt Ortsteilen zahlreiche Kommunal- und Pfarrarchive und man hat mit dem Staatsarchiv, dem Haus- und Domänenarchiv des Fürsten von Hohenzollern sowie dem Klosterarchiv der Erzabtei Beuron überregional bedeutsame Archive, in denen die Geschehnisse der vergangenen Jahrhundert aufbewahrt werden. Diese wichtigen Einrichtungen vor Ort stehen im Fokus des diesjährigen Kulturschwerpunktes des Landkreises und des Kreiskulturforums. Das von Mai bis November geplante Programm mit 32 Veranstaltungen in zehn Orten stellten Landrätin Stefanie Bürkle und Kreisarchivar Dr. Edwin Weber im Landratsamt vor. Als „Gedächtnis der Gesellschaft“ bezeichnete die Kreischefin Archive, in denen das Wissen vergangener Zeiten lebendig werde. „Wir haben im Landkreis eine außergewöhnlich vielfältige Archivlandschaft“, ergänzte Bürkle, dass hierbei die Pfarrarchive eine herausragende Bedeutung hätten.

Kreisarchivar Edwin Weber übergibt Landrätin Stefanie Bürkle das Programmheft zum Kulturschwerpunkt 2022 im Landkreis.
Kreisarchivar Edwin Weber übergibt Landrätin Stefanie Bürkle das Programmheft zum Kulturschwerpunkt 2022 im Landkreis. | Bild: Volk, Siegfried

Archive der Kirchen unverzichtbar

Während die Kulturschwerpunkte in den vergangenen Jahren sich mit eher übergeordneten Themen wie „Demokratie und Freiheit“ oder „Handwerk und Industrie“ beschäftigt hätten, stünden nun diese wichtigen Kulturinstitutionen im Mittelpunkt, verhehlte Kreisarchivar Weber seine Begeisterung für das Thema nicht. Man könne durch diese historischen Rechtsdokumenten nicht nur am Leben der Menschen teilhaben, sondern könne auch herrschaftliche Auseinandersetzungen oder schwierige Rechtsbeziehungen ablesen. Unverzichtbar für die Chronistenpflicht sind für den Heimatforscher die Archive der Kirchen, und manche dieser Dokumente wirken bis heute nach. Weil in früheren Jahrhunderten jede Gemeinde einen eigenen Pfarrer haben wollte, machte man den Kirchen große Zugeständnisse, was beispielsweise Baulasten, sprich den Unterhalt von Kirchengebäuden angeht. Und diese Zusagen werden von den Kirchen auch heute noch eingefordert, was des Öfteren zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der weltlichen Gemeinde führt.

Hunderttausende von Bänden gelagert

Während im Kreisarchiv im Landratsamt etwa 20 000 Bände lagern, befinden sich in der Klosterbibliothek Beuron 300 000 bis 400 000 Bände, erklärte Weber diese schiere Menge mit der Vergangenheit der Erzabtei, die einst eine eigene Universität hatte. Einen Höhepunkt, falls Corona keinen Strich durch die Rechnung macht, gibt es am 2. Juli mit einer Kreisexkursion. Dann besuchen die Teilnehmer fünf Bibliotheken in Sigmaringen und Beuron. Zwei Wochen später findet im Staatsarchiv Sigmaringen der „Tag der Regionalgeschichte“ statt, bei dem sich Geschichtsvereine, Archive und Museen aus Oberschwaben an Ständen über ihre Aktivitäten, Forschungen und Publikationen informieren.

Auftakt am Sonntag in Mengen

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Der Auftakt zum Kulturschwerpunkt 2022 ist diesem Wochenende bei den Heimattagen in Mengen, wo am morgigen Sonntag, 8. Mai, 11 Uhr, im Stadtmuseum die Ausstellung „Die Urkunden des Stadtarchivs Mengen“ eröffnet wird. Zwei Tage später stellt sich das Staatsarchiv Sigmaringen vor und am Sonntag, 15. Mai, 15 Uhr, findet in der Stadtbücherei Pfullendorf die Vernissage der Ausstellung „Augenblicke“ statt, in denen Bilder von Birgit Brandys zu sehen sind. Ausdrücklich lobte Edwin Weber dabei das Kulturangebot von Büchereileiterin Martina Feldt und ihrem Team, die in der Bücherei ganzjährig ein beeindruckendes Programm organisierten.

Eine Bildtafel mit Teilnehmern und Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Otterswang. Unter dem Motto „Schätze des Gemeindearchivs ...
Eine Bildtafel mit Teilnehmern und Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Otterswang. Unter dem Motto „Schätze des Gemeindearchivs Otterswang“ sind solche ausgewählten Dokumente am 22. Mai, 14 bis 17 Uhr, bei einer Ausstellung zu sehen. | Bild: Gemeindearchiv Otterswang.

Auch die katholische öffentliche Bücherei Wald ist beim Veranstaltungsprogramm dabei, und am 16. Mai, 19 Uhr, stellt sich die Einrichtung vor. Im Pfarrsaal findet um 20 Uhr ein Vortrag zur Geschichte der Glasbläserei und der Siedlung Glashütte statt. Ein Highlight ist dann am 21. und 22. Mai in Otterswang geplant. Im Dorfgemeinschaftshaus wird die Ausstellung „Schätze des Gemeindearchivs Otterswang“ gezeigt, die für Besucher am Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet ist. Einblicke in ihre Bestände und ausgewählte „Schätze“ gewährt das Stadtarchiv Bad Saulgau am 8. Juni und die Klosterbibliothek Beuron am 11. Juni, wobei die Teilnehmerzahl jeweils begrenzt ist.

Veranstaltungen bis November

Einmalige Dokumente zur Stadtgeschichte von Pfullendorf präsentiert Kreisarchivar Weber am 15. Juni. Eine Gesprächsrunde „Vom Nutzen von Heimatliteratur und Heimatbüchereien“ findet am 23. Juni, 19 Uhr, im Kulturzentrum Alte Schule in Sigmaringen statt, bei dem unter anderem der Schriftsteller Arnold Stadler und der Journalist Christoph Wartenberg beteiligt sind. Bis November gibt es Ausstellungen, Führungen und Vorträge und den Abschluss bildet die Eröffnung der Ausstellung „Schätze des Kreisarchivs Sigmaringen“ am 13. November in der Kreisgalerie Schloss Meßkirch.