Mitten in der Corona-Pandemie, in der Landespolitiker wie Sozialminister Manne Lucha vor der drohenden Überlastung der Gesundheitsämter warnen, hat die grün-schwarze Landesregierung an das Gesundheitsamt im Kreis Sigmaringen eine zusätzliche Aufgabe delegiert – die medizinische Untersuchung von Flüchtlingen genannt. Bislang erfolgte diese Untersuchung in Baden-Württemberg zentral in Erstaufnahmestelle in Heidelberg. Im Anschluss wurden die Flüchtlinge auf die Landeserstaufnahmestellen(LEA) verteilt und von dort auf die Kommunen.

Landratsamt Sigmaringen wurde von der Entscheidung überrascht

Wie Landrätin Stefanie Bürkle in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses in der Donau-Lauchert-Halle in Sigmaringendorf informierte, fällt Heidelberg als Standort für den Medizincheck aus und deshalb erfolgt die medizinische Untersuchung der geflüchteten Menschen nun in den LEA‘s in Sigmaringen und Ellwangen/Jagst. Von der Entscheidung beziehungsweise der Anordnung des Landes wurde das Landratsamt überrascht. „Wir werden vor eine schwierige Aufgabe gestellt“, übte sich die Kreischefin in Diplomatie, wobei die heimische Behörde mit der Zuweisung von etwa 50 Umas pro Woche rechnet.

Erster Antrag bei der Bundeswehr zur Abstellung eines Arztes wurde abgelehnt

Diese zusätzliche Aufgabe führt das Gesundheitsamt Sigmaringen noch näher an seine Belastungsgrenze und deshalb hat das Landratsamt einen Antrag bei der Bundeswehr auf Unterstützung gestellt. Konkret wurde um die Hilfe eines Arztes sowie zweiter Verwaltungskräfte nachgefragt, deren Kosten vom Land übernommen werden. Der Erstantrag auf einen Arzt wurde von den Streitkräften abgelehnt, während die Verwaltungskräfte bewilligt wurden. Bezüglich des Doktors hat man einen zweiten Antrag nachgeschoben, wobei der Landkreis beziehungsweise das Gesundheitsamt mittlerweile einen pensionierten Krankenhausarzt für diese Aufgabe gewinnen konnte. „Die Finanzmittel sind nicht das Problem, sondern das Personal“, brachte Landrätin Bürkle das Dilemma auf den Punkt.

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19 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind derzeit in der LEA Sigmaringen

In den vergangenen Monaten verringerte sich die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, sodass man in der Außenstelle des Jugendamtes in der LEA Sigmaringen das Personal halbierte, wobei die Einrichtung auf jeden Fall bestehen bleiben soll. Seit 2015 die Flüchtlingswelle anrollte und in der als LEA genutzten früheren Graf-Stauffenberg-Kaserne bis zu 3000 Flüchtlinge untergebracht waren, galt den Umas stets ein besonderes Augenmerk. Die Kosten für ihre Betreuung in den vergangenen fünf Jahren bezifferte Hubert Schatz, Fachbereichsleiter Jugend, auf 12,8 Millionen Euro, wobei dem Landkreis das Geld vollständig erstattet wird. Aktuell befinden sich 19 minderjährige beziehungsweise junge volljährige Auslander in der Zuständigkeit des Landkreises und für 2021 rechnet Schatz mit durchschnittlich 25 Hilfefällen. Das Budget ist mit 970 000 Euro kostenneutral veranschlagt, denn das Land übernimmt 100 Prozent der Kosten.

Mehr Pflegefamilien im Kreis Sigmaringen

Derzeit gibt es 123 Pflegekinder im Kreis Sigmaringen, informierte Hubert Schatz, Fachbereichsleiter Jugend, in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Binnen fünf Jahren hat sich ihre Zahl um 25 Prozent erhöht. Als höchst erfreulich werten Behörde und die Ausschussmitglieder, dass es im selben Zeitraum gelungen ist, die Zahl der Pflegefamilien von 51 auf aktuell 103 fast zu verdoppeln. Denn die Unterbringung in einer Pflegefamilie, die für die Aufnahme eines Kindes monatlich 272 Euro sowie den Unterhalt des neuen Familienmitgliedes erhält, ist gegenüber der Heimunterbringung viel günstiger. Die fachliche Betreuung der Pflegefamilien wird von fünf Beschäftigen des Pflegekinderdienstes mit drei Vollzeitstellen gewährleistet. Vier Familien bieten zudem Plätze für die sogenannte Bereitschaftspflege an, also akute Notlagen, in denen ein Kind außerhalb der Familie untergebracht werden muss. Wenn beispielsweise eine Alleinerziehende unerwartet ins Krankenhaus muss und niemand das Kind versorgen kann. Die Zahl solcher Fälle betrug 2020 27, gegenüber 35 Fällen im Vorjahr und 40 beziehungsweise 41 in den Jahren 2018 und 2017. Durchschnittlich bleiben die Kinder 37 Tage in der Bereitschaftspflege, Im Jahr 2014 waren es noch 93 Tage. Die Nachfrage nach Pflegefamilien ist weiter sehr hoch. So absolvierten 2020 zwölf Familien ein Vorbereitungsseminar und nur in zwei Familien sind die Plätze derzeit nicht belegt.