Eine eindrückliche Premiere feierte das Winterstück „Letzte Hoffnung Schweiz“ des Jungen Ensembles der Waldbühne Sigmaringendorf in der Donau-Lauchert-Halle. Unter Leitung der Regisseurin Nadja Kiesewetter entwickelt die Jugendgruppe alle zwei Jahre für die Winterproduktion ein Stück mit historischem Hintergrund. „Die jungen Schauspieler sind offen dafür, sich in den Winterstücken auszuprobieren“, sagt Fabian Felbick vom Vorstand der Waldbühne. Den Anstoß zum diesjährigen Winterstück hatte Toni Badouin aus dem Theaterverein gegeben und sorgte für die Inspiration zum gefühlvollen Theaterstück über die Arbeitsmigration mutiger junger Frauen in der Nachkriegszeit.
Zeitzeuginnen befragt und Fachliteratur gelesen
Die Jugendgruppe hatte bei Recherchen dazu Fachliteratur zu Rate gezogen. In langen Gesprächen erzählten Zeitzeuginnen aus der Region ihre persönlichen Migrationsgeschichten. Die daraus entstandenen Videoaufnahmen wurden während den entsprechenden Szenen der Aufführung auf der großen Leinwand über den Akteuren eingeblendet.

Die Gesprächspartnerinnen erzählten von ihren schönen Erinnerungen, jedoch auch von dem Schweren. Auf der Bühne gab es nur wenige Requisiten, die mit Bedacht ausgewählt waren und immer wieder neue Funktionen erfüllten. So lenkt den Zuschauer nichts von der intensiven Bühnenhandlung ab. Auch die eingespielte Klaviermusik zwischen den Szenen ist sehr einfühlsam dosiert.
Nachwuchs der Waldbühne begeistert Besucher

Eindrücklich war vor allem die schauspielerische Leistung der jungen Akteure. Eines ist sicher, die Waldbühne braucht sich um seinen Nachwuchs und Fortbestand nicht zu sorgen. Die jungen Akteure spielten ihre Rollen nicht. Nein, sie tauchten in diese ein und lebten authentisch die Charaktere, die sie verkörperten und weckten damit Emotionen beim Publikum.
Abertausende Frauen gingen in die Schweiz
Da es in der Nachkriegszeit für junge deutsche Frauen in der Heimat weder Zukunft, Schulbildung, Ausbildung, noch Arbeit gab, gingen abertausende von ihnen in die Schweiz. Sie träumten von einer besseren Zukunft in einem Land, das nicht vom Krieg betroffen war, von genug Essen, Schokolade und Heidelbeerkuchen, sauberen Straßen, Kultur, neuen Bräuchen und vollen Schaufensterauslagen.
Mit all ihren Hoffnungen und Erwartungen reisten die jungen Frauen als Pionierinnen ihrer eigenen Zukunft in die Fremde, um dort ihr Glück zu versuchen, Geld für die Familie daheim zu verdienen, oder mit einer Ausbildung dem damaligen Rollenbild als spätere Hausfrau und Mutter zu entgehen. Hatten sie in monatelanger Arbeit die Papiere für ihre Ausreise zusammen, wartete an der Grenze als nächste Hürde ein Gesundheitscheck. Wurde dieser nicht bestanden, hieß es zurück in die Heimat!
Junge Frauen kommen in der Realität an

Einige fanden Wohlstand und Freiheit, manche ihr Liebesglück. Andere mussten von früh bis spät schuften und wünschten sich bald wieder heim. Doch es gab kein zurück. Die Familie in Deutschland brauchte das Geld. Den deutschen Arbeitsmigrantinnen ging ein schlechter Ruf voraus, sie wurden als „Ausländerinnen“, die sich junge Schweizer angeln wollten, angesehen. Für die jungen Akteure ist die Umsetzung dieser Zeitzeugenerlebnisse sicher nicht leicht. Die Theaterpädagogin Nadja Kiesewetter achtet darauf, dass die Schauspieler in ihre Rolle hineinfinden, aber nach dem Stück auch wieder aus dieser Rolle herauskommen.
Premierenbesucher sind begeistert
Die Halle ist bei der Winterproduktion pro Vorstellung reduziert, was wiederum für eine dichtere Atmosphäre sorgt. Unter den begeisterten Premierenbesuchern war Jolande Erler aus Dormettingen/Balingen: “Es war sehr berührend und großartig. Ich hatte ein Gänsehautgefühl. Ich bewundere, dass so junge Menschen solche Themen aufgreifen und mit ihren Emotionen und Bildern Geschichten erzählen.“