Nach fast zehnjährigem Dornröschenschlaf und Gesamtinvestitionen in Höhe von 33,5 Millionen Euro wird am kommende Wochenende das ehemalige Lindauer Stadtmuseum auf der Insel als „Cavazzen Museum Lindau“ feierlich wiedereröffnet.
„Lieber Gott, hier müssen wir etwas tun“, dachte sich Lindaus Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2010. In einem der prachtvollsten Bürgerhäuser am Bodensee verbarg sich ein arg in die Jahre gekommenes Stadtmuseum, bei dem weit mehr als der Putz von den Wänden bröckelte.
Die Mängelliste reichte von schwerwiegenden Schäden an der Gebäudesubstanz über eine veraltete Haustechnik bis hin zu konservatorisch ungenügenden Depoträumen im feuchten Keller und einem zugigen Speicherboden. Nach Aussagen von Bauüberwacher Florian Weber zogen sich enorme Risse durch das barocke Gebäude, die Statik war teilweise nicht mehr gewährleistet.
Revitalisiert wurde das gesamte Bürgerhaus, das sich in den sogenannten kleinen und großen Cavazzen gegliedert. Das denkmalgeschützte Objekt wurde sensibel umgebaut und mit modernster Technik ausgestattet. „Wir sind sehr stolz, dass wir es alle zusammen geschafft haben und das Museum jetzt komplett vom mittelalterlichen Keller bis zum Dachboden erschlossen und zugänglich sein wird“, freut sich Museumsleitern Barbara Reil wenige Tage vor der feierlichen Eröffnung.

Für das Innenleben des Museums konnte das Team um Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn das renommierte Berliner Studio für Museumsplanung und Ausstellungsgestaltung Duncan McCauvley gewinnen, die Objekte wie das Besucher- und Informationszentrum des Deutschen Bundestages in Berlin, oder den Tower of London beraten. In Lindau war Tom Duncan als Ausstellungsgestalter vor Ort. „Uns ging es um elegante, zurückhaltende Gestaltung, bei der die gezeigten Objekte im Mittelpunkt stehen“, so Duncan.
Dabei ist es den Museumsmachern bestens gelungen, eine Brücke zwischen alt und neu zu schlagen: Das Museum kann jetzt über drei Eingänge betreten werden, die allesamt von filigranen Kunstobjekten des Ukrainers Aljoscha dominiert werden. Insgesamt schweben 36 luftige farbenfrohe Objekte im ganzen Museum umher.

Die Dauerausstellung im prachtvollen Bürgerhaus kommt darum natürlich multimedial daher und erzählt Lindauer Geschichte, auch wenn es selbstredend in dieser traumhaften Umgebung auch dunkle Zeiten gab, alles in leicht verdaulichen, abwechslungsreichen Happen.
Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte wie so ein edles Bürgerhaus im Untergrund aussieht, sollte zuerst in den mittelalterlichen Gewölbekeller steigen, oder mit dem Aufzug fahren, den es jetzt im Haus gibt. Dort entstand sensibel restauriert ein großer Saal, der für Lesungen und Konzerte genutzt werden soll, aber auch für Veranstaltungen angemietet werden kann samt Profiküche.

Der Rest des Cavazzen Museums kann in drei voneinander unabhängigen Rundgängen besichtigt werden. Sie widmen sich der Blütezeit des Reichs- und Handelsstadt Lindau, dem von Königen und Dampfmaschinen geprägten 19. Jahrhundert und schließlich den Krisen und Kriegen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts.
Ganz ohne Objekte kommt die Geschichte des berühmten Lindauer Boten aus, der vom 15. bis zum 19. Jahrhundert im Auftrag der Kaufmannschaft Post und wertvolle Eilgüter über die Alpen via Kutsche bis nach Mailand brachte. Mitverfolgen können die Besucher die mühsame Tour mit Hilfe einer bewegten Rauminstallation.
Auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs wird den Museumsbesuchern in erster Linie durch persönliche Schicksale an Schautafeln erzählt, als mit Objekten. Aber die wenigen stehen pointiert im Raum: Wie der berühmte Trommlerbub, der bis in die 80er Jahre auf der Lindauer Insel einen Brunnen zierte, für viele Diskussionen sorgte und schließlich von Unbekannten vom Sockel gerissen wurde, wiederauftauchte, wenn auch ohne Kopf und so, als Erinnerung an eine dunkle Zeit jetzt kopflos im Museum steht.

Insgesamt setzt man in Lindau auf Geschichten, Erzählungen und Filme. So gibt es zur Entstehung Lindaus einen achtminütigen Film, derzeit nur in deutscher Sprache, symbolisch erzählt von einem jungen Hafenarbeiter, in naiv anmutenden Zeichnungen gehalten und kurzweilig geschildert und für jedermann bestens verständlich gehalten. Nur wenige Ausstellungsstücke zeigen Objekte und Bilder zu Lindaus bewegter Geschichte.
Zu sehen gibt es eine große Figur des Heiligen Michaels, einige Schmuck- und Kunstobjekte, aber auch einen ledernen Löscheimer, der an verheerende Feuersbrünste in der Inselstadt erinnern soll, optisch untermalt mit lodernden Flammen. Wer ganz nach oben steigt, hat nicht nur traumhafte Ausblicke über die Stadt, sondern sieht auch einen aufwändig restaurierten Dachstuhl – daneben dicke Abluftrohre und moderne Technik. „Wir diese Sachen absichtlich nicht versteckt um die Kontraste zwischen alt und neu zu zeigen“, erklärt Alexander Warmbrunn.

Gut vorstellbar, dass es den Lindauer Museumsmachern mit ihrer Neugestaltung gelingen könnte, auch Menschen Stadt- und Heimatgeschichte näher zu bringen, die bei einem Lindau Besuch nicht unbedingt ins Museum wollen – es ist kurzweilig, abwechslungsreich und im besten Sinne lehrreich ohne belehrend sein zu wollen. Ob das Konzept aufgeht, wird sich schon am kommenden Wochenende zeigen, nach dem offiziellen Festakt am Freitag im Lindauer Stadttheater wird am Samstag und Sonntag im und vor dem Museum ausgiebig gefeiert und am Samstag kann das Museum kostenfrei besucht werden.
Am 17. Und 18. Mai wird die Museumseröffnung unter dem Motto „La Festa“ gefeiert. Neben einer italienischen Nacht mit Musik und Essen auf dem Marktplatz vor dem Museum gibt es zahlreiche Veranstaltungen. Das komplette Programm gibt es unter: www.kultur-lindau.de
Ab Dienstag ist das Museum dann immer von Dienstag bis Sonntag von 10 – 18 Uhr geöffnet. Eintritt: Erwachsene 8 Euro, Kinder (von 6 –einschl. 17 Jahren) 4 Euro. Ermäßigt: 6 Euro. Familien: 18 Euro