Wenn man sieht, wie Tonis Vater und wie Toni selbst trauern, könnte man schon auf den Gedanken kommen zu pauschalisieren. Hier der Erwachsene, der sich völlig in seinem Kummer vergräbt, da die Zehnjährige, die sich intuitiv mit ihrer Freundin YumYum zusammentut und gemeinsam über den Tod ihrer Mutter und ihren Schmerz nachdenkt. Und dabei das Lachen nicht vergisst. Das ist sehr schön zu beobachten auf der Werkstatt-Bühne des Konstanzer Theaters, wo die Premiere von „Himmelwärts“ stattgefunden hat. Das Stück hat Karen Köhler für Ab-Achtjährige geschrieben.
Trauer, federleicht verpackt
Regisseur Juli Paul Bökamp hat das federleicht verpackte Stück über Trauer und „Vermissung“ unmittelbar umgesetzt. Links hinten auf der Werkstattbühne das Arbeitszimmer, in der Mitte das Zelt, in dem Toni und YumYum übernachten dürfen, rechts oben dieser geheimnisvolle Lichtkegel (Bühne und Kostüme sind von Sofia Falsone). An Karen Köhlers wunderbarem Stück muss man auch nicht herumdoktern. Sarah Siri Lee König als Toni und Alicia Bischoff als YumYum erobern die Bühne ohnehin sogleich. Kaum da, möchte man ihnen einfach nur zuschauen, wie sie aus den beiden so unterschiedlichen Zehnjährigen richtige Charakterköpfe formen.
Schneuztuch bereithalten!
Mit Tricks schaffen es die Mädchen, einen Haufen Snacks wie Saure Pommes und Chips am Vater vorbei in den Garten zu schaffen. Wie sie ihn dazu gebracht haben, dass sie dort im Zelt übernachten dürfen, will man gar nicht wissen. Auf jeden Fall ist er öfter am Telefon, um YumYums Mutter ungeschickt mit Unwahrheiten zu beruhigen. Ingo Biermann spielt einen sehr liebenswerten und sehr traurigen Mann, der aber auch sehr schön Musik macht. Wenn er „Tears in Heaven“ auf der Gitarre anstimmt, könnte ein griffbereites Schneuztuch nicht schaden. Gefühle dürfen sein in dieser Inszenierung. Dass sie nicht ins Kitschige kippen, dafür sorgen auch die beiden Schauspielerinnen, die frech-rotzig und traurig bruchlos zusammenbringen. Toni ist die mit der freien Phantasie, YumYum, die so heißt, weil sie mit Hingabe die Instant-Nudeln ungekocht kaut, interessiert sich leidenschaftlich für das Weltall. Großer Wagen, Schwarze Löcher und so. Das liefert tolle Momente des Nachdenkens in Köhlers fein gebautem Stück.
Im Himmel oder im Weltraum
Vielleicht ist die Unvorstellbarkeit des Weltalls vergleichbar mit der Unvorstellbarkeit des Todes. Wie üblich wurde Toni erzählt, ihre an Krebs gestorbene Mutter sei im Himmel. Umso spannender, als beim Versuch, mit ihr Kontakt aufzunehmen, in dem selbstgebauten Weltraumradiofernseher die Astronautin Zanna erscheint. Sie umkreist auf der ISS die Erde und philosophiert mit den Mädchen über Frauen im Weltall, den Tod und die Schönheit der Erde. Anna Eger spielt Zanna mit den wirren, als Zeichen der Schwerelosigkeit abstehenden Haaren mit wunderbarer Wärme als beschützende, aber auch einsame Frau, die sich nach dem Leben auf der Erde sehnt. Wer weiß, was es mit ihr auf sich hat.
Ein Theater-Abenteuer, das Herz und Hirn ergreift, über den Tod und das Leben und die Rolle von Saure Pommes dabei.
Nächste offene Vorstellungen am 18. und 25. Mai. Karten: theaterkasse@konstanz.de