Herr Zahrt, Sie schreiben, Ihr Vorname Peter stünde für „Stein und Härte“. Was meinen Sie damit?

Peter Zahrt: Ganz einfach: Peter, Petrus und Pierre sind die Bezeichnungen für Stein...

Und Za(h)rt für Sinnlichkeit...

Zahrt: Ja, Zahrt meint ein gewisse Sensibilität.

Wie kommt man als ausgebildeter Werbekaufmann zur Kunst?

Zahrt: Der ideenreiche Gestalter muss in erster Linie kreativ sein. Es ist die Grundlage für einen künstlerischen Bereich. Ein Musiker, der nur Töne spielt, macht keine Musik. Sinnlichkeit gehört dazu.

Sie sagen, Werbung gilt als die hohe Kunst der Verführung. Inwiefern?

Zahrt: Es sollte so sein. Vielen Kunden habe ich gesagt, „denkt mal an die Zeit, in der ihr noch Liebesbriefe geschrieben habt“. Man hat sich bemüht, sich selbst gut darzustellen. Ein Überzeugen mit Charme, Geist und Witz.

Ein Bild aus der Serie „Zartoons“ von Peter Zahrt.
Ein Bild aus der Serie „Zartoons“ von Peter Zahrt. | Bild: Picasa

Sie haben, bevor Sie an den Bodensee gekommen sind, in Frankfurt gelebt. Haben Sie den Schritt jemals bereut?

Zahrt: Garantiert nicht. Frankfurt war Anfang der 1970er Jahre im Umbruch. Dort leben war anstrengend. Hier am See hat man es definitiv ruhiger, es ist hier eine andere Lebensqualität.

Wie funktioniert das: der Maler als Hofnarr und Kabarettist. Welche Rolle spielt der Humor in Ihrer Arbeit?

Zahrt: Die wichtigste. Ringelnatz spricht vom Humor als Notwehr. Bevor einem der Kragen platzt, kann der Humor helfen. Etwa eine Härte zu nehmen. Die Steigerung ist dann die Satire. Da muss man hart zuschlagen. Das ist dann wieder Petrus der Stein...

Sie schreiben auf Ihrer Website, Sie seien „ganz viele“. Der Schaffende als multiple Persönlichkeit?

Zahrt: Ganz praktisch gesehen: Ich habe mich früh in Ateliers rumgedrückt. Weil es da die hübscheren Mädels hatte, und ich konnte Layouts machen, mit gestalten. Ich habe fotografiert, bis hin zum Playboy. Alles was ich gemacht hatte, war auf eine Art erfolgreich. Man hat viele Dinge gemacht, die auch anerkannt wurden.

Der Künstler

Sie haben in fast 150 Ausstellungen Ihr Können gezeigt. Woher nehmen Sie diese Schöpfungskraft?

Zahrt: Mit meiner Frau ist noch kein Tag vergangen, an dem wir uns nicht unwahrscheinlich wohl fühlen. Diese innere Ruhe ist es, diese Glücksgefühle. Das schätzen wir jeden Tag. In der Werbung habe ich gelernt, Ideen zu entwickeln. Eine Karikatur ist das gleiche wie ein Politposter. So entstehen auch meine Bilder.

Was fasziniert Sie so an Steinen, diese sind ja geduldige Wesen?

Zahrt: Im Prinzip alles. Ich habe viele Berichte geschrieben in Zeitungen. Für mich ist der Stein ungeheuer vielseitig. Steine in Herzform, in Form von Buchstaben, der Stein ist unendlich. Unsere Phantasie belebt den „toten“ Stein.

Wie wird man auf die zu bearbeitenden Fundstücke aufmerksam?

Zahrt: Picasso sagte: „Ich suche nicht, ich finde.“ Das meint, mit offenen Augen durch die Landschaft gehen. Wenn man Steine sucht, findet man sie nicht. Man ist auf einer Art Entdeckungsreise. Es braucht auch eine Sammlerleidenschaft. Kleine Wunder sehen.

„Ungefähr 500 Jahre nach da Vinci umgemalt von Pietro da Costanza“ steht unten auf dem Bild. Oben: „AngelLisa“.
„Ungefähr 500 Jahre nach da Vinci umgemalt von Pietro da Costanza“ steht unten auf dem Bild. Oben: „AngelLisa“. | Bild: Picasa

Und wie steht es mit dem Element Wasser?

Zahrt: Von Fluss, Bachbett oder Wasserfall kann ich inspiriert sein. Die Fahrt über die Rheinbrücke war für mich mehr eine Fahrt ins Ausland als ans Kuhhorn zum Beispiel.

Was meinen Sie mit der „Schule des Staunens“?

Zahrt: Die Uridee war, dass Kokoschka in Salzburg die Schule des Sehens gegründet hatte, das fand ich faszinierend. Ich war als Kind in Salzburg und habe Kunstschülern bei der Arbeit zugeschaut. Für mich war das Sehen zu wenig. Um zu sehen, muss man erst suchen. Wenn etwas entdeckt wird, entsteht viel mehr als nur Sehen und Gemaltwerden. Dann kommt es zum Staunen. Kästner hat gesagt: „Wer nicht mehr staunen kann, kann keine Wunder mehr erleben.“ Das scheint die Grundlage aller Philosophie.

Ihre Kunst ist ja durchaus auch politisch. Was sagen Sie zur aktuellen Situation, in Europa, in den USA?

Zahrt: Im Augenblick das Schlimmste, was wir erleben. Hier in Europa haben wir gottlob die meiste Zeit Frieden. Was im Moment hoch gespült wird, sind Egomanen oder gestörte Narzissten, die sich mit Geld und großem Maul darstellen. Und dann auch noch gewählt werden. So etwas wie diese „blaue Partei“ dürfte es bei uns in Deutschland im Grunde gar nicht geben. Viel wichtiger aber sind die kleine Politik, das kleine Engagement, etwa im Gemeinderat. Über Großes zu fluchen scheint immer leicht.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Bruno Epple und Hans Sauerbruch?

Zahrt: Wir haben zusammen Aktionen gemacht. Das war immer auch politisch, aber keine Parteipolitik. Der Kinderschutzbund kam auf mich zu, daraus resultierten dann größere Aktionen. Wir haben viel für Russland getan. Gelder gesammelt etwa.

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Braucht es Stille für den Arbeitsprozess?

Zahrt: Ja, alltäglicher Lärm stört mich. Wenn ich einen Text schreibe etwa, dann brauche ich Konzentration. Ich bin extrem lebendig, ich habe immer einen Block dabei und notiere ständig Dinge, damit ich sie nicht vergesse.

Reisen als Lust und Inspiration. Was sind Ihre Lieblingsziele?

Zahrt: Ganz generell seit Anfang der 1970er Jahre das Tessin. Ein befreundeter Grafiker der alten Schule hatte in Ascona eine Wohnung, ich war mit der erste Besucher dort und man hat mir dort das Tessin nahe gebracht. Seitdem ist das eine Art Seelenheimat. Wir sind oft dort unten, ich habe dort auch schon Kurse gegeben.

Sie werden dieses Jahr 82 Jahre alt. Was würden Sie gerne noch verwirklichen?

Zahrt: Ein kreativer Mensch hat immer viel vor, mittlerweile gibt es viele kleine Ziele, an denen ich schon dutzende Male war, da würde ich heute nicht mehr hinkommen, etwa weil die Wege zu steil sind. Also muss ich diesbezüglich etwas bescheidener werden. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass irgend etwas nachlässt. Wichtig ist: Das Gehirn funktioniert, und ich brauche noch keinen Rollator.