Nicht nur einfach trockene Zahlen präsentieren, will die Chefin der Agentur für Arbeit Balingen, Anke Traber. Sie stellt deshalb den monatlichen Arbeitsmarktbericht regelmäßig in einem ausgewählten Unternehmen in ihrem Bezirk vor, der die Landkreise Zollernalb und Sigmaringen umfasst. Die Zahlen für August gaben Traber und ihr Pressesprecher Rolf Gering in der Beuroner Ölmühle „Die Ölfreunde“ im Ortsteil Thiergarten vor der anwesenden Presse bekannt.
Arbeitskräftemangel ist ein großes Thema
Trotz aktueller Krisenlage durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie saisonüblichem Anstieg der Arbeitssuchenden bleibt der Arbeitsmarkt im Landkreis Sigmaringen weiterhin von einem Arbeitskräftemangel geprägt, lautete das Fazit von Traber und Gering. Der Geschäftsführer der Ölfreunde Jürgen Belthle und Sohn Paul, der die Ölmühle in jungen Jahren gegründet hat, berichteten indessen, vor welchen Herausforderungen ein Unternehmen ihrer Größe bei der Suche nach Mitarbeitern steht. So entstand an diesem Vormittag eine interessante Präsentation von Zahlenwerk und Arbeitsmarktwirklichkeit.
Arbeitsmarkt im Kreis Sigmaringen ist krisenfest
Im Landkreis Sigmaringen betrug die Arbeitslosenquote im August 3,3 Prozent – zum Vergleich in Baden-Württemberg waren es 3,8 und bundesweit 5,6 Prozent. Dass die Arbeitslosenquote – besonders bei den Jugendlichen – in der Haupturlaubszeit leicht anstiegen war, lag laut Traber und Gering daran, dass zu diesem Zeitpunkt schulische und betriebliche Ausbildungen enden. Mit Beginn des Ausbildungsjahres im September gehe die Arbeitslosenquote wieder zurück, so die Arbeitsmarktexperten. Dass die Quote im Landkreis gegenüber dem Vorjahr – im August 2021 waren es 3,2 Prozent – leicht angestiegen ist, liegt nach Aussage Trabers und Gerings an dem Zuzug ukrainischer Geflüchteter. Insgesamt schätzten Agenturchefin Traber die Lage am Arbeitsmarkt – auch im Kreis Sigmaringen – als krisenfest ein.

Viele offene Arbeitsstellen und Lehrstellen
Traber sprach von einem „ungebrochenen Arbeitskräftebedarf“. „Wir sehen, dass der Arbeitsmarkt weiterhin aufnahmefähig ist und den derzeitigen Krisen standhält“, fasste sie die Lage zusammen. Im Landkreis Sigmaringen haben die Unternehmen stand August der Arbeitsagentur 2136 offenen Stellen gemeldet. Im Kreis gibt es außerdem immer noch 616 unbesetzte Ausbildungsplätze. Ausbildungssuchende können sich laut Traber und Gering immer noch bei den ausbildenden Unternehmen bewerben, auch wenn das Ausbildungsjahr schon begonnen hat.
Fehlender Nahverkehr verhindert Stellenbesetzung
Oftmals scheitert die Stellenbesetzung offenbar an Bedingungen, die gar nicht mit dem eigentlichen Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. So schilderte der Geschäftsführer der Ölfreunde Jürgen Belthle den Fall eines Mitarbeiters, der gekündigt hatte, weil er aufgrund des geringen Nahverkehrsangebots im Donautal Schwierigkeiten hatte, die Arbeitszeiten einzuhalten. Umso kurioser wird die Geschichte, wenn man weiß, dass das Unternehmen der Belthles direkt an der Bahnstrecke liegt und sogar im ehemaligen Bahnhofsgebäude produziert. Am Bahnhof Thiergarten halten die Züge aber schon lange nicht mehr.
Betreuungsangebot für Kinder fehlt
Aber auch widersinnige Bürokratie kann verhindern, dass ein Arbeitsverhältnis zustande kommt. Ukrainische Geflüchtete sind mehrheitlich Frauen mit Kindern. Viele können nicht arbeiten, weil es nicht genügend Betreuungsangebote gibt. Für diejenigen, die arbeiten könnten, wird oft die Sprache zum Problem. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisierten Sprachkurse finden aber nur tagsüber statt. Deshalb scheiterten auch die Bemühungen der Belthles, einen geflüchteten Ukrainer einzustellen. „Wir brauchen die Leute tagsüber zum Abfüllen“, erklärt Jürgen Belthle. Auch die Bemühungen seiner Ehefrau, einen Sprachkurs am Abend zu organisieren, blieben ohne Erfolg. Die Ölfreunde suchen aktuell einen Mitarbeiter, der nach Möglichkeit Erfahrung in der Abfüllung hat – wie etwa einen Bierbrauer. Aber auch Quereinsteiger sind willkommen. Wichtig sei, dass der potenzielle Mitarbeiter Lust habe zu arbeiten, sagen Vater und Sohn Belthle.
Weiterbildung lohnt sich
Doch auch als ein Positivbeispiel kann die Ölmühle in Thiergarten vermelden: Tobias Lutz hat bei den Belthles sprichwörtlich seine Berufung gefunden. Der zweifache Studienabbrecher konnte in der Ölmühle eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik machen. Unterstützt und finanziert wurde die Qualifizierungsmaßnahme von der Arbeitsagentur: „Das war wie die Nadel im Heuhaufen zu finden“, sagte Kerstin Dreher, die bei der Arbeitsagentur in Sigmaringen für den Arbeitgeberservice zuständig ist und beim Pressegespräch ebenfalls anwesend war. Sie hat die Ölfreunde bei ihrem Wunsch beraten, ihren Mitarbeiter weiterzuqualifizieren. Tobias Lutz will ausdrücklich in der Ölmühle bleiben, wollte er aber jemals wechseln, so hätte er gute Chancen auf dem regionalen Arbeitsmarkt. Logistiker und Fachleute für die Lagerwirtschaft werden im Kreis Sigmaringen mit am meisten gesucht, so die Arbeitsmarktexperten.