Im vergangenen Jahr feierten die Städte Meßkirch und Burghasungen bei Kassel in Hessen den 1000. Todestag des heiligen Heimerad mit Vorträgen, gegenseitigen Treffen und Gedenkgottesdiensten. Der Heilige stammt aus Meßkirch, das zum damaligen Großherzogtum Schwaben gehörte, und wurde ungefähr zwischen 950 und 965 geboren. Am 28. Juni 1019 geht sein Leben in seiner Einsiedelei auf dem Hasunger Berg zu Ende. Er wird dort bestattet, woraufhin sich an diesen Ort eine rege Wallfahrt entwickelt, die zweitgrößte des Hochmittelalters. Anlässlich des Gedenkjahres 2019 entstand das Buch „Der heilige Heimerad. Priester. Pilger. Pauper Christi“, welches das Bildungswerk Meßkirch und der Museumsverein Kloster Burghasungen durch Stefan Blanz herausgab.

Auf dem Hasunger Berg war die letzte Wirkungsstätte des heiligen Heimerad.
Auf dem Hasunger Berg war die letzte Wirkungsstätte des heiligen Heimerad. | Bild: Stefan Blanz

Das farbig bebilderte Kompendium, dessen Cover das Heimerad-Gemälde von Lothar Rohrer ziert, enthält zwölf Texte verschiedener Autoren, zumeist Historiker und Theologen. Sie geben Auskunft über die Zeit um das Jahr 1000, in der Heimerad lebte, und darüber, wie Meßkirch zu jener Zeit ausgesehen haben könnte. Darüber hinaus nähern sich die Autoren aus unterschiedlichen Blickrichtungen dem Heiligen, rekonstruieren sein Leben, das Lebensumfeld sowie die Lebensbedingungen, die Wirkung und spirituelle Bedeutung.

Zu den Meßkirchern, die sich bereits vor Jahrzehnten mit dem heiligen Heimerad und seiner Geschichte befassten, gehörten der Optikermeister Charly Sauter und der Lehrer Christoph Witt. Ihnen ist unter anderem die Publikation gewidmet. Darüber hinaus ehrten die Bürgermeister der beiden Städte, Stefan Denn für Zierenberg und Arne Zwick für Meßkirch, das Buch mit einem Geleitwort.

Im Atrium der Waldbühne in Burghasungen fand 2019 der große Festgottesdienst statt.
Im Atrium der Waldbühne in Burghasungen fand 2019 der große Festgottesdienst statt. | Bild: Stefan Blanz

Da der heilige Heimerad keine eigenen Schriften hinterließ, stellt die Heimerad-Vita des Mönchs Ekkebert von Hersfeld eine der wichtigsten Quellen für die Heimerad-Forschung dar. Allerdings verfasste er diese erst mehr als fünfzig Jahre nach Heimerads Tod. Wie von Tobias Teyke zu erfahren ist, war Ekkebert „ganz von mündlich überlieferten Quellen abhängig“. Darunter müssen die Erzählungen seiner eigenen Eltern gehört haben, die den Heiligen noch gekannt hätten. Aus der Vita sei zu schließen, dass Heimerad oft von Meßkirch gesprochen habe, deshalb könne Meßkirch nicht bloß der zufällige Geburtsort des späteren Priesters gewesen sein.

Leser taucht ein in die historische Lage der Region

Der Leser erfährt Interessantes aus der Zeit um das Jahr 1000, von der historischen und politischen Lage in der Region und kann sich ein Bild davon machen, wie Meßkirch in jener Zeit ausgesehen haben mag. Darüber hinaus kann der Leser nachvollziehen, wie Historiker, Theologen und Schriftsteller sich der Zeit und der Person des heiligen Heimerads nähern, wie sie die Quellen interpretieren und welche Bedeutung sie ihm für die heutige Zeit zumessen. Dabei kommen sie nicht immer auf die gleichen Ergebnisse, was der Dürftigkeit der Quellen geschuldet ist. Viele Fragen zu Heimerad können nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Es gibt einige sehr plausible Begründungen, doch auch nach der umfangreichen Beschäftigung mit dem Heiligen bleibt noch einiges offen. Er könnte ein Suchender, ein Visionär, ein Mystiker, ein Kritiker der prachtliebenden Reichskirche seiner Zeit oder einfach nur ein Querulant gewesen sein. „Selbst diese Frage bleibt letztlich offen“, schreibt Armin Heim.

Einen Vortragsabend gab es anlässlich der 1000-Jahr-Feier des Todestages des heiligen Heimerad im Herz-Jesu-Heim. Der Historiker Dr. ...
Einen Vortragsabend gab es anlässlich der 1000-Jahr-Feier des Todestages des heiligen Heimerad im Herz-Jesu-Heim. Der Historiker Dr. Werner Fischer und Benediktiner-Bruder Jakobus Kaffanke (rechts) beleuchteten die Geschichte des aus Meßkirch stammenden Heiligen. | Bild: Bildungswerk Meßkirch

Mehrere Autoren räumen mit den gängigen Vorstellungen in Bezug auf das Mittelalter auf, da diese sich vorwiegend auf das Spätmittelalter bezögen. „Kaum jemand kennt die Geschichte des ersten Jahrtausends“, beginnt Werner Fischer seine Ausführungen. Insofern rückt das Buch die Zeit um 1000 dem Leser näher. Ein weiterer Aspekt des Kompendiums ist das Nachwirken des heiligen Heimerad, und in welcher Weise seiner gedacht wird.

Historische Bilder und Werke zeitgenössischer Künstler enthalten

Ein Beitrag hierzu befasst sich mit dem Hasungen-Museum, in dem die Geschichte des Hasunger Klosters präsentiert wird, das nach Heimerads Tod auf dem Hasunger Berg gegründet wurde. Es sind sowohl historische Bilder des Heiligen enthalten als auch Werke zeitgenössischer Künstler. Arnold Stadler setzt sich beispielsweise in einem literarischen Brief mit dem Heiligen auseinander und Pater Franz Ludwig Sampers OT legt seinen Fokus auf das Priestertum. Diese unterschiedlichen Ansichten machen das Buch zu einem lesenswerten Erlebnis und unverzichtbar für jene, die sich für die Geschichte der Region interessieren.

„Man muss neue Wege suchen“

Herr Blanz, wann sind Sie zum ersten Mal auf den heiligen Heimerad gestoßen?

Vor rund zehn Jahren lebte ich in Beuron. Damals war ich in verschiedene Publikationen im Umfeld der Erzabtei und des Bruders Jakobus Kaffanke involviert. Dabei bin ich auf das Heimerad-Buch von Christoph Witt mit seiner persönlichen Auslegung der Vita gestoßen. Das Jubiläum zum 1000. Todestag des heiligen Heimerad war eine gute Gelegenheit, die bisherige Arbeit fortzusetzen.

Was hat Sie an ihm interessiert?

Die Ungewöhnlichkeit des heiligen Heimerads besteht darin, dass die Radikalität seiner Nachfolge stark von unserer Lebensweise abweicht. Damit meine ich insbesondere eine Art Kontrapunkt zur Sesshaftigkeit der Menschen. Sesshaftigkeit bestimmte bereits im Mittelalter das Zusammenleben, was auch für die Kirche gilt. Im Spannungsfeld christlicher Nachfolge sollte dies näher angesehen werden. Darüber hinaus ist die Quellenlage, wie generell im 10. und 11. Jahrhundert, sehr dürftig und man muss neue Wege suchen, um Heimerad und seiner Zeit auf die Spur zu kommen.

Welcher Aspekt hat Sie während der Arbeit für das Buch besonders beeindruckt?

Als Herausgeber bin ich sehr dankbar, dass sich so viele bereit erklärt haben mitzuwirken, sei es als Autor, sei es als Verleger oder Geldgeber. Dadurch sind Aspekte und offene Fragen ans Tageslicht gekommen, welche die Diskussion um sein Wirken weiter offen halten könnte. Beeindruckend fand ich, dass seine geistliche Lebensform als wandernder Priester überhaupt möglich wurde, obwohl sie nicht unbedingt vorgesehen war (und heute definitiv nicht vorgesehen ist). Dennoch ist er diesen Weg gegangen, um sein Leben in Mittel- und Heimatlosigkeit zu verbringen.

Was kann Heimerad dem heutigen Menschen noch sagen?

Das bekannteste Wort Heimerads erinnert an die Unerschöpflichkeit der Barmherzigkeit Gottes. Er hat sie bezeugt, indem er sich der Barmherzigkeit seiner Mitmenschen ausgesetzt und seine empfangenen Almosen geteilt hat – auch wenn er dann zum Unmut mancher Mitmenschen mit leeren Händen dastand. Teilen und Demut gehören im heutigen gesellschaftlichen Leben nicht gerade zu den beliebtesten und geläufigsten Tugenden. Insofern könnte man ihm – ähnlich dem heiligen Martin, von dem er seinen Auftrag bestätigt sah – einen Umverteiler zugunsten größerer Gerechtigkeit nennen.

Fragen: Isabell Michelberger