Die Entfernung ist weit, die sprachliche Barriere hoch, die jeweilige Kultur und Mentalität eine ganz andere. Und doch pflegen Meßkirch und Kahoku eine Städtepartnerschaft, die dieser Tage auf ihr 40-jähriges Bestehen zurückblickt. Offizielle Delegationen, Vereine und private Gruppen besuchen einander seit den 1980er Jahren. Eine Schüleraustauschgruppe reiste erstmals 1999/2000 in die Partnerstadt ans japanische Meer. Ein offizieller Festakt mit geladenen Gästen findet am Mittwoch, 9. Juli, im Festsaal des Schlosses statt.
1987 machte sich der Kreutzer-Chor gemeinsam mit dem Bodensee-Madrigalchor und ihrem gemeinsamen Chorleiter Heinz Bucher erstmals auf den weiten Weg nach Asien. Mit dabei: Bass-Sänger Rainer Kotz, damals 43 Jahre alt. Der frühere Bankdirektor und langjährige Vorsitzende des Kreutzer-Chors kann sich noch sehr gut daran erinnern, was die Sängerinnen und Sänger erlebt haben. Zu einer Zeit, als man sich nicht mal eben im Internet über die Gepflogenheiten in der Ferne informieren konnte, geschweige denn einen Google-Translator hatte, um sich mit dem Gegenüber zu verständigen. Fotos, Landkarten, Prospekte und sonstige Erinnerungen bewahrt Kotz in drei Leitz-Ordnern auf. Die zweite Japanreise des Chors hat Kotz 1995 zusammen mit Robert Rauser, dem damaligen Bürgermeister Meßkirchs, dann maßgeblich mitorganisiert.

„Unsere Gastgeber haben sich sehr um uns bemüht. Die beiden Japan-Reisen haben mein Leben sehr bereichert“, sagt Rainer Kotz, den die Freundlichkeit der Menschen sehr beeindruckt hat. „Es war wirklich toll.“ Er erlebte die Gastgeber als zuvorkommend, herzlich und höflich. Was ihm auch auffiel: die Japaner lieben es reinlich und pünktlich. Zu einem Termin etwas früher zu erscheinen, aber wiederum nicht zu früh, gehört zum guten Ton. Bärbel Hermann, die heutige Vorsitzende des Kreutzer-Chors, erinnert sich: „Als ich 1995 dabei war, hielt unser Bus plötzlich am Straßenrand an. Der Busfahrer hat ein paar Minuten gewartet, damit wir zur angemessenen Zeit ankamen.“ Sie hat in ihren Unterlagen von der Reise sogar noch „Einige Anmerkungen zum Verhalten in Japan“ für den Aufenthalt in Gastfamilien. Unter anderem heißt es da: „Das Naseputzen, insbesondere das geräuschvolle, zählt zu den unmöglichsten Verhaltensweisen. Die Nase hochzuziehen gilt hingegen nicht als anstößig, da man seinen Dreck ja dabei bei sich behält.“

Von Stuttgart über Brüssel und Anchorage flogen Kotz und seine Mitsängerinnen und -sänger nach Tokio und reisten weiter nach Kahoku, um vom 14. bis 26. April 1987 die Partnerstadt Meßkirchs zu besuchen. „Heinz Bucher, unser Dirigent, hat uns gut vorbereitet. Sowohl, was Verhaltensregeln betraf, aber auch musikalisch: Wir haben Sakura, ein japanisches Kirschblütenlied, einstudiert.“ Die Japaner ihrerseits begeistern sich sehr für deutsche Volksmusik, erzählt Kotz. „Das Lied von der Loreley kennt praktisch jeder.“

Sich bei der Begrüßung zu verbeugen, niedrige Esstische ohne Stühle, Futons statt Betten, Tatamis (geflochtene Reisstrohmatten) am Boden, mit Reispapier bespannte Schiebetüren, Algensalat, Sushi, Essen mit Stäbchen, Reis und Nudelsuppe zum Frühstück – das alles war neu und ungewohnt für die Chorsänger. „Brot gab es so gut wie nie, aber das hat sich mittlerweile wahrscheinlich auch geändert.“ Freilich gab es auch das eine oder andere Fettnäpfchen, in das die Gäste aus Deutschland aus Unwissenheit hineintappten.
Ein rituelles Bad zur Reinigung von Körper und Geist vor dem Abendessen gehörte beispielswiese zu den Dingen, die den Meßkirchern fremd waren. Das Baden, bei dem man sich weder einseift noch shampooniert, dient der Entspannung und Vorbereitung auf das Essen. „Das Wasser ist ganz schön heiß“, so Kotz. Bärbel Hermann weiß noch, dass jemand aus der Chor-Gruppe in seiner Gastfamilie nach dem Baden den Wannenstöpsel gezogen hat. Ein echter Faux-pas, denn eigentlich hätte noch der Rest der Familie in dem Wasser baden sollen.
Auch wichtig zu wissen: Im Haus gibt es verschiedene Schuhe für verschiedene Bereiche. Straßenschuhe bleiben draußen. Im Haus trägt man Pantoffeln. Und wer die Toilette benutzt, wechselt in ein anderes Paar. Viele Japaner praktizieren zugleich Buddhismus und Shintoismus – und sei der Platz auch noch so klein, es gibt kaum eine Wohnung ohne Schrein. Kotz beging einmal den Fehler, das Zimmer der religiösen Verehrung mit Schuhen zu betreten. Er hatte in dem Moment vergessen: Das Ausziehen der Schuhe gilt in Japan als Zeichen des Respekts.