Welche Auswirkungen hatte der Bau der Ablachtalbahnlinie für die Stadt und warum wäre Meßkirch ohne den Schienenverkehr gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermutlich keine Fleckviehmetropole gewesen? Auf Fragen wie diese kann Andrea Braun-Henle fix antworten. Das Schloss kennt sie vom Keller bis zum Dachgeschoss. Werke des Meisters von Meßkirch in der St. Martinskirche gehören ebenso zu ihren Interessen wie die Mittelalterbaustelle Campus Galli. „Die Ausstattung der Kirche um 1530 ist das Hauptwerk des Meisters von Meßkirch, heute ist dort nur noch das Drei-König-Bild zu sehen. Meister bezeichnet im geschichtlichen Kontext übrigens einen Handwerksmeister mit Gesellen, keinen meisterlichen Künstler“, schüttelt sie die Infos locker aus dem Ärmel. Man merkt schnell: Kunst- und Kulturgeschichte sind ihr Steckenpferd.
Ablachtal war für die Entwicklung von Meßkirch sehr wichtig
Wir treffen uns im Froben. In Sichtweite das Meßkircher Schloss, die St. Martinskirche, das Herz-Jesu-Heim und die Büste Conradin Kreutzers – einer der ältesten Plätze der Stadt und damit ein perfekter Ort für das Gespräch. Nach wem das Restaurant Froben benannt wurde, kann Andrea Braun-Henle auch erklären. Und dass der rötliche Stein für das Conradin Kreutzer-Denkmal mit der Ablachtalbahn nach Meßkirch gebracht wurde, beweist wiederum, wie bedeutungsvoll die Bahn war. Nicht nur in puncto Fleckvieh.
Gebürtige Meßkircherin beschäftigt sich intensiv mit ihrer Heimatstadt
Andrea Braun-Henle ist eine von denen, die sich mit der Heimatgeschichte im Geniewinkel und speziell in Meßkirch bestens auskennen. Sie packt gerne mit an, um Meßkirch lebens- und liebenswert zu halten. So gehört die 53-Jährige dem Freundeskreis Campus Galli an, dem Bauförderverein St. Martin und dem Marketing-Team der Biberbahn. Außerdem führt sie seit rund 25 Jahren Gäste durch die Stadt. Meßkirch sei sehr ergiebig, was die Heimatforschung angeht.
Hobby lässt sich gut mit dem Beruf vereinbaren
Die Heimatforscherin schreibt Aufsätze für Festschriften und Fachbücher und hält auch Vorträge. Während andere nach Feierabend ins Fitnessstudio gehen oder sich die Fernbedienung schnappen, kann es sein, dass sich Andrea Braun-Henle eine Chronik aus dem Bücherregal zieht. In ihrer Freizeit liebt sie es, sich mit der Historie ihrer Geburtsstadt auseinanderzusetzen. „Ich finde es total spannend. Das Hobby lässt sich zudem gut mit meinem beruflichen Leben vereinbaren“, so die Berufsschullehrerin. Sie sei es gewohnt, Fachwissen aufzubereiten und zu vermitteln. Aber keine Angst: die Stadtführungen mit ihr enden nicht mit einer Lernzielkontrolle.
Heimatforschung ist wie Detektivarbeit
Andrea Braun-Henles Eltern stammen aus Meßkirch, sie selbst wuchs hier auf und freut sich jedes Mal, wenn sie sich in ein historisches Thema hineinfuchsen kann. Für die Recherche und Quellenforschung besucht sie Archive wie etwa das in Sigmaringen. Sie tauscht sich mit anderen Heimatforschern aus, stöbert in Bibliotheken und Antiquariaten oder lädt sich benötigte Dokumente aus dem Internet herunter. „Am Ende fügen sich die Puzzleteile zu einem Bild zusammen. Das ist wie Detektivarbeit.“
Besondere Rinderrasse sorgt für Boom
Um zum Schluss die Frage mit der Fleckviehmetropole zu beantworten: Meßkircher Bauern hatten auf der Weltausstellung 1873 in Wien eine Rinderrasse vorgestellt, die sowohl Fleisch, als auch Milch liefern konnte. Die Nachfrage nach diesen Kühen war groß. Ohne das Transportmittel Bahn kein Kuhverkauf, ohne Kühe kein Geld für die Stadt. Das Geld wurde beispielsweise in den Bau des Rathauses investiert.
Andrea Braun-Henle ist wider Erwarten nicht Lehrerin für Geschichte. Die stellvertretende Schulleiterin der Helene-Weber-Schule in Bad Saulgau unterrichtet dort die Fächer Deutsch, Chemie und Religion. Die 53-Jährige wuchs in Meßkirch auf und lebt hier.